Resonance in Nancy
Was ist schon normal?

Das RESONANCE-Tandem aus Nancy mit zwei Mitgliedern des Theaterkollektivs TOUT VA BIEN! Die Personen tragen skurrile Brillen und Kopfbedeckungen, eine Person hält sich Trichter an die Ohren
Gemeinsam mit dem Theaterkollektiv TOUT VA BIEN! stellt das RESONANCE-Tandem aus Nancy Realitäten in Frage | © Bérengère Goossens

Haben Sie schon mal durch Federballbrillengläser geguckt? Dann wissen Sie, was  eine „réalité décalée“ ist, eine abgedrehte, eine andere Realität: Charlotte, Marianne und Claire, als Trio eines der acht RESONANCE-Tandems, nutzen das Goethe-Institut Nancy für eine intensiv erfahrbare Spiegelung ihrer seit Herbst laufenden Zusammenarbeit.

Von Harriet Wolff

„Schau mal hier durch!“ Marianne winkt mit einer handgefertigten Brille aus hellbrauner Pappe, die „Gläser“ sind aus schwarzem Tonpapier. Kein Durchblick, nirgends. Anders gestaltet sich der schillernde Ausblick durch ein Sehwerkzeug auf dem Federbälle prangen. Und was ist das hier bloß? Die Verwirrung der Sinne ist perfekt – und beabsichtigt. Im Rahmen des RESONANCE-Projekts haben sich die Berliner Künstlerin und Kunstvermittlerin Charlotte Wanda Kachelmann und die Designerinnen Marianne Franclet und Claire Baldeck-Schleret des Duos shoreoo aus Nancy zusammengetan, um buchstäblich die Realitäten auf den Kopf zu stellen.

Am Ende ihres „vollgepackten und voll schönen“, wie es Marianne lächelnd ausdrückt, ersten Residenzaufenthaltes in Nancy haben die drei ihr gemeinsames Anliegen und gemeinschaftliche Kreationen erarbeitet. „Uns geht es darum, dass Menschen, das Besucherinnen und Besucher, vielgestaltiges Design ertasten und erspüren können“, erklärt Claire. „Wir wollen damit unsere Wahrnehmung und unsere Sinne herausfordern.“ Und dafür lassen sich die drei Erfinderinnen bei einer geführten Performance von famosen Schauspielern unterstützen. Die professionellen Akteure des Theaterkollektivs TOUT VA BIEN! aus Nancy haben alle psychische oder körperliche Handicaps, mit denen sie offen umgehen, die ihre Darstellungen intensivieren. Sie nehmen einen, an unterschiedlichen Schauplätzen in und um das Goethe-Instiut Nancy, mit auf einen Parcours der Objekte, einen Parcours der Sinne.

Da kann es darum gehen, wer bei einer kleinen Olympiade der herrlichen Langsamkeit, auch wirklich am langsamsten sich fortbewegt. Oder es dreht sich darum, den eigenen Gleichgewichtssinn zu erforschen, indem man einen abgezirkelten „Sac à deux“, ein längliches Tuch, gemeinsam so um sich herum balanciert, dass er nicht zu Boden fällt. Immer wieder handelt das RESONANCE-Projekt der drei davon, althergebrachte Normen in Frage zu stellen, möglicherweise bis jetzt nicht gekannte Empfindungen zuzulassen.

  • Eine Frau trägt einen Ring um den Bauch, darin finden sich Taucherbrillen, Schnorchel und andere Gegenstände. © Bérengère Goossens

  • Eine Reihe von Menschen läuft, verbunden durch ein blaues Tuch,  durch die Straßen Eine Frau trägt einen Ring um den Bauch, darin finden sich Taucherbrillen, Schnorchel und andere Gegenstände.

  • Eine Frau trägt eine Brille, auf der Federbälle angeklebt sind © Bérengère Goossens

  • Im Vordergrund die Rücken von zwei Männern. Im Hintergrund mehrere Menschen mit skurrilen Brillen, Ohrenschützern und Schläuchen um den Hals © Bérengère Goossens

  • Mehrere Menschen sitzen an einem Tisch und halten ihre Ohren an einen Schlauch, der auf dem Tisch liegt © Bérengère Goossens

„Fantasievolle Objekte können bei unserer Performance ausprobiert werden, die ganz verschiedene unserer Sinne ansprechen“, sagt Charlotte Wanda. Um das Riechen geht es, darum, wie wir uns durch unsere Umgebung tasten, wie wir sie sehen, hören – und „vielleicht auch vorschnell in Schubladen wegsortieren“, ergänzt Marianne. „Unsere Idee ist es letztlich, menschliche Wahrnehmungen positiv zu verändern“, schließt Claire – „oder zumindest schon mal zu erweitern. Bloß kein Stress!“

Kongenial haben sich Charlotte Wanda, die in Berlin gemeinsam mit Menschen mit Behinderung arbeitet und inklusive Kunstvermittlungsprojekte veranstaltet, und Marianne und Claire, die als Kollektiv shoreoo partizipative Interventionen im Sozial-, Bildungs- und Pflegebereich machen, zusammengetan. „Wir wollen neue Erzählungen und Vorstellungsräume entstehen lassen“, erzählt Charlotte Wanda. „Die Mauer muss durchbrochen werden“. Die Mauer? „Ja“, meint Marianne, „es dreht sich bei uns immer wieder darum, die sogenannte ‚Normalität‘ in Frage zu stellen, den Blick auf sie entspannt zu wechseln.“

Was ist schon normal? Bei dieser berührenden ersten Werkschau des RESONANCE-Trios und der Schauspieler des Theaterkollektivs TOUT VA BIEN!, die wunderbar divers und teils auch richtig erheiternd war, brachte der gesellige Ausklang zum Schluss auch wichtige Fragen von Inklusion und Exklusion auf. Fazit: Ohne Liebe und gelebte Empathie ist alles: nichts. Wir bleiben gespannt auf weitere, die Sinne ansprechende Erfindungen von Marianne, Claire und Charlotte Wanda …

 

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