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Öffentliches Beschäftigungsprogramm
„Niemand würde sich für 54000 Forint abmühen“

Arbeit am Wagen
Arbeit am Wagen | Foto: Bálint Bárdi

Die Dorfbewohner*innen sind stark auf die im Rahmen des öffentlichen Beschäftigungsprogramms arbeitenden Menschen fixiert. Es geht ihnen nicht um die lehrbuchmäßige Frage, ob das öffentliche Beschäftigungsprogramm ein geeignetes Instrument sei, um die Betroffenen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sondern darum, ob diese Menschen das Dorf wirklich auf normale Weise in Ordnung halten können.

Das öffentliche Beschäftigungsprogramm ist – wie an vielen Orten auf dem Lande – für das Leben von Szentlászló von zentraler Bedeutung. Teilweise für das Leben der auf diese Weise Beschäftigten, die glücklich sind, bis zum Ausscheiden aus dem öffentlichen Beschäftigungsprogramm für das Jahr ein festes Einkommen zu haben. Und teilweise wegen der Art der öffentlichen Arbeit, die auch in Szentlászló vorwiegend darin besteht, das Dorf in Ordnung zu halten. Wenn es etwas gibt, worauf die Menschen in diesem schwäbisch verwurzelten Dorf fixiert sind, dann auf eben diese Frage.

Szentlászló ist zwar auch heute noch eine sehr ordentliche Siedlung – aber wen wir auch fragten, bekamen wir zu hören, dass man in der Vergangenheit noch viel mehr darauf geachtet habe, dass alles so „tipptopp“ ist, dass niemand etwas daran auszusetzen hat. Bürgermeister Zoltán Pasztorek erzählte, die Anwohner würden reklamieren, wenn auf dem Friedhof das Gras zwischen den Gräbern nicht gemäht sei, und sofort würde auch angemerkt, „was diese öffentlich Beschäftigten überhaupt machten“. Pasztorek sagte weiter, er habe extra in den Nachbardörfern nachgeschaut, aber auch dort habe der Friedhof kein bisschen besser ausgesehen. In Szentlászló könne das allerdings nicht mehr ​​lange so weitergehen, weil sich schon das halbe Dorf beschwere. Schlechte Erfahrungen? Schlechte Erfahrungen? | Foto: Gréta Kovács

Erster vs. Zweiter Arbeitsmarkt

Während die im Rahmen des öffentlichen Beschäftigungsprogramms zu erfüllenden Aufgaben für die Einwohner*innen so wichtig sind, wird über die öffentlich Beschäftigten selbst nicht viel Gutes erzählt. „Es gibt nur wenige öffentlich Beschäftigte, die arbeiten gehen“, sagt eine Witwe aus Szentlászló mit dodonischer Zweideutigkeit. Das kann man so verstehen, dass es sich um eine kleine, aus nur wenigen Personen bestehende Brigade handelt, die der Arbeit deshalb nicht gänzlich nachkommen kann. Es könnte aber auch in dem Sinne gemeint sein, dass man nur wenige von ihnen wirklich dazu bringen kann, überhaupt eine Arbeit zu verrichten.

Letzteres ist ziemlich verurteilend, obwohl sich das öffentliche Beschäftigungsprogramm auch gezielt an bedürftige Arbeitssuchende richtet, die keinen Anspruch auf Unterstützung bei der Arbeitssuche oder auf Sozialleistungen haben (darunter auch an Mehrfachbenachteiligte, an Menschen mit Behinderung, an Obdachlose usw.).

Die Arbeit im öffentlichen Beschäftigungsprogramm wird daher einerseits „marktbasiert“ bewertet – also wie der Erste Arbeitsmarkt –, wenn man die Qualität der Dienstleistung einfordert. Andererseits wird sie auch für eine soziale Hilfsbeschäftigung gehalten, wenn die Fähigkeiten der Beschäftigten im öffentlichen Programm thematisiert werden.

Manche meinen, ein*e Dorfverwalter*in allein könnte die Siedlung besser in Ordnung halten, während andere offen aussprechen, dass bloß diejenigen im Rahmen des öffentlichen Programms beschäftigt seien, die für nichts anderes geeignet seien. Angesichts solcher Einschätzungen ist es freilich (auch) in Szentlászló nicht einfach, im Rahmen des öffentlichen Beschäftigungsprogramms zu arbeiten.

Das Hauptproblem ist der Verkehr

In Szentlászló gibt die Gemeindeverwaltung dreizehn Personen Arbeit im Rahmen des öffentlichen Beschäftigungsprogramms: Bei unserem Besuch dort waren drei von ihnen gerade damit beschäftigt, akribisch einen alten Holzwagen anzustreichen, der dann neben der Hauptstraße als zentrales Element einer volkstümlichen Installation aufgestellt wurde, um die Reisenden zu begrüßen, die die Siedlung aufsuchen.
Arbeit am Wagen Foto: Bárdi Bálint Petra ist 19 Jahre alt und hatte eine Schule für Forstwesen und -wirtschaft besucht. Ihre unerwartete Schwangerschaft durchkreuzte dann ihre weiteren Pläne. Obwohl sowohl ihre Mutter als auch ihr Partner sie bei der Erziehung ihres kleinen Jungen unterstützen, ist es für sie am schwierigsten, eine Arbeit außerhalb des Dorfes zu finden. So geht es auch ihren zwei Gefährtinnen bei dieser Dekorationsarbeit, Erika und Katalin, die beide um die dreißig Jahre alt sind und drei Kinder erziehen.

Das Hauptproblem ist die Verkehrsanbindung: Die Bahnanbindung wurde bereits Anfang der 1970er Jahre abgeschafft; es ist nicht leicht, Busfahrpläne und Arbeitszeiten miteinander in Einklang zu bringen. Und sie haben kein Geld für ein Auto. Aus dieser Situation führt der Weg schier geradeaus ins öffentliche Beschäftigungsprogramm.

Auch wenn es sich nur um eine Übergangslösung handelt und sie nach einem Jahr aus dem Programm ausscheiden, ist das Beschäftigungsprogramm für sie alle eine wichtige Einnahmequelle. Aber selbst zusammen mit dem Gehalt bzw. der Invalidenrente der Ehemänner reicht es nur für einen sehr bescheidenen Lebensunterhalt. Petra und ihren Gefährtinnen ist es egal, was das Dorf über die Beschäftigten des öffentlichen Programms denkt. Und sie wissen es eigentlich auch nicht so recht, weil sie, wie sie erzählen, mit niemandem wirklich in Kontakt stehen.

„Ich arbeite leider im öffentlichen Beschäftigungsprogramm“, sagte Edit, die Invalidenrentnerin ist und daneben seit nunmehr sieben Jahren als Reinigungskraft in der Arztpraxis von Szentlászló arbeitet. Zuvor hatte sie eine Stelle im Gastgewerbe in Szigetvár, wonach die Arbeit im öffentlichen Beschäftigungsprogramm einen starken finanziellen Rückschlag bedeutet. Wie sie erzählt, sei sie weltoffen und lese auch die Online-Nachrichtenportale Index, HVG und Telex, und sie gibt auch zu, dass sie nicht so recht an die Coronavirus-Impfung glaube und sich nur habe impfen lassen, um ihren Job behalten zu können.

Viel oder wenig?

Es gibt Dörfer in der Umgebung von Szentlászló, die viel mehr Menschen ins öffentliche Beschäftigungsprogramm einbeziehen und eine diversifizierte Wirtschaftstätigkeit ausüben, um ihre kommunalen Einnahmen zu erhöhen und neue Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Da es in den umliegenden Kleinsiedlungen keine großen Wirtschaftsbetriebe gibt, kann man auf die Weise eigene Einnahmen erwirtschaften, dass die Gemeinden selbst zum Unternehmer werden und beispielsweise umfangreichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehen. Während sie natürlich jede Strukturhilfe beantragen, die ausgeschrieben wird.
Der Rasen ist in Ordnung. Der Rasen ist in Ordnung. | Foto: Gréta Kovács Als das öffentliche Beschäftigungsprogramm begann, war es möglich, viel Geld etwa für hochwertige Geräte oder Plastikzelte zu beantragen, aber das Dorf hat diese Gelegenheiten damals verpasst. Und als der frühere Bürgermeister mit einer Unternehmung zum Obst- und Gemüseanbau startete, sei es ihm – meint der heutige Bürgermeister – nicht gelungen, die Belegschaft zu organisieren, und so „endete es im Chaos“. Dazu allerdings konnten wir István Hideg, den früheren Bürgermeister, nicht mehr befragen, da er 2019 verstorben war.

Jedenfalls beschäftigte die Gemeinde in der Ära Hideg dreimal so viele Menschen im öffentlichen Programm wie heute. Laut Aussage von Zoltán Pasztorek habe er nur diejenigen behalten, die die ihnen anvertrauten Aufgaben selbstständig zu erledigen vermögen, und bei denen man nicht jeden Morgen ans Fenster klopfen muss, damit sie endlich zur Arbeit erscheinen. Und wer sein Vertrauen verspielt hat und bei der Arbeit fehlt, bekommt keine zweite Chance. „Aber ich stehe auch nicht daneben, um zu überwachen, ob die Arbeitszeiten eingehalten werden. Seien wir doch ehrlich: Niemand würde sich für 54000 Forint abmühen“, sagt Pasztorek.

Die Gemeindeverwaltung übt auch heute noch eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, aber in kleinerem Maßstab als in der Ära Hideg: So hat sie von den Einwohner*innen Gärten gepachtet. Um die Futtermittel zu verwerten, hat sie – unter Einbeziehung der öffentlich Beschäftigten – auch begonnen, Tiere zu halten; allerdings hat wegen der Geruchsbelästigung ein Dorfbewohner die Gemeinde sogleich beim Nationalen Dienst für Öffentliche Gesundheit (ÁNTSZ) angezeigt. Leider, so der Bürgermeister, sei es typisch, dass viele Leute nicht auf ihn zukämen, um ihre Probleme zu besprechen; stattdessen würden sie alles sofort reflexartig anzeigen oder verunglimpfen – und die Facebook-Gruppen der Einwohner*innen von Szentlászló bieten dafür eine exzellente Bühne. Ein oft wiederkehrendes Thema in diesen Foren ist, warum das öffentliche Beschäftigungsprogramm nicht funktioniert.

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