Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Editorial

Momentaufnahmen
Foto: Gréta Kovács

Junge Reporterinnen der Budapester Universität ELTE und der Universität Pécs (Fünfkirchen) haben sich auf den Weg gemacht, um ein ungarisches Dorf näher kennenzulernen. Und Szentlászló hat sie sogleich in seinen Bann gezogen

89 Prozent der Siedlungen in Ungarn sind Dörfer, jedoch leben nur dreißig Prozent der Bevölkerung auf dem Lande. Darüber, was die Leute auf dem Lande bewegt, haben die Stadtbewohner*innen eher nur vage Vermutungen. Die Medienberichte über die Dörfer widerspiegeln in ihrer Themenwahl und Aufbereitung vielmehr die Vorstellungen der städtischen Medienschaffenden.

Es ist eine weitverbreitete Meinung, dass die Menschen in den ungarischen Dörfern anders über die Welt denken und die Geschehnisse um sie herum anders auslegen als die Stadtbewohner*innen. Besonders wenn es anlässlich der Wahlen um die Analyse des Wahlverhaltens geht, wird diese Feststellung herangezogen. Als seien die Menschen in den Städten und in den Dörfern jeweils „in einem ganz anderen Film“, so die Kommentare.

Nach den Wahlen herrscht in den ungarischen Redaktionen immer wieder ein eifriges Streben, näher auszukundschaften, was sich in den kleinen Siedlungen tut – aber dann bleibt weder Zeit noch Geld für eine gründliche Recherche.

Die Idee zu diesem Projekt kam von der Henri-Nannen-Schule (der Medienschule der Spiegel-Gruppe), die 2017 17 Absolvent*innen in ein deutsches Dorf – nach Werpeloh – entsandte, damit sie dort zwei Wochen lang das Leben mit den Dorfbewohner*innen teilen und dabei möglichst viele Geschichten darüber sammeln, was es heutzutage bedeutet, in einem Dorf zu leben. Aus ihren Erfahrungen entstand das Medienprojekt Ein deutsches Dorf.

Wir wollten – gemeinsam mit dem Goethe-Institut – dieses Projekt auf ein ungarisches Dorf übertragen und suchten nach einer kleinen Gemeinde, die fernab der Oberzentren der Komitate und der Hauptstadt liegt, in einer Region, die mit vielen Herausforderungen kämpft. Darüber hinaus sollte das Dorf unserer Wahl nicht groß, aber auch nicht winzig klein sein, nicht reich, aber auch nicht außergewöhnlich arm.

Bei der Suche haben wir einen Soziologen um Hilfe gebeten, der sich gut mit kleinen Siedlungen auskennt: So fiel unsere Wahl aus einer auf 17 Namen gekürzten Auswahlliste auf Szentlászló – „an der Landstraße 67“ zwischen Szigetvár und Kaposvár, am Südhang des Zselic-Gebirges gelegen. Wir sind den Dorfbewohner*innen sehr dankbar, dass sie sich offen und kooperativ darauf eingelassen haben, dass junge Reporterinnen überall herumspähen und sie nach allen möglichen Dingen ausfragen.

Das Dorf haben wir im Spätsommer, lange nach dem Abklingen der dritten Corona-Welle erkundet, aber selbst zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Gemeindeleben noch nicht so recht erholt. Dennoch war auch so zu spüren, dass sehr viel Kraft in diesem Dorf schlummert: Ob und wie Alt und Neu, ob und wie die ältere und die jüngere, intellektuell-unternehmerische Mittelschicht zusammenwirken und aufeinandertreffen – auch davon hängt es ab, wie die Geschichte von Szentlászló weitergeht.

Wir danken dem Goethe-Institut sehr für die Förderung des Projekts.
Besonderer Dank geht auch an:
Gergely Horzsa, Soziologe und Mitarbeiter des Forschungszentrums für Gesellschaftswissenschaften (Társadalomtudományi Kutatóközpont), der uns bei der Auswahl von Szentlászló behilflich war und die Teilnehmerinnen vor der Reise im Rahmen eines Workshops über das Dorf informierte.
Andreas Wolfers, ehemaliger Leiter der Henri-Nannen-Schule, der die Teilnehmerinnen mit Ratschlägen für eine erfolgreiche Feldforschung versah.
Szabolcs Barakonyi, Pressefotograf des Nachrichtenportals Telex, der für die Teilnehmerinnen vor der Reise einen Crashkurs zum Thema „Wie entsteht ein gutes Pressefoto?“ abhielt.
Bálint Bárdi, Videojournalist, der uns durch die Produktion von Videos unterstützte.
András Földes, Journalist und Reporter, der für uns vor Ort und auch als Lektor eine unverzichtbare Hilfe war.
Und Frau Gyuláné Bíró – Tante Marika –, die wir jederzeit mit unseren Fragen belästigen durften, und die uns überhaupt jede*n auftrieb, die*den wir sprechen wollten.

Top