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Gleichstellung
Mehr Frauen bedeuten mehr Freiheit

Karriere und Gleichberechtigung
© picture alliance / Zoonar | Robert Kneschke

Eine Kolumne von Marcel Fratzscher

Ja, es ist ein Verlust von unternehmerischer Freiheit, wenn es für Vorstände jetzt eine Frauenquote gibt. Aber der Schritt stärkt langfristig die Freiheit aller.

 

"Once little girls can see it, little girls can be it" – wenn kleine Mädchen einmal etwas sehen können, dann können sie dies sein – sprach die 22-jährige Poetin Amanda Gorman zur Amtseinführung von US-Präsident Biden und betonte damit, wie wichtig es für alle US-Amerikanerinnen sei, dass mit Kamala Harris zum ersten Mal in der Geschichte der USA eine Frau, und dazu eine schwarze und asiatische Frau, zur Vizepräsidentin gewählt wurde.

Gleichzeitig kündigte sie an, im Jahr 2036, wenn sie das rechtlich notwendige Alter dafür erreicht hat, selbst US-Präsidentin werden zu wollen.Vorbilder sind von enormer Bedeutung für eine Gesellschaft und für jeden und jede Einzelne. Dies ist vielleicht der wichtigste Grund, wieso die Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen ein so wichtiger Schritt auf dem langen Weg zur Gleichstellung und Chancengleichheit auch in Deutschland ist.

Diese Mindestbeteiligung hat das Bundeskabinett Anfang Januar beschlossen und damit eine kontroverse Diskussion in Deutschland weiter befeuert. Große Einigkeit besteht in unserer Gesellschaft, dass Chancengleichheit und Freiheit zwei wichtige Markenkerne der sozialen Marktwirtschaft sind. Uneinigkeit besteht jedoch in der Frage, ob die Verbesserung von Chancengleichheit und Freiheit für die einen die Beschränkung von Freiheit für die anderen rechtfertigen kann. Dabei muss die Mindestbeteiligung kein Widerspruch sein: Eine kluge Gleichstellungspolitik kann und sollte die Freiheit für alle stärken, auch für Männer.


Karrierechancen von Frauen häufig gering


Die einen sehen in dem Gesetzesentwurf eine Notwendigkeit, um eine strukturelle und meist unsichtbare Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt abzubauen. Viele Männer verstehen diese Benachteiligung häufig implizit als Vorwurf gegen sich, sie würden Frauen diskriminieren. Das mag es zweifelsohne geben, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten aber sicherlich deutlich verbessert. Trotzdem bleiben der Anteil von Frauen in Führungspositionen und generell die Karrierechancen von Frauen häufig gering. Dies mag nicht selten wenig mit Diskriminierung zu tun haben, sondern eher mit anderen Faktoren, für die Männer nicht unmittelbar verantwortlich sind.

Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, wie wichtig Netzwerke und Vorbilder sind, um berufliche Chancen entwickeln und ergreifen zu können. Viele Mädchen und junge Frauen können sich manche Berufsbilder und Karriereoptionen kaum realistisch für sich persönlich vorstellen, weil es kaum weibliche Vorbilder für sie gibt. Auch deshalb ist es so wichtig, dass mehr Frauen in ganz hohe Führungspositionen kommen – und deshalb ist die Mindestbeteiligung in Vorständen auch sinnvoll und wichtig, obwohl sie erst mal nur für 74 börsennotierte und gleichzeitig paritätisch mitbestimmte Unternehmen gilt, die einen mindestens vierköpfigen Vorstand haben.

Ein wichtiger Teil des Diskurses, um die scheinbar unüberbrückbaren Differenzen zwischen Befürwortern und Gegnern der Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen zu lösen, ist, genau dieses Bewusstsein zu schaffen. Es geht in unserer Gesellschaft heute häufig nicht primär um Diskriminierung und Schuld, sondern um Freiheit und wirkliche Chancengleichheit. Und welcher Mann möchte nicht die gleiche Freiheit und die gleichen Chancen für seine Partnerin, seine Tochter, Schwester, Mutter, Enkelin oder gute Freundin wie für sich selbst?

Ein zweiter, kontroverser Punkt ist der Vorwurf, eine gesetzliche Vorgabe würde die Freiheit der Unternehmen beschneiden. Dieser Vorwurf ist richtig, die Mindestbeteiligung beschneidet, zumindest temporär, die Entscheidungsmöglichkeiten der betroffenen Unternehmen. Diese Beschränkung ist jedoch wie gesagt temporär, denn mit einem zunehmenden Anteil von Frauen in Führungspositionen wird die Frage einer Quote irrelevant werden. Viele nordische Länder machen uns vor, wie man Freiheit und Chancengleichheit für Männer und für Frauen in Einklang bringt.

Eine Studie der Beratungsfirma BCG zeigt, dass Unternehmen zudem von diversen Vorständen auch wirtschaftlich und finanziell profitieren. Unter den 100 größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben solche mit diversen Führungsteams eine um neun Prozent höhere Gewinnmarge und einen fast 20 Prozent höheren Umsatzanteil durch Innovationen. Frauen tragen neue Perspektiven bei und die größere Diversität ermöglicht es, die Ressourcen eines Unternehmens besser zu nutzen. Daher sollten sich auch Eigentümer der Unternehmen in Zukunft viel stärker einbringen und ihr Management dazu drängen, ein höheres Gewicht auf Diversität zu legen.

Deutschland hängt beim Anteil von Frauen in Vorständen international hinter vergleichbaren Ländern deutlich her, wie das neueste Managerinnen-Barometer des DIW Berlin zeigt. Dabei erweist sich die Geschlechterquote für Aufsichtsräte, die 2015 für große Unternehmen eingeführt wurde, als Erfolg. Bemerkenswert ist, dass Unternehmen, für die die gesetzliche Quote für Aufsichtsräte gilt, auch mehr Frauen in ihren Vorständen haben.

Aber obwohl in diesen Unternehmen mittlerweile rund 36 Prozent der Positionen in Aufsichtsräten mit Frauen besetzt sind, liegt der Anteil der Vorständinnen nur bei knapp 13 Prozent. Vor allem Unternehmen in der Finanzbranche tun sich ungewöhnlich schwer, den Anteil von Frauen im oberen Management und in Vorständen zu erhöhen.

Die Erfahrung in Deutschland mit der Frauenquote in Aufsichtsräten ist ermutigend für die Mindestbeteiligung von Frauen in Vorständen. Gleichzeitig dürfen wir aber keine zu hohen Erwartungen haben. Die vom Bundeskabinett beschlossene Vorgabe ist eine Minimalversion, die kurzfristig nur wenig wird ändern können, weil nicht viele Unternehmen an sie gebunden sein werden. Sie kann aber einen wichtigen Impuls setzen. Viel wichtiger als die bloße Entwicklung der Zahlen ist eine Veränderung der Mentalität und Werte in unserer Gesellschaft. Hier gibt es noch viel Veränderungsbedarf, auch wenn gerade in der jungen Generation die große Mehrheit der Männer sich ganz explizit für mehr Chancengleichheit von Frauen ausspricht und einsetzt.

Die Mindestbeteiligung für Vorstände ist ein wichtiges Signal und ein Schritt hin zu mehr Chancengleichheit. Zu hoffen bleibt, dass diese gesetzliche Vorgabe in absehbarer Zeit nicht mehr als eine Beschneidung der Freiheiten von Männern wahrgenommen wird, sondern als das Gegenteil – eine größere Freiheit für Frauen und für Männer, von der Unternehmen auch wirtschaftlich profitieren.

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