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Ausstellungsphase 2© MMOMA

Die Stadt dringt in das Haus

11. Januar 2018 – 11. Februar 2018

In der zweiten Ausstellungsphase verschränken sich die namensgebende Simultaneität der Simultanhalle und das Prinzip der Simultaneität in der futuristischen Malerei, wenn die Stadt, plötzlich transparent gemacht, thematisch in den Ausstellungsraum drängt.

Zugleich greifen mediale und institutionelle Räume ineinander, klassische Grenzen zwischen Malerei, Skulptur und Sound, wie auch zwischen Museum und Off-Space werden aufgelöst. Entgegen üblicher institutioneller Rahmenbedingungen soll dementsprechend bereits im Aufbauprozess der zweiten Phase der Besuch der Ausstellung und somit ein Dialog zwischen Moskau und Köln möglich sein.

KünstlerInnen: Christian Aberle, Lisa Busche, Nadine Städler, Sara Lenerer, Julia Weißenberg, Aleksei Taruts
 


Christian Aberle

Christian Aberles Gemälde stellen zwischen den grafischen Objekten seiner Untersuchungen neue Beziehungen her. Er seziert diese Objekte mithilfe digitaler Technologien, um sie zu neu zusammenzusetzen und auf einem fast monochromen Hintergrund eine farbige Oberfläche zu erzeugen. Aberle scheint sich über die üblichen Beziehungen zwischen Hintergrund, Mittelgrund und Vordergrund hinwegzusetzen. Gleichzeitig spielt er seine eigene Subjektivität herunter, um die Subjektivität der dargestellten Elemente hervorzuheben, die man als objektiv betrachten könnte. So entsteht eine konzeptuelle, lyrische Bildsprache, die an eine Visualisierung von Sound denken lässt.

Rudiment I, Rudiment II, Rudiment III Rudiment I, Rudiment II, Rudiment III


Lisa Busche

Lisa Busches ortsspezifische und temporäre Arbeiten gehen über die Leinwand hinaus und interagieren mit Wänden, Fenstern, Licht und Raum. Durch die Verwendung von schwarzer Sprühfarbe und weißem Klebeband entstehen minimalistische, zwei- und dreidimensionale Gemälde und Installationen. Ihre Formensprache geht von übernommenen Wörtern, Sätzen und deren Bedeutungen aus, wobei sie nur deren Essenz darstellt. Sie erzeugt mit ihrer eigenen Schriftart, die an Graffiti erinnert, grafische Symbole. Indem sich die Künstlerin auf das Wesentliche der Dinge konzentriert, entwickelt sie eine Bildsprache, die das Versprechen von Universalität birgt. Die Transparenz und Fragilität des Materials verweist ebenso auf Busches kreativen Prozess wie auf den ephemeren Charakter ihrer Arbeit.

«Meта», 2017. Аэрозольная краска, скотч. «Meта», 2017. Аэрозольная краска, скотч. | © MMOMA


Nadine Städler

Nadine Städlers Installationen werden üblicherweise direkt auf dem Boden platziert. Die unbehauenen Steine aus der Umgebung von Moskau und die Drucke auf Polyester, die sie bedecken, verraten ein archäologisches Interesse. Die natürlichen Steine bilden einen Kontrast zu den Stoffen, die in einem komplexen Druckverfahren künstlich hergestellt wurden und für Funktionskleidung stehen. Die plastischen Falten des Stoffs, der die Steine bedeckt, sehen aus, als ob dieser von jemandem am Körper getragen würde.

Die jeweiligen Materialeigenschaften stehen in Zusammenhang mit den dargestellten Motiven. Dabei variiert die Funktionalität der gezeigten Stoffe – während ein Kimono in erster Linie eine kulturelle Funktion hat, bieten ein Wärmeschutz-Poncho oder eine Windjacke mechanischen Schutz. Die ausgestellte Gruppe kann als Teil eines anthropologischen Forschungsprojekts gesehen werden, das ebenso historische wie futuristische Interpretationen zulässt.

Ausstellungsphase 2 © MMOMA


Sara Lenerer

In ihrem Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ beschrieb Christiane F. die ausgedehnte Wohnsiedlung Gropiusstadt als einen Ort, an dem „es überall nach Pisse und Kacke“ stank. Den Plänen von Walter Gropius zufolge sollte dieser Berliner Ortsteil 1962 grün, hell, luftig und sonnig sein. Diese Vision ließ sich jedoch nach dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 nicht mehr verwirklichen. Aufgrund fehlender Flächen wurden nicht fünfstöckige Gebäude, sondern Hochhäuser mit bis zu dreißig Stockwerken errichtet; aus einem idealistischen Projekt des sozialen Wohnungsbaus wurde ein sozialer Brennpunkt. Erst in den vergangenen Jahren verlor die Gropiusstadt ihren schlechten Ruf; ein benachbarter, vernachlässigter Stadtteil leidet bis heute darunter. Auf diese Weise wird die Gropiusstadt in Sarah Lehnerers Video „Images, I See Symptoms No Reflections*“ dargestellt. Die Künstlerin verweist in ihrem Film auf ähnliche suburbane Bauprojekte, die sich von Utopien zu gesellschaftlich benachteiligten, isolierten Orten entwickelten, deren auf sich gestellte Bewohner*innen keine Aussichten auf ein besseres Leben haben. Die Bilder, die Lehnerer geschaffen hat, beziehen sich auf literarische Zitate von Autorinnen wie Lydia Davis und Joan Didion, die für die somatischen, psychologischen und allgemeinen gesellschaftlichen Symptome ihrer Zeit Worte gefunden haben.


Julia Weißenberg

Julia Weißenbergs Video „To make you feel comfortable“ entwickelt vor dem Hintergrund einer Smart City eine Geschichte über die Bewohnerin A, die in einem der Smart Homes lebt. Die Struktur der Erzählung folgt der Semantik des Wortes „smart“, das im Englischen „schlau“, „elegant“ oder „zügig“, aber auch „Schmerz“ bedeutet. Die Erzählung wird durch Werbeblöcke unterbrochen. „To make you feel comfortable“ konzentriert sich auf die Bedingungen von Kommunikation. Das Merkmal einer Smart City oder eines Smart Home ist, dass alle Dinge im Internet der Dinge in ständigem Austausch miteinander stehen. Das oberste Ziel lautet, einen möglichst hohen Grad von Nachhaltigkeit (Energieeffizienz) und Sicherheit (safety) herzustellen. Andererseits bedeutet die permanente Datensammlung, dass das gesamte Verhalten der Stadtbewohner überwacht werden kann. Das Video zeigt A in verschiedenen Kommunikationssituationen mit einem virtuellen Gegenüber. In den Gesprächen geht es um alltägliche Themen wie ihre Kleidung, Textbotschaften, ihren Arbeitsplatz oder ihre neuen Schuhe. Die Form der Unterhaltung erinnert manchmal an Chats in sozialen Netzwerken. Das Video wird nicht nur durch die Werbeblöcke, sondern auch durch eine Unterhaltung zwischen drei Perücken unterbrochen, die über der Stadt schweben. Darin geht es um ein Geheimnis und die Frage, ob dieses bewahrt oder aufgedeckt werden sollte.
Die Texte, die für das Video entwickelt wurden, basieren unter anderem auf Äußerungen des früheren CEO von Google, Eric Schmidt, zum Datenschutz, und auf einem Vortrag von Rem Koolhaas über das Thema Smart City aus dem Jahr 2014.


Aleksei Taruts

Aleksei Taruts’ Arbeit beruht vorwiegend auf performativen und situativen Praktiken. In seinen Projekten lenkt der Künstler die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Thema Events und ihre Produktion und Repräsentation. Taruts betrachtet ein Event an sich als performatives Medium und als symbolisches Objekt eines unmittelbaren Kulturaustauschs im Zeitalter des Semiokapitalismus. Taruts untersucht die Neurosen der Gegenwart, die charakterisiert sind durch das obsessive Verlangen nach sofortiger Repräsentation und die Politik des „Postfaktischen“, durch die Entzauberung des Internets und eine Überlastung durch Wow-Effekte.

Oft verwendet Taruts Sound und Musik zur Reflexion der Affekte, die von der Massenkultur und anderen Machtstrukturen hervorgebracht werden. Sein DJ-Set „the portal is entered elsewhere“ erzeugt ein akustisches Environment, das aus Naturgeräuschen und Entspannungsmusik kompiliert und mit fernen Echos lauter EDM-Festivals gemischt ist. Diese Klanglandschaft kann verstanden werden als der symbolische Abstand zwischen einem nicht zugänglichen Event und der Illusion, ihm zu entkommen.

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