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Wie ein Projekt die Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann, ohne Geld für Werbung ausgeben zu müssen

Kirill Soljar
Kirill Soljar | Foto: privat

Unlängst ist mit looks.fm ein Dienst für Fotowettbewerbe ins Leben gerufen worden. Dieser hat innerhalb eines halben Jahres mehr als 13 Millionen Views bekommen, ohne dass es ein Budget für Werbung gegeben hätte. Der Projektleiter Kirill Soljar erzählt den Lesern von seinen Erfahrungen und davon, wie es seinem Team gelungen ist, einen solchen Erfolg zu erzielen.

Einige Worte zum Projekt. Looks.fm – ist die erste soziale Webseite, auf der Fotowettbewerbe jeglicher Art komfortabel durchgeführt werden können. Vom Kern her ist das Verfahren denkbar einfach – der Nutzer geht auf die Seite, wählt die Thematik des Wettbewerbs aus und wird buchstäblich mit einigen wenigen Klicks zum Wettbewerbsteilnehmer und Anwärter auf den Sieg. Zu gewinnen gibt es verschiedene Preise: vom USB-Stick bis hin zum ersehnten I-Phone/I-Pad. Um seine Gewinnchancen zu erhöhen, lädt der Nutzer alle seine Freunde ein. Abstimmen kann wirklich absolut jeder Besucher, ohne jede Registrierung.

In dem halben Jahr, das seit dem Start vergangen ist, können wir auf folgende wesentliche Wachstumskennziffern verweisen:

  • 750.000 Einmalbesucher
  • 13.000.000 Content Views
  • 31.000 Registrierungen
  • 45 Wettbewerbe.
Die Kosten, die erforderlich waren, um die Zielgruppen in dieser Weise zu erreichen, hielten sich sehr in Grenzen. Wir haben nicht mehr als 1.000 Dollar ausgegeben – für Werbe-Postings in sozialen Netzwerken und Artikel-Marketing. Für Pay-per-Click (Klickvergütung), Suchmaschinenoptimierung, Fernsehreklame, Bannerwerbung und andere „traditionelle“ Formen der Werbung wurde nicht eine Kopeke ausgegeben.

Worin das Geheimnis eines solchen Erfolgs liegt? Das will ich gern anhand meiner praktischen Erfahrung erklären.

Der Erfolg eines Startups beim Kampf um die Zielgruppe hängt nicht von einem besonders schönen Logo oder den eingesetzten Technologien ab. Viel wichtiger sind die Originalität der Ideen, die Problemlösung und eine geschickt aufgebaute Kommunikation mit der Zielgruppe.

Jedes Projekt hat sein eigenes Erfolgsrezept, mit dem es seine Zielgruppe zu erreichen sucht. Wenn man alle Zutaten klug abwägt, kann man bei der Umsetzung des Projekts sehr viel Geld sparen.

Meinungsmacher

Eine von den wesentlichen Zutaten für looks.fm besteht in der der richtigen Zusammenarbeit mit Meinungsmachern – Bloggern, Stars verschiedener TV-Shows, Musikern und anderen öffentlichen Persönlichkeiten. Jeder hat seine eigene Fan-Gemeinde, die gern bereit ist, jede Bitte ihres vergötterten Idols zu erfüllen. Genau das haben wir auch genutzt und kostenlos Werbe-Postings bekommen, in denen dazu aufgerufen wurde, bei einem bestimmten Projekt mitzumachen, was ganz unmittelbar zu einer deutlichen Zunahme des Traffic geführt hat.

Besonders verweisen möchte ich noch auf die Vlogger, eine neue Generation von Video-Bloggern. In ihrem Bestreben zu gewinnen haben sie damit begonnen, sich mit Original-Videobotschaften an ihre Zuschauer zu wenden. Im Ergebnis haben wir einen sehr wertvollen positiven Content erhalten, der von den Nutzern selbst kreiert worden ist und Werbung für unsere Webseite macht. Eine solche Art von Reklame ist weitaus effektiver als alle traditionellen Methoden.

Psychologie

Die Psychologie der Einbindung des Nutzers in das Projekt spielt eine sehr wichtige Rolle. Der Wettbewerbsgeist regt die Menschen dazu an, ganze Tage lang rund um die Uhr alles Mögliche zu unternehmen, nur um als Gewinner aus dem Wettbewerb hervorzugehen. Auf diese Weise hat eine Teilnehmerin rund 40.000 Rubel auf Yandex.Direkt ausgegeben, eine andere hat auf 3.000 verschiedenen Seiten dazu aufgerufen, für sie zu stimmen. So ist für die Webseite also zusätzlich geworben worden, ohne dass dafür auch nur eine einzige Kopeke ausgegeben werden musste!

Soziale Anerkennung

Die Menschen haben ein großes Bedürfnis nach sozialer Anerkennung. Besonders bedeutsam ist das für Meinungsmacher. Sie müssen über den anderen Teilnehmern stehen, besser und beliebter als diese sein. Bemerkenswert ist, dass der Wettbewerb „Miss Winter“, der mit der Vergabe eines Zertifikat endete, in dem der Name der Gewinnerin aufgeführt ist, praktisch genauso viele Teilnehmer hatte und den gleichen Traffic erzeugt hat wie der Wettbewerb „Gewinne das I-Phone 6 für Dein Selfie“. Solche Fälle zeigen in der Praxis, dass die Nutzer nicht nur schnöde nach Materiellem streben, sondern ihnen die soziale Anerkennung mindestens ebenso wichtig ist. Genau aufgrund dieser These werden Kontakt- bzw. Partnervermittlungs-Webseiten erfolgreich monetisiert, und zwar indem ganz Blöcke von hervorgehobenen Profilen verkauft werden.

Negativ versus positiv

Dank den positiven Aufrufen der Nutzer, für sie zu stimmen, ist unser Traffic in arithmetischer Progression gestiegen. Als aber einige Meinungsmacher die Webseite öffentlich des Betrugs bezichtigt haben, ist das Wachstum in die geometrische Progression übergegangen. Skandale, Intrigen und Ermittlungen erhöhen das Interesse an einem Projekt wesentlich stärker als die überstrapazierten „lieben und süßen Kätzchen“. Dabei ist es wichtig, die Informationsströme richtig zu steuern und die tobenden Infokriege zum Nutzen des Projekts zu lenken. So wurde beispielsweise nach der Veröffentlichung der Videoberichte der glücklichen Gewinner der I-Phones, Fotoapparate, Playstations alles Negative automatisch ins Positive verwandelt. Und die Zahl der Registrierungen pro Tag hat sich auf das Fünffache erhöht.

Gamifizierung (auch Gamifikation)

Nachdem wir die anfängliche ansteckende Wirkung selbst erlebt hatten, haben wir nicht nur sehr schnell die interne Projektwährung Luxy eingeführt, sondern auch den sogenannten „Prodwigator“ (im Sinne von „Voranbringer“); hierbei handelt es sich um einen speziellen Dienst, der die Teilnehmer motiviert, den Internetauftritt voranzubringen. Bei der Lösung verschiedener Aufgaben, zum Beispiel beim Versand von Einladungen an die Kontakte aus dem gmail-Adressbuch, die Registrierung bei unseren Social Communities, Teilnahme-Postings in sozialen Netzwerken, konnten sich die Teilnehmer Luxy verdienen.

Die effektivste Variante des Prodwigators ist die Belohnung für eine Registrierung, die auf Empfehlung eines anderen registrierten Users zustande kommt. Unsere aktivsten Teilnehmer haben durch ihre auf uns verweisenden Links 700–800 Registrierungen bewirkt. Und die letztendlich verdienten Luxy haben nicht nur die Bedeutung, dass sie hilfreich im Kampf um den ausgeschriebenen Preis waren, sondern auch die soziale Aktivität und den Status des Teilnehmers zum Ausdruck bringen.

Werbekunden

Es ist ein Fehler, in den Werbekunden nur die Geldgeber zu sehen. Durch die Zusammenarbeit mit den Werbekunden konnten interessante Preise verlost und die Vielfalt der Wettbewerbe erhöht werden. Am wichtigsten jedoch ist, dass unsere Webseite über die Medienkanäle und Zielgruppen des Werbekunden selbst bekannt gemacht worden ist. Hier konnten 3 Dinge zusammengeführt werden- Geld, Preise, Zielgruppen. Ohne irgendwelche finanziellen Aufwendungen unsererseits.

Soziale Netzwerke

Ungefähr 40% des eingehenden Traffic entfallen auf die sozialen Netzwerke. Unmittelbar nach dem Start haben wir damit begonnen, eine offizielle Community des Projekts looks.fm zu entwickeln. Der Content wird überwiegend von der Zielgruppe selbst generiert. Alles, was wir tun müssen, ist, den Traffic in der Spitzenverkehrszeit auf unsere Webseite zu lenken. Außerdem können über die Gruppen die Bedürfnisse der Zielgruppe aufgezeigt und Empfehlungen zur Verbesserung des Projekts gesammelt werden.

E-Mail-Versand

Die Konversionsrate bei der Rückkehr von Nutzern aus den regulär versandten E-Mails liegt mit 9,7% unter unseren Erwartungen. Für die nahe Zukunft planen wir einen verbesserten Mechanismus zur Rückkehr der Zielgruppe auf looks.fm zu installieren. Mit der Einführung einer neuen E-Mail-Versandmaske und einer verbesserten Aufbereitung des Materials werden wir an der Erhöhung der Konversionsrate arbeiten.

Synergie

Unser Startup hat beeindruckende Kennziffern erreicht, ohne dass wir große Summen für die Werbung ausgegeben haben. Immens wichtig für den Erfolg ist die Synergie – die Verwendung aller Möglichkeiten zur kostenlosen Entwicklung des Projekts. So wurde unser Werbefilm beispielsweise von dem bekannten Radiomoderator Pawel Koslow vertont, dessen Stimme Millionen Einwohner von Kiew und Odessa sofort erkennen. Wie ihr wahrscheinlich schon erraten habt, hat er das absolut kostenlos gemacht.

Eine teilweise Synergie konnten wir auch in der Zusammenarbeit mit dem Projektentwickler erzielen — dem Kreativbüro „Sponge digital&design“ (sponge.com.ua). Apropos, die Jungs haben vor kurzem die beste Webseite unter allen Webseitenentwicklern online gestellt.

Ich wünsche jedem Startup, dass er sein einzigartiges Rezept findet, mit dem er die Aufmerksamkeit seiner Zielgruppe gewinnen kann, und zwar so kostengünstig wie möglich. Wenn es euch gelingt, dafür noch weniger auszugeben als wir, dann gebt uns bitte ein entsprechendes Feedback, wir würden gern alle praktischen Erfahrungen in diesem Bereich bündeln.