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Kinder-Universitäten
Einen Tag Student spielen

Kinder-Unis begeistern ein junges Publikum für die Wissenschaft
Foto (Ausschnitt): © Kinderbüro Universität Wien/APA-Fotoservice/Schedl

Bildung kann Spaß machen – das vermitteln die sogenannten Kinder-Unis. Professoren beantworten in Vorlesungen die Fragen ihrer jungen Zuhörer und lernen dabei selbst dazu. 

Selbst Miranda Jakiša wusste auf diese Frage erst einmal keine Antwort: „Wann feiern Vampire eigentlich Geburtstag?“ Dabei kennt sich die Professorin für Slawische Literaturen mit Vampiren bestens aus. Sie hat auch schon einige Vorlesungen für Kinder gehalten. „Aber die Frage war extrem interessant“, sagt Jakiša: Feiern Vampire ihren menschlichen Geburtstag oder feiern sie den Tag, als sie Vampire wurden? In der Kinder-Vorlesung der Humboldt-Universität zu Berlin ging es daraufhin um die Frage, wie Vampire eigentlich „untot“ sein können und wie das mit ihrem Leben zusammenhängt. So etwas begeistert Professorin Jakiša: „Die Kinder stellen Fragen, durch die man wirklich Neues entdecken kann.“
 
Seit fast 15 Jahren gibt es solche Universitäten für ganz junge Zuhörer in Deutschland. Kinder können diese Veranstaltungen besuchen, sobald sie sieben Jahre alt sind. Sie hören dann einen Vortrag von einer Professorin oder einem Professor zu einem bestimmten Thema: Warum spucken Vulkane Feuer? Warum gibt es Arme und Reiche? Warum lieben wir Vampire? Oder warum ist Schule doof?
 
Oft sind es Fragen, die Kinder selbst gestellt haben. Professoren versuchen dann, die scheinbar einfachen Fragen mit ihrem Fachwissen zu beantworten. Gleichzeitig müssen sie einfach sprechen, damit alle Kinder die Antwort auch verstehen. Durch Kinder-Unis sollen Kinder neugierig werden auf die Welt der Wissenschaft. Und Professoren sollen lernen, wie sie komplizierte Themen einfach erklären können. Beide Seiten können also viel voneinander lernen.

Interesse für Bildung wecken

Die erste Kinder-Uni in Deutschland fand 2002 in Tübingen statt. Ulla Steuernagel und Ulrich Janßen, Journalisten einer Tübinger Lokalzeitung, hatten damals die Idee, Wissenschaftler und Kinder zusammenzubringen. Bis heute betreuen die beiden in Tübingen die Kinder-Unis. Sie haben inzwischen drei Bücher darüber geschrieben und für ihre Idee eine Auszeichnung des Bundespräsidenten erhalten. Wenn man Ulla Steuernagel fragt, wie sie auf die Idee gekommen ist, sagt sie: „Es lag in der Luft.“ Kurz zuvor war eine große Studie zum Thema Bildung erschienen, die PISA-Studie, und Deutschland hatte schlecht abgeschnitten. „Alle suchten damals nach Ideen, wie man Kinder wieder mehr für Bildung interessieren könnte“, so Steuernagel.
 
Und wie sollen Vorlesungen dabei helfen? Schließlich ist es für Kinder nicht einfach, eine Stunde lang einem schwierigen Vortrag zuzuhören. „Wir wollten ganz bewusst diese altmodische Form der Vorlesung“, sagt Steuernagel, „denn das beeindruckt Kinder“. In Tübingen dürfen sie in die Räume der Universität, sie erhalten einen Studentenausweis und lauschen dem Vortrag eines Professors. „Kinder lieben es, Student zu spielen“, sagt Steuernagel, „und außerdem unterscheidet sich die Veranstaltung so stärker von der Schule“. Wie in der Schule soll es bei Kinder-Unis nämlich nicht sein. Deshalb gibt es auch keine Noten oder Prüfungen.
 
Die Idee der Kinder-Unis ist seit 2002 um die ganze Welt gegangen. Inzwischen gibt es solche Veranstaltungen auch in Japan, in Rumänien, in der Türkei und in Brasilien. Das Europäische Netzwerk für Kinder-Unis Eucu.net hat inzwischen Mitglieder in 29 Ländern. Jedes Jahr erreichen Kinder-Unis laut Zählungen von Eucu.net weltweit etwa 15.000 Wissenschaftler und 500.000 Kinder. „Aber es gibt nicht die eine Kinder-Uni“, betont Karoline Iber vom Kinderbüro der Universität Wien, die das Netzwerk der Kinder-Unis mit organisiert. Zeitgleich zu der Tübinger Kinder-Uni seien ähnliche Projekte in anderen Ländern entstanden – die oft ganz anders aussehen. In Wien gibt es zum Beispiel einmal im Jahr die Kinder-Uni Wien, eine der größten Kinder-Unis überhaupt. Dort hören Kinder nicht nur Vorlesungen, sondern sie arbeiten auch in Workshops und Seminaren mit Wissenschaftlern zusammen. Jeden Sommer nehmen daran etwa 4000 Kinder teil.

Auf der Insel und auf dem Gletscher

Immer häufiger finden Kinder-Unis in der Natur statt. Auf der norddeutschen Insel Föhr zum Beispiel erforschen Kinder das Leben von Menschen und Tieren auf einer Insel. In Österreich besuchen Forscher einen Gletscher, und zwar gemeinsam mit Kindern aus den benachbarten Dörfern. So erfahren die Kinder etwas über die Natur und über die Umgebung, in der sie leben. In Russland gibt es eine mobile Kinder-Uni, die Schulen in entlegenen Gebieten des Landes besucht. Außerdem wurde für sie eine Online-Kinder-Uni ins Leben gerufen: Auf der Internetseite der Goethe-Institute in Russland können Kinder Videos anschauen und Aufgaben lösen. Sie lernen etwas über die Arbeit von Wissenschaftlern und gleichzeitig üben sie die deutsche Sprache.
 
„Die Aufgabe von Kinder-Unis ist es inzwischen, die Universitäten zu öffnen“, sagt Karoline Iber. Zum einen lernen Wissenschaftler so, komplizierte Dinge einfach zu erklären. Zum anderen sollen Kinder neugierig auf eine Studium gemacht werden, in deren Familie bisher niemand studiert hat. An der Uni Wien scheint das auch zu klappen: Inzwischen beginnen hier junge Menschen ihr Studium, die ihre ersten Vorlesungen in einer Kinder-Uni gehört haben.

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