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Goethe Intern
Ein gespaltenes Land

DC ist bunt und multikulturell
©Lara Hansen

Es ist eine interessante, wenn auch nervenaufreibende Zeit, um nach Washington zu kommen. Unsere Praktikantin in der Informationsabteilung Lara berichtet von ihren mitunter erschreckenden Erlebnissen im politischen DC und Virginia. 

Von Lara Hansen

Zugegeben, es ist nicht die beliebteste Zeit nach Amerika zu reisen. Täglich gibt es neue erschreckende Nachrichten von einem Präsidenten, der die Nation spaltet. Und er spaltet sie im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich lebe in Virginia, offiziell ein republikanischer Staat. Aber durch meine Nähe zu Washington DC, eine demokratische Hochburg, befinde ich mich hier in liberalen Kreisen. Meine erste Begegnung in Amerika war mit einem syrischen Uber-Fahrer, der mich bat, Deutschland und Merkel für ihre Offenheit zu danken. Eine der ersten Fragen, die Nancy, meine pensionierte Gastgeberin, und Keith, ihr Nachbar und Ex-Veteran, mir stellten, war, ob Deutsche wüssten, dass die Hälfte aller Amerikaner nicht Trump gewählt haben. Bei „Trump“ verzogen sie dabei die Gesichter auf eine Art, die auf sehr viel Frust, fast Schamgefühl, deuten ließ.

Doch selbst in meiner liberalen Filterblase kann ich mich der Realität hier nicht entziehen. Am President’s Day, ein nationaler Feiertag, besuchte ich eines der vielen kostenlosen Museen in Washington. Im National Museum of African American History and Culture erwartete mich ein beeindruckender Rundgang, der audiovisuell veranschaulichte, was sich vom Beginn der Sklaverei bis zu Obamas Präsidentschaft, ereignet hatte.

Als ich abends in den Bus vom Pentagon nach Alexandria stieg, in Gedanken noch im Museum, machte ich allerdings eine Erfahrung, die an diesem Tag besonders schmerzte. Der wahre nationale Sicherheitsnotstand ist nämlich keine fehlende Mauer, sondern findet hier direkt vor den Augen statt: purer Rassismus. Ein älterer Mann, offenbar betrunken mit langem Bart, stieg in den gleichen Bus wie ich, und pöbelte lautstark die Frauen im vorderen Bereich an. Der afroamerikanische Busfahrer bat ihn um Ruhe. Daraufhin brüllte der Mann wild und wiederholt: „Ich lass‘ mir von einem schwarzen Mann nicht sagen, was ich zu tun und zu lassen habe“. Die Betonung lag verächtlich auf „schwarz“. Der Busfahrer blieb nach anfänglichem Unbehagen ruhig und ignorierte sein Verhalten. Zugleich fragte ich mich, wie oft er derartige Begegnungen erleidet.

Traurigerweise hat Trump genau diesen rassistischen Leuten ein Ventil gegeben, sich derartig zu äußern, ohne Konsequenzen zu erwarten. In Nordfriesland hätte solch ein Vorfall großes Aufsehen erregt, hier erdulden die Menschen ihn mit einer beängstigenden Gleichgültigkeit. Allerdings sind dies Probleme, die schon immer unter der Oberfläche brodelten. Keith erklärt es so: „Während Deutschland seine Vergangenheit in einer umfassenden Erinnerungskultur aufgearbeitet hat, ist die amerikanische Geschichte ungeteilt und bis heute ungeklärt. Von Beginn unserer Nation waren wir ein gespaltenes Land.“ Es ist wahr: Im touristischen Teil der Stadt werden Trump-Fanartikel verkauft, dagegen sind Gebäude im multikulturellen Rest der Stadt mit Anti-Trump Graffiti verziert. Das Weiße Haus mag zwar den Präsidenten beherbergen, doch das Kapitol ist mehrheitlich demokratisch. Trump passt nicht in diese Stadt, die Musiker, Künstler und Demokraten aller Farben und Nationalitäten anzieht, doch im angrenzenden Staat Virginia konnte er die meisten Stimmen für sich gewinnen.

Diese Spaltung kulminiert weiter in den Medien. Während das republikanische Fox News über „die beste Arbeitslosenquote aller Zeiten“ berichtet, setzen sich CNN und MSNBC 24 Stunden mit neuen Eskapaden aus dem Weißen Haus auseinander. Da es diese zahlreich gibt, laufen von morgens bis abends „Breaking News“ zu Trump – es ist purer Sensationsjournalismus. Die Berichterstattung bleibt dadurch erschreckend einseitig. Brexit? Venezuela? Merkel?  Vielseitige Themen aus aller Welt, wie es die Tagesschau oder das Nordfriesland Tageblatt daheim bietet, gibt es hier selten. In Washington lebt es sich wie in einer amerikanischen Filterblase.

Auf der anderen Seite, so Keith, gebe es ein neues Erwachen. Viele Amerikaner sind ermüdet von ihrer eigenen Politik. „Ich liebe mein Land, aber wir sollten uns rechts und links umgucken,“ so brachte es Barbara, eine Freundin von Nancy, auf den Punkt. Die Menschen suchen nach mehr Wahrheit und Aufklärung, in Bezug auf die Geschichte und die amerikanische Identität. Demonstrativ werden die Washington Post und die New York Times, demokratische Zeitungen, in der Bahn gelesen. Für das African-American-Museum müssen Besucher im Vorfeld Tickets bestellen. Die Menschen engagieren sich wieder, ob in der Flüchtlingshilfe oder durch Protestaktionen gegen die Waffengesetze. Es wird wohl kein einfacher Weg, aber es gibt es durchaus Hoffnung auf eine liberale Zukunft Amerikas. Auch wenn es daher keine beliebte Zeit ist, nach Amerika zu reisen, ist es dennoch eine spannende und wichtige Zeit, um Politik und seinen Einfluss auf den Alltag und die Menschen aktiv zu erleben.

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