Bauhausdesign
Das Bauhaus ist tot – es lebe das Bauhaus!

Ausstellungsansicht, Simon Vogel (2016)
Ausstellungsansicht, Simon Vogel (2016) | Foto (Ausschnitt): © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Ist das Bauhaus noch aktuell? Diese Frage stellte das Vitra Design Museum in Weil am Rhein 60 Künstlern, Designern und Architekten im Vorfeld einer dort präsentierten Bauhaus-Ausstellung. Ihre Antworten geben Aufschluss über die weitreichende Bedeutung, die das Bauhaus bis heute hat.

Die Mailänder Architektin Benedetta Tagliabue bringt es mit ihrer Rückmeldung auf den Punkt: „Beim Bauhaus geht es um eine Haltung, um eine bestimmte Art zu denken und zu handeln. Und das hat großen Einfluss bis heute“. Tatsächlich ist der Einfluss des Bauhauses immens und bis in die Gegenwart unumstritten, und das nicht nur im Design und bei der Architektur. Unzählige Einträge im Internet, mehr als 4.500 Publikationen zum Thema Bauhaus, tausende Wagenfeld-Lampen in den Wohnzimmern des gebildeten Bürgertums und mindestens ebenso viele Plagiate derselben zeugen davon. Auch zahlreiche Ausstellungen, wie die in der Bundeskunsthalle Bonn auf ihrer zweiten Destination nach dem süddeutschen Vitra Design Museum, beflügeln den Mythos. 

Kein einheitlicher Stil

Wilhelm Wagenfeld, Tischlampe ME 1 /MT 9 (1923/1924) Wilhelm Wagenfeld, Tischlampe ME 1 /MT 9 (1923/1924) | © VG Bild-Kunst Bonn, 2016 Die Ausstellung „Das Bauhaus. Alles ist Design“ zeigt ihrem Motto entsprechend mit Exponaten aus Design, Architektur, Kunst, Film und Fotografie, dass die Bauhausgestaltung vom Aschenbecher bis hin zum Wohnungsbau in beinahe sämtliche Lebensbereiche drang. Das war auch das erklärte Ziel des Architekten Walter Gropius, dem in der Aufbruchstimmung nach Ende des Ersten Weltkriegs der Sinn nach Revolution stand. „Künstler, stürzen wir endlich die Mauern um!“, lautete seine Parole.

Kunst und Handwerk sollten miteinander verschmelzen und die zukünftigen Gestalter am Aufbau der neuen Gesellschaft mitwirken. Als Lehrlinge und Gesellen wurden sie unakademisch und praxisbezogen ausgebildet. Dazu holte Gropius bereits bekannte Künstler wie Paul Klee, Wassily Kandinsky oder Johannes Itten als Lehrer nach Weimar, den ersten Standort des Bauhauses. Er selbst übernahm die Leitung der neuen Hochschule, die als „Staatliches Bauhaus Weimar“ 1919 ihren Betrieb aufnahm. In „produktiver Uneinigkeit“, wie der spätere Bauhausmeister Josef Albers anmerkte, fanden sich hier die „Meister“ des Handwerks und visionären Impulsgeber zusammen und lehrten nicht etwa – wie heute zumeist angenommen – einen einheitlichen Bauhausstil. Im Gegenteil: Sie zeigten, dass Stil so vielfältig ist, wie die Individuen, die ihn schaffen. 
   
  • Josef Albers, Park (ca. 1923/24) The Josef and Anni Albers Foundation © The Josef and Anni Albers Foundation / VG Bild-Kunst Bonn, 2016
    Josef Albers, Park (ca. 1923/24) The Josef and Anni Albers Foundation
  • Konstantin Grcic, Pipe Tisch und Stuhl (2009) Sammlung Vitra Design Museum, Foto: Florian Böhm
    Konstantin Grcic, Pipe Tisch und Stuhl (2009)
  • Jerszy Seymour, Workshop Chair (2009) Sammlung Vitra Design Museum © Jerszy Seymour Design Workshop
    Jerszy Seymour, Workshop Chair (2009)
  • AYRBRB, Haus'14: Pavilion, nach Hannes Meyers Co-Op Raum (2014) © AYRBRB
    AYRBRB, Haus'14: Pavilion, nach Hannes Meyers Co-Op Raum (2014)
  • Alma Siedhoff-Buscher, Bauhaus Bauspiel, 22teilig Foto: Heiko Hillig © Naef
    Alma Siedhoff-Buscher, Bauhaus Bauspiel, 22teilig
  • Mike Meiré, Bauhaus (2008) Küchentuch im Bilderrahmen Foto: courtesy of Bartha Contemporary, London
    Mike Meiré, Bauhaus (2008) Küchentuch im Bilderrahmen
Trotzdem gab es Vorgaben. So sollte das Design funktional und der Nutzung angepasst, erschwinglich, haltbar und schön sein. „Form follows function“ hieß der Leitsatz, der in die Kunstgeschichte eingehen sollte. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist der von Mart Stam entworfene und von Marcel Breuer weiterentwickelte „Freischwinger“ aus dem Jahr 1926. Dieser Stahlrohr-Stuhl ohne Hinterbeine, dessen Sitzfläche unter dem Gewicht einer Person federnd nachgab, vereinte fast alle Paradigmen. Nur der Preis war, aufgrund der anfänglich geringen Stückzahl, vergleichsweise hoch. Teuer war auch die erwähnte Wilhelm Wagenfeld-Leuchte, da sie manuell gefertigt wurde. Aufgrund ihres engen Lichtkegels, der zum Lesen eher ungeeignet war und ihrer Bestandteile aus Glas, galt sie als weder praktisch, noch als besonders haltbar. Aber sie war „schön“ – eine Funktion, die sie bis heute zu einem begehrten und mit einem Preis von rund 400 Euro immer noch exquisiten Designobjekt macht.

Wohnen für alle

Dass das Bauhaus auch Vorreiter im sozialen Wohnungsbau war, zeigen die schlichten Co-op Interieurs für preiswerte Volkswohnungen von Hannes Meyer, die kollektiv gestaltet werden sollten. Als Marxist propagierte der Schweizer Architekt „Volksbedarf statt Luxusbedarf“. Die Kunst sollte nur „Mittel zum Gebrauch“ sein. Meyer löste 1928 Gropius als Direktor des Bauhauses ab und machte sich am neuen Standort Dessau für die industrielle Produktion stark. Seine visionären Grundsätze, vor allem die Suche nach maximaler Sparsamkeit in Form, Material und Konstruktion, finden sich in Ansätzen im modernem Wohnungsbau wieder, wie in „Sharing Communities“, dem „Open Design“ oder aber dem „Co-Housing“.

Quelle der Inspiration

Als Ideenwerkstatt, „Labor der Moderne“ hat das Bauhaus ausgedient. Nicht zuletzt weil sich die Institution, an der auch viele jüdische Meister lehrten, angesichts massiver werdender Repressalien durch die Nationalsozialisten 1933 selbst auflöste.
 
Das Bauhaus. Alles ist Design – Behind the art – Ausstellung in der Bundeskunsthalle

Als Quelle der Inspiration jedoch greifen auch heute noch viele Designer auf die Bauhaus-Entwürfe zurück. Der Münchener Konstantin Grcic etwa gestaltete 2009 seinen Stuhl Pipe in Anlehnung an das Vorläufermodel von Mies van der Rohe, dem dritten Direktor des Bauhauses an seinem letzten Standort Berlin. Oder Joseph Grima, der das in den 1920er-Jahren bereits erfolgreiche Schiffsbauspiel von Alma Buscher mit dem beliebten Computerspiel Minecraft zusammenbringt. Wie beim Spiel mit den Klötzchen kann sich hier der Nutzer seine eigene virtuelle Welt bauen. Das sind nur einige Beispiele aus der 2016 gezeigten Ausstellung, die die allgegenwärtige Präsenz des Bauhauses belegen. Und nur ein Vorgeschmack auf das, was den Besucher 2019 erwartet, wenn es allerorten heißt: „100 Jahre Bauhaus“.
 

Die Ausstellung „Das Bauhaus. Alles ist Design“ (01.04.–14.08.2016) wird nach Bonn in Brüssel und Tel Aviv zu sehen sein.