Frauen ziehen sich an
Kleidung als soziale Sprache

Julika
Julika | Foto Nathalie Göltenboth

Was sind unsere Beziehung zu bestimmten Kleidungsstücken und welche Gefühle lösen sie in uns aus? Vier Frauen berichten über ihre ganz eigene Art, sich zu kleiden. Wie wir schon ahnten, ist der Griff in den Kleiderschrank vom Ausloten der eigenen Befindlichkeit geprägt und dem Gespür dafür, wer wir sind und wer wir sein wollen.
 

Christiane, 53 Jahre, ist in der Nachbarschaftshilfe aktiv

Goethe-Institut


Welche Kindheitserinnerungen verbindest du mit Kleidern?

Christiane: Ich habe liebend gerne Kleider, Schuhe und Schmuck von meiner Mutter angezogen und bin dann immer, wenn sie beschäftigt war, an ihren Kleiderschrank gegangen und habe da alles Mögliche rausgezogen. Sie hatte so ein Schminktischchen mit einem Klappspiegel und vor dem habe ich dann geschauspielert und getanzt.

Ich kann mich sehr gut an die Garderobe meiner Mutter erinnern, an meine eigene eigentlich nicht. Das erste Mal, an dem ich meine Kleidung bewusst wahrgenommen habe, das war auf dem Fahrrad draußen. Ich hatte meine Schlüssel verloren und ich konnte nicht nach Hause. Ich musste dringend aufs Klo und hatte eine rote Lederhose an. An diese rote Lederhose erinnere ich mich.
 
Wie nimmst du andere Frauen und ihren Kleidungsstil in deiner Umgebung wahr?

Es war für mich schon immer sehr viel interessanter Frauen zu beobachten als Männer – wie sie sich in ihren Kleidern bewegen. Da fühle ich mich magisch angezogen. Ich kann Männer gut verstehen, die davon übermannt werden. Es inspiriert mich, wie andere Frauen sich anziehen. Ich denke: Ah, das kannst du auch mal ausprobieren!
 
Kannst du genauer sagen, was dich da fasziniert?

Wenn ich spüre, dass diese Frau eine Intention verfolgt, dass sie ein Bewusstsein darüber hat, wie sie aussieht und wie sie wirkt. Und wenn das gut gemacht ist, dann ist das wie ein Kunstwerk. Das schaut man gerne an.
 

Julika, 24 Jahre, ist Kindergärtnerin

Goethe-Institut


Wie würdest du deinen Kleidungsstil beschreiben?

Julika: Schon als kleines Kind wusste ich ganz genau, was ich tragen will und was nicht, worin ich mich wohlfühle und worin nicht. Es ging mir darum, in welchen Kleidungsstücken ich die Julika sein kann, die ich sein möchte. Ich habe viele Stile: In einem Moment will ich die Hippie-Julika sein. Da will sich der freie Geist in mir ausdrücken. Und in einem anderen Moment will ich eher schlicht und stilvoll sein und fühle mich dann ganz reif und erwachsen und möchte das auch ausstrahlen. Und im nächsten Moment habe ich ein Kleidchen an und will die kleine, kindliche Julika in mir ansprechen.

Gab es eine Zeit in deinem Leben, als du dich ganz anders angezogen hast?

Ja, in der Pubertät habe ich viel ausprobiert. Da hatte ich eine Phase, da waren Baggy Hosen angesagt und ein Käppi und das alles war ich überhaupt nicht, aber irgendwie musste ich das ausprobieren. Oder dann habe ich zerrissene Hosen angezogen und alles durchgemixt – das war das Punkige in mir, das sich in der Kleidung ausdrückte. Das hat alles hinten und vorne nicht gepasst … Jetzt habe ich zu mir, zu meinem Stil gefunden – wobei sich das auch immer wieder ändern kann. Ich würde nicht ausschließen, dass ich auch mal wieder eine ganz andere Phase haben werde.

Uschi, 55 Jahre, ist Grafikdesignerin

Wie beeinflusst Kleidung dein Selbstgefühl?

Uschi: Je nachdem, welches Ereignis bevorsteht, möchte mich auf eine bestimmte Art fühlen, und danach wähle ich dann die Kleidung aus. Je nachdem, ob ich mich für berufliche Treffen kleide oder für Freizeit oder Hobby, habe ich eben unterschiedliche Bedürfnisse. Beruflich möchte ich zum Beispiel gerne edel und schlicht wirken und farblich dezent einfach und daher wähle ich am liebsten Schwarz- oder Weiß-grau-Töne und schmale Silhouetten, taillierte Sachen …
 
Welche Bedeutung verbindest du mit diesen Farben und den Begriffen „edel“ und „schlicht“? Welche Empfindungen verknüpfst du damit?

Ich fühle mich selbstbewusster, ästhetischer, weniger angreifbar und schlagfertiger. Also bei beruflichen Ereignissen finde ich die Kleidung extrem wichtig. Die ausgewählte Kleidung kann ein Ereignis deutlich positiv oder negativ beeinflussen. Ich erinnere mich, dass ich einmal einen Vortrag halten musste und da hat es sehr geholfen, dass ich die richtige Kleidung anhatte.
 
Gibt es Kleidungsstücke in deiner Garderobe, zu denen du ein besonderes Verhältnis hast?

Ja, ich bringe in der Regel von jeder Reise ein Kleidungsstück mit und normalerweise sind das Dinge, die ich sehr lange oder immer behalte. Ich erinnere auch immer noch genau die Situation, in der ich das Stück gekauft habe.
 

Hiujulan ist Hispanistin, Schmuckdesignerin und Sängerin

Goethe-Institut


Welche Einflüsse haben deinen Kleidungsstil geprägt?

Hiujulan: Ich mische Elemente aus verschiedenen Kulturkreisen und Epochen. Ich komme aus Südamerika, und das spiegelt sich auf jeden Fall in dem, was ich trage, und in meinem Auftreten. Das ist etwas sehr Schönes für mich, es bestätigt meine Identität und meine Wurzeln. Obwohl das schon eine Weile gedauert hat, denn ich bin ja in Deutschland aufgewachsen. Was mich sicher auch als Frau beeinflusst hat, ist, dass ich angefangen habe Tango zu tanzen. Das hat mein Gespür dafür gestärkt, was sexy oder erotisch ist, und wie man das subtil unterstreicht. Das hat die Musik und das Ambiente von Buenos Aires bewirkt. Ich habe dann angefangen, auf Flohmärkte zu gehen und mich für Vintage zu interessieren. Da habe ich begonnen, diese Elemente in meine Kleidung zu integrieren und die Stile zu mischen.
 
Spiegelt sich dein Beruf in deinem Kleidungsstil wieder?

Ich bin Sängerin und kreiere Schmuck und das kann ich nicht davon trennen, wie ich mich kleide. Das hat alles mit meiner Persönlichkeit zu tun und auch mit dem Bedürfnis, mich auszudrücken und kreativ zu sein. Insofern kleide ich mich nie in Grau-Schwarz-Weiß, schlicht und klassisch ... Das würde mein Wesen nicht zu erkennen geben oder besser gesagt: es würde mich mein Wesen nicht spüren lassen, und darum geht es ja letzten Endes – oder?