Bibliotheks-Marketing
„Die Bibliothek als ‚Dritter Ort‘ wird immer wichtiger“

Das Team der Stadtbücherei Hilden wurden auch wegen ihres Marketingskonzepts ausgezeichnet
Das Team der Stadtbücherei Hilden wurden auch wegen ihres Marketingskonzepts ausgezeichnet | Foto (Ausschnitt): © Stadt Hilden

Veranstaltungen, Social-Media-Angebote und Makerspaces: Claudia Büchel, Leiterin der Stadtbibliothek Hilden, erläutert im Interview, wie auch kleinere Bibliotheken gezieltes Marketing umsetzen können. 

Frau Büchel, die Stadtbücherei Hilden wurde 2016 vom Deutschen Bibliotheksverband als Bibliothek des Jahres ausgezeichnet, unter anderem wegen des „innovativen Marketingkonzepts“. Was verbirgt sich dahinter?

Wir versuchen, Entscheidungen auf eine systematische Grundlage zu stellen und dazu gehört auch ein Marketingkonzept. Wir haben zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht und geschaut, wo wir als Bibliothek stehen. Hilden hat etwa 56.000 Einwohner. Davon haben 8,5 Prozent einen Bibliotheksausweis. Sehr gut erreichen wir Kinder zwischen sechs und neun Jahren. Hier zahlt sich die Zusammenarbeit mit Kindertageseinrichtungen und Schulen aus. Es ist wichtig zu schauen, wo wir hinwollen und wie wir das erreichen. Die Arbeit mit Flüchtlingen etwa nimmt mittlerweile einen hohen Stellenwert ein. Wir möchten die Bibliothek aber auch in anderen Bereichen weiterentwickeln. So beschäftigt sich ein Teil des Teams intensiv mit der Einführung von Makerspace-Angeboten.

Veranstaltungen und Social Media

Was sind die einzelnen Bausteine Ihres Marketingkonzepts?

Das Konzept beginnt mit einem umfangreichen Analyseabschnitt, in dem wir zusammenfassen, welche Veränderungen es in der Stadt gibt, wie sich unsere Kunden zusammensetzen und wie wir die Einwohner Hildens erreichen. Dann definieren wir die Ziele, zum Beispiel die schon genannten Makerspace-Angebote. Auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln wir die Ziele erreichen können, legen wir anschließend fest. Marketinginstrumente sind dann beispielsweise die Öffentlichkeitsarbeit oder Kooperationen mit anderen Einrichtungen.

Reicht es für eine Bibliothek im Jahre 2016 nicht mehr aus, einen guten Medienbestand zu haben?

Die Bibliothek als reine Ausleihstelle hat sich inzwischen überholt. Die Bibliothek als „Dritter Ort“ neben dem Zuhause, der Arbeit oder Schule wird immer wichtiger. Wir brauchen angenehme Sitzmöglichkeiten und kostenfreies W-Lan. Auch Veranstaltungsarbeit ist wichtig, um die Bibliothek als Treffpunkt zu präsentieren. Bei uns decken die Veranstaltungen alle Altersgruppen ab. Für die Allerkleinsten ab sechs Monate gibt es bereits die sogenannten „ABC-Wichtel“. In unserem Veranstaltungskonzept, das Teil des Marketingkonzeptes ist, legen wir Teilnehmerzahlen fest. Werden diese zu häufig unterschritten, wird eine Veranstaltungsreihe wieder eingestellt. Und dann finde ich die Arbeit mit den sozialen Medien sehr wichtig, um direkt mit den Kunden kommunizieren zu können. Bei Facebook sind wir seit 2011. Im darauf folgenden Jahr haben wir unser Blog, die „Leseoase“, gestartet und sind bei Twitter eingestiegen. 2015 kam Instagram dazu und seit diesem Jahr informieren wir auch über WhatsApp. Unsere Nutzer sind auf den sozialen Plattformen besonders an einem Blick hinter die Kulissen interessiert.

Kooperationen und Netzwerkarbeit

Viele, vor allem kleinere Bibliotheken klagen über Budgetkürzungen und wenig Personal. Ist Marketing dennoch möglich?

Die Rahmenbedingungen sind zwar in den Bibliotheken sehr unterschiedlich. Das heißt aber nicht, dass die Vorgehensweise deshalb grundsätzlich anders ist. Auch mit weniger Ressourcen oder schlechteren räumlichen Voraussetzungen kann ich trotzdem versuchen, das Beste aus der Einrichtung „rauszuholen“.

Einen großen Makerspace zum Beispiel wird man in einer kleinen Bibliothek nicht einrichten können. Da sind die Mittel begrenzt.

Das ist richtig. Dennoch gibt es auch da Möglichkeiten, wie man etwa mit Kooperationen etwas erreichen und Ehrenamtliche einbinden kann. Netzwerkarbeit ist bei kleinen Bibliotheken mit begrenztem Budget sehr wichtig. Dafür muss ich aber zunächst wissen, welche Möglichkeiten eine Stadt bietet. Wenn die Bibliothek zum Beispiel einen Makerspace einrichtet, es vergleichbare Angebote aber bereits gibt, dann ist das eher ungünstig. Entscheidend ist die Frage: In welchen Bereichen ist es sinnvoll, zu kooperieren.

Teamrunden und Kundenwünsche

Wie konnten Sie Ihre Mitarbeiter für Social Media, intensive Veranstaltungsarbeit und andere neue Ideen begeistern?

Wir überlegen in Teamrunden, welche Angebote es künftig geben soll, und die Mitarbeiter übernehmen Eigenverantwortung. Um etwa die Social-Media-Angebote umsetzen zu können, haben wir Lektorate neu verteilt. FaMIs (Anm.: Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste) haben Lektorate übernommen, die bisher nur von Bibliothekaren betreut wurden. Dadurch wurden Ressourcen frei, so dass alle bei Social Media mitarbeiten können. Es war enorm wichtig, die Mitarbeiter mit ins Boot zu holen und das nicht „von oben herab“ zu entscheiden.

Und wie beziehen Sie die Nutzer mit ein?

Wir versuchen immer, vom Kunden her zu denken. Wir haben Feedback-Zettel, auf denen sie Verbesserungsvorschläge machen können. Auch bei Ideen für neue Angebote befragen wir zunächst die Kunden. In der Belletristikabteilung stellte sich etwa die Frage, ob wir die Romane alphabetisch, nach Autoren, nach Themen, oder nach Interessenkreisen aufstellen. Bevor wir aufwendig die Bestände umgeräumt haben, hatten wir Kunden angesprochen und sie um ihre Meinung gebeten.

Eine Umfrage des Allensbach-Instituts zur Zukunft der Bibliotheken hat ergeben, dass 76 Prozent aller Befragten vor allem ein umfassendes Medienangebot in der Bibliothek schätzen. Wird Marketing doch überbewertet?

In erster Linie wird die Bibliothek immer noch mit dem Haus, in dem sich die Bücher befinden, in Verbindung gebracht. An zweiter Stelle geht es dann aber darum, dass wir Veranstaltungen anbieten und um die Art der Kommunikation, beispielsweise über Social Media. Das ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden.

Claudia Büchel leitet seit 2009 die Stadtbücherei in Hilden. Sie studierte Öffentliches Bibliothekswesen in Köln und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Themen Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Qualitätsmanagement.