Glas- und Mosaikkunst
Gefrorenes Licht

Mosaikgärten
Mosaikgärten | © Gustav Van Treeck

Zwei alteingesessene, hochspezialisierte Münchner Glaskunst- und Mosaikateliers liefern Kunstwerke in die ganze Welt. Mit viel Können und Erfolg holen sie das Traditionshandwerk in die Gegenwart und geben ihm eine „strahlende“ Zukunft.

Eine Institution in Sachen Glasgestaltung und Mosaik ist die Mayer’sche Hofkunstanstalt in der Münchner Seidlstraße. Bis heute ist das gründerzeitliche Theodor-Fischer-Haus von 1847 Werkstatt und zugleich Quartier der Familie. Auf 3.000 Quadratmetern und fünf Etagen entstehen hier großflächige Werke aller Stilepochen, zart und kraftvoll zugleich. Weil das Adelshaus der Wittelsbacher zur Kundenliste zählte, spendierte König Ludwig II. 1882 den Titel „Königliche Bayerische Hofkunstanstalt“. Noch um 1900 arbeiteten hier 500 Menschen, heute sind es 40 – Mosaikbildner, Glasmaler und Kunstglaser. „Wir sind unser eigenes Labor und entwickeln neue Techniken“, sagt Inhaberin Petra Mayer, Jahrgang 1964.

Gläsernes Erbe

Mit ihrem Mann Michael Mayer führt sie das Haus in fünfter Generation. Bis heute ist es Ziel und Aufgabe, das Künstlerportfolio ständig zu erweitern. Die visionären Vorfahren eröffneten schon 1880 die New Yorker Dependance „Mayer of Munich“ und statteten zahlreiche Kirchen mit Bleiglas-Arbeiten aus. So entstand der viel zitierte Mayer-Stil: „Er ist reich, plastisch und stofflich, was mit der Anzahl der Glasbrände zusammenhängt“, sagt die studierte Architektin. 

„Heute arbeiten wir weltweit in den Bereichen Float- oder Industrieglas, Bleiglas und Mosaik – ob sakral oder überkonfessionell, ob profan, öffentlich oder privat. Für den 32 Meter langen Gang der Erinnerung der Synagoge am Münchener Jakobsplatz haben wir hinterleuchtete, fünffach verschmolzene Glasplatten gefertigt“. Sie zeigt auf ein Lager mit Echt-Antiktafeln: „Mundgeblasenes Flachglas besitzt Einschlüsse und Schlieren, eine Textur also. Das macht es so lebendig“, erklärt sie. Einen Raum weiter beugen sich Mitarbeiter über lebensgroße Standporträts von Menschen der New Yorker U-Bahn, erstaunlich real und detailreich, gesetzt als Mosaik. 

Statt sakraler Figuren verewigt der brasilianische Künstler Vik Muniz Menschen des Alltags. „Er hat dem Mosaik eine neue Dimension eröffnet, alte Traditionen mit kargen Arbeitsgeräten ins Heute katapultiert“, erklärt Mayer. 
 
  • Herz-Jesu-Kirche München © Mayer’sche Hofkunstanstalt
    Herz-Jesu-Kirche München
  • Sultan-Quaboos-Moschee, Maskat © Mayer’sche Hofkunstanstalt
    Sultan-Quaboos-Moschee, Maskat
  • Mayer’sche Hofkunstanstalt, München Mayer’sche Hofkunstanstalt, München
    Mayer’sche Hofkunstanstalt, München
  • Mayer’sche Hofkunstanstalt, München © Mayer’sche Hofkunstanstalt
    Mayer’sche Hofkunstanstalt, München
  • Stephan Huber „Frankfurter Treppe“ Foto: © Frank Günzel
    Stephan Huber „Frankfurter Treppe“
  • Goldmosaik © Gustav Van Treeck
    Goldmosaik
  • Edition Van Treeck, Christoph Böninger Foto: © Gerhard Kellermann
    Edition Van Treeck, Christoph Böninger
  • Edition Van Treeck, Elisa Strozyk Foto: © Gerhard Kellermann
    Edition Van Treeck, Elisa Strozyk
Die Mayer'sche Referenzliste ist lang: Zu ihr zählen Alexander Beleschenkos codierter Bibeltext für die Herz-Jesu-Kirche in München, Mosaiken für die Sultan-Quaboos-Moschee in Maskat, der Hauptstadt Omans oder Karl Lagerfelds Glas-Panorama für das Hotel „Metropole“ in Monte Carlo. Auch der deutsche Künstler Stephan Huber, bekannt für seine psychogeografischen Landkarten, arbeitet seit 1983 mit der Hofkunstanstalt. „Für das Historienbild Frankfurter Treppe habe ich 56 Persönlichkeiten der Stadt in einer Skala von Grautönen porträtiert“ erzählt er – ein höchst eindrucksvolles Mosaik mit der Anmutung einer Fotografie.

Das Ungreifbare sichtbar machen

„Neben hochwertigen Materialien macht vor allem die Handarbeit ein Mosaik wertvoll“, sagt Katja Zukic, eine der beiden Geschäftsführerinnen der Gustav van Treeck Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei. Sie steht vor einem ein Quadratmeter großen Goldmosaik im Eingangsbereich, in die 3.481 Glasmosaiksteine wurde Blattgold eingeschmolzen. Rund 4.500 Euro soll es kosten. 

Seit 1887 residieren die Werkstätten in der Münchner Maxvorstadt. In einem Altbau auf vier Stockwerken widmen sich zehn ausgebildete Kunstglaser, Glasmaler und Mosaizisten allen Facetten der Flachglasveredelung, der traditionellen Bleiverglasungen und modernen Arbeiten. Sie lassen Glasskulpturen entstehen und restaurieren historische Glasmalereifenster und Mosaiken. 

Im rund neun Meter hohen Atelier mit Nordlicht wird auf Leuchttischen gemalt: historische Fenster in Jugendstil, Art Deco oder modern. „Die Glasmalfarbe wird bei 620 Grad eingebrannt“, erklärt Zukic. Im Zusammenspiel mit Licht entfaltet farbiges Glas oft mystische Momente. Kein Wunder, dass neben öffentlichen Ämtern und Unternehmen sakrale Bauämter von Quingdao über Dublin bis Washington zu den Auftraggebern zählen.

Transparente Tradition

Gedenkstätte Kaprun Gedenkstätte Kaprun | © Gustav Van Treeck „Unsere Arbeiten verstehen sich als Teil der Architektur“, fügt die Geschäftsführerin hinzu. Für eine Urnengrabanlage am Münchner Westfriedhof hat die Bayerische Hofglasmalerei van Treeck zwei gepixelte Videostandbilder in Mosaike übertragen – eine hochmoderne Arbeit. Erstaunlich dabei: Die uralte Mosaiktechnik dient hier als Brücke zu den Verpixelungen des digitalen Zeitalters. 

Vor einer auf Glas übertragenen Fotografie zitiert Zukic den Bauhaus-Schüler Wilhelm Wagenfeld: „Glas ist der Zauber gefrorenen Lichts“ – der durch Ätzen und Sandstrahlen, mit Siebdruck oder als Floatglasmalerei, mit Airbrush oder in Fusing-Technik zum Leben erwacht. Dabei ist die enge Zusammenarbeit mit den Künstlern wichtig: „Man muss jedem seinen Duktus lassen“, sagt Zukic. „Jedes Projekt ist anders, eine neue großartige Herausforderung.“ 

Zukic hat es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, die Jahrtausende alte Glas- und Mosaikkunst in das 21. Jahrhundert zu führen: Die „edition van Treeck“ verbindet Design, Kunst und Objekt, es entstehen Installationen, Unikate und Serien. Dahinter steht die Strategie, neue Märkte zu erschließen, Technik und Werkstoff in einen neuen Kontext zu stellen. Zukic zeigt auf eine Leuchte von Elisa Strozyk, daneben Glastische von Christian Haas und Christoph Böninger. Kerzenleuchter Gerhard von Arwed Guderian gewann den German Design Award 2016 und ist damit angekommen in der Zukunft, wie es scheint.