Film- und Fernsehregie
Frauen nach vorn

Produzentin Bettina Brokemper (r) und Regisseurin Nicolette Krebitz bei der Lola-Verleihung 2017
Produzentin Bettina Brokemper (r) und Regisseurin Nicolette Krebitz bei der Lola-Verleihung 2017 | Foto (Ausschnitt): © Eventpress | Deutsche Filmakademie

Eine neue Studie der Filmförderanstalt (FFA) belegt, was Verbände wie Pro Quote Regie schon lange beklagen: Filmemacherinnen sind in Deutschland stark unterbeschäftigt. Die Lösungsvorschläge stoßen allerdings auch auf Kritik.

In der deutschen Filmbranche arbeiten in den meisten kreativen Schlüsselpositionen deutlich mehr Männer als Frauen. Gerade Regisseurinnen wird der Zugang dadurch erschwert, dass die Entscheidungsträger in der Filmindustrie häufig Risiken scheuen und auf bewährte Formate sowie Personen  – meist die männlichen Regiekollegen – zurückgreifen. Auch sind stereotype Rollenbilder in der Branche verbreitet, denen zufolge Frauen nicht über die gleichen Führungsqualitäten verfügen wie Männer.

Zu diesen Befunden gelangt die Studie Gender und Film – Rahmenbedingungen und Ursachen der Geschlechterverteilung von Filmschaffenden in Schlüsselpositionen in Deutschland, die von der Filmförderungsanstalt (FFA) in Auftrag gegeben und im Februar 2017 publiziert wurde. Die Ergebnisse sind kaum überraschend. Institutionen wie der Gleichstellungsverein Pro Quote Regie oder der filmpolitische Informationsdienst black box beklagen seit Jahren die Unterbeschäftigung von Filmemacherinnen in Deutschland sowie die ungleiche Verteilung von Produktionsgeldern. Bereits 1979 hat der Verband der Filmarbeiterinnen unter anderem gefordert, 50 Prozent aller Fördermittel an Projekte von Frauen zu vergeben.

Tiefpunkte und Meilensteine  

Allerdings bestätigt in der Studie nun erstmals die Fördererseite den Missstand. Konstatiert wird zum Beispiel, dass nur bei 22 Prozent der zwischen 2011 und 2015 entstandenen programmfüllenden Spiel- und Dokumentarfilme Frauen Regie führten.

Barbara Rohm, Mitgründerin von Pro Quote Regie, nennt die Studie „eine wichtige Analyse“. Zwar sei 2016 das vielzitierte „Kinojahr der Frauen“ gewesen, in dem unter anderem Maren Ades Toni Erdmann, Maria Schraders Vor der Morgenröte oder Nicolette Krebitz’ Wild liefen. Doch täuschten einzelne Erfolge darüber hinweg, dass die Zahl der Kinofilme von Frauen generell sogar rückläufig sei und 2015 mit 15 Prozent „einen traurigen Tiefstand“ erreicht habe.  

Dennoch, betont Rohm, habe sich seit der Gründung von Pro Quote Regie auch einiges zum Besseren gewendet. Zum Beispiel sei bei der Novellierung des Filmfördergesetzes ein allgemeiner Paragraph zur Geschlechtergerechtigkeit und die paritätische Besetzung von Gremien aufgenommen worden. Mit der Folge, dass die FFA alle Gremien nun mit gleichvielen Männern und Frauen besetze. „Ein Meilenstein“, findet Rohm. Auch sei in der Medienkoalitionsvereinbarung von Berlin und Brandenburg 2016 die erste Zielvorgabe auf Länderebene nach dem Vorbild des Schwedischen Filminstituts festgeschrieben worden: Langfristig sollen die Hälfte der Aufträge im Bereich Produktion, Drehbuch und Regie an Frauen vergeben werden. Inwieweit dieses „langfristige“ Ziel in die Tat umgesetzt wird, bleibe allerdings zu beobachten.

Den Mangel im Blick

Auch die Studie „Gender und Film“ formuliert Maßnahmen zur Überwindung der Ungleichheit. Darunter ein Sensibilisierungstraining für Entscheidungsbefugte und Auswahlgremien, die Erstellung eines Booklets mit dem Titel „Vielfältige Gesichter der Regie“ sowie ein Monitoring, also eine systematische Erfassung der Zahlen zur Geschlechterverteilung. Nach Ansicht von Ellen Wietstock, die den filmpolitischen Informationsdienst black box betreibt, sind diese Vorschläge allerdings „vollkommen unzureichend“. Auch ein Monitoring bedeute ja letztlich nur, „den bekannten Mangel festzustellen“.

Wietstock nimmt regelmäßig die Fördermittelvergabe auf Bund- und Länderebene unter die Lupe. Unter anderem hat sie dabei festgestellt, dass in der Region Berlin-Brandenburg – Deutschlands wichtigstem Film- und Medienstandort – die Chancen für Regisseurinnen am schlechtesten stehen, Fördergelder zu bekommen. 2016 wurden vom Medienboard Berlin-Brandenburg 31 Projekte von Regisseuren mit 10,2 Millionen Euro gefördert, wohingegen nur sechs Projekte von Regisseurinnen mit lediglich 1,5 Millionen Euro bedacht wurden.

Wirtschaftliche Reize schaffen

Barbara Rohm benennt in diesem Zusammenhang das Problem, dass noch immer zu wenige Anträge von Filmemacherinnen eingereicht würden. „Nicht, weil es keine Projekte gäbe! Aber zum einen ist die Beteiligung eines Senders vonnöten, was für Frauen oft schwierig ist, weil sie auch in der Fernsehbranche als Kreative stark unterrepräsentiert sind. Zum anderen braucht es Produzenten und Verleiher, die zur Zusammenarbeit bereit sind“. Daher scheiterten Regisseurinnen mit ihren Vorhaben oft noch vor der eigentlichen Antragstellung.  

„Es gibt nur eine sinnvolle Maßnahme“, findet Ellen Wietstock, „nämlich die Fördergremien zu verpflichten, einen bestimmten Prozentsatz ihrer Gelder an Projekte mit weiblicher Regie zu vergeben“. Würden auf diesem Wege wirtschaftliche Anreize geschaffen, fänden sich auch Produzenten, die mit Regisseurinnen zusammenarbeiten wollen. Wietstock fordert auch, dass Förderinstitutionen in ihren Vergabe-Mitteilungen auflisten sollten, wie viele Anträge mit weiblicher und wie viele mit männlicher Regie eingereicht worden waren: „eine Transparenz, die selbstverständlich sein sollte“.  

Was folgt aus den Fakten?

Für Barbara Rohm lautet die wichtigste Botschaft aus der Studie Gender und Film, dass mehr Bewusstsein „für die stereotypen, männlich konnotierten Berufs- und Rollenbilder in der Filmbranche“ geschaffen werden müsse. Die Entscheider in den Fördergremien sollten die eigenen Wahrnehmungskriterien bei der Beurteilung von Projekten und Personen hinterfragen. „Wo der Blick auf das immergleiche fällt, weil es Erfolg zu versprechen scheint, braucht es den Mut, die Perspektive zu ändern.“ 

„Die Analyse der Situation liegt mit der Studie vor, jetzt bleibt die Frage: Gibt es auch den Willen zur Veränderung?“, fasst sie zusammen. An eine freiwillige Selbstverpflichtung der Filmförderer, für mehr Geschlechterparität zu sorgen, glaubt sie dabei nicht. „Andere Verbände wie FIDAR (Frauen in die Aufsichtsräte) haben zehn Jahre lang auf Freiwilligkeit gesetzt und nichts ist  passiert – bis eine Quote eingeführt wurde“.