Musique Maure
Blues aus der Wüste

Musiciens mauritaniens
Foto : Mike Herting

Muss die Geschichte der Popmusik umgeschrieben werden? Eine ihrer bislang unentdeckten Quellen liegt in der Musik Mauretaniens. Das Goethe-Institut Senegal unterstützte das Vorhaben des Jazz-Pianisten Mike Herting, das musikalische Erbe Mauretaniens zu erfassen. Seine Schrift „Blues aus der Wüste“ erklärt die Musique Maure zum Ursprung von Blues und Jazz.

In den achtziger Jahren hörte Mike Herting zum ersten Mal Musik aus Mauretanien, auf Kassette. Der Jazz-Pianist war sofort fasziniert, obwohl er weder den Text noch die Musik verstand. Von Mauretanien wusste er nur, dass es, von Deutschland aus gesehen, irgendwo hinter Marokko lag, in der Wüste. 2008 spielte der Bandleader und Arrangeur dann auf einem Festival im Süden Marokkos, auf dem auch einige mauretanische Gruppen auftraten. Und wieder war er von der ursprünglichen Kraft dieser Musique Maure überwältigt. Sie hatte den Geschmack von Wildheit.

Der Beginn einer musikalischen Freundschaft

Anfang 2012 reiste Herting auf Einladung des zuständigen Goethe-Instituts Senegal mit einem Residenz-Stipendium erstmals nach Mauretanien, in die Hauptstadt Nouakchott. Er traf sich dort mit Aly Ndao, dem Gitarristen und Manager der Sängerin und Senatorin Malouma bint Meidah. Er wurde in ihr Haus eingeladen, ihre Band war da und spielte nach dem Essen für ihn und später mit ihm. Es war der Beginn einer musikalischen Freundschaft – und eines äußerst anspruchsvollen Unterfangens: die Erfassung und Transkription der Theorie der Musique Maure in westliche Notenschrift. Bis dato war diese ausschließlich mündlich weitergegeben worden und drohte, in Vergessenheit zu geraten.


In den folgenden Jahren reiste Herting immer wieder nach Nouakchott. Das Goethe-Institut Senegal unterstützte sein Vorhaben, das musikalische Erbe Mauretaniens zu erfassen. In der online veröffentlichten Schrift „Blues aus der Wüste“ erläutert Herting die Modi und Hauptrichtungen der mauretanischen Musik sowie die Besonderheiten der Instrumente. Die Tidinit etwa, ein viersaitiges lauten- oder gitarrenähnliches Instrument ohne Bünde, wird ausschließlich von Männern gespielt. Die Ardine dagegen, ein harfenähnliches Instrument mit vierzehn und mehr Saiten, bleibt den Frauen vorbehalten.

Ursprung der heutigen Popmusik

Durch Gespräche mit Musikerinnen und Musikern und tagelange Hör-Sessions fand Herting heraus, dass der Musique Maure eine ausgefeilte Musiktheorie mit einer Vielzahl von Tonleitern und einer Mikrotonalität von Sechsteltönen zugrunde liegt, die bisher unbekannt war. Ihr kraftvoller Gesang, rau und melismatisch, erweist sich als eigenständig und doch dem Blues verwandt, dem eigentlichen Vorläufer aller amerikanischen und überhaupt westlichen Popmusik. Auch zum Jazz lassen sich direkte Bezüge herstellen. Gut möglich also, dass die Geschichte der Popmusik umgeschrieben werden muss. Eine ihrer bislang unentdeckten Quellen liegt in der Musique Maure.