Film “Serious Games”: Harun Farockis Erkennen und Verfolgen (2003) und Ernste Spiele I-IV (2009-2010)

Serious Games © Harun Farocki © Harun Farocki

Mi, 11.09.2019

18:30 Uhr

Goethe-Institut Washington

Verschiedene Filmgenres und Bewegungen haben im Laufe der Jahre Anspruch auf die Wahrheit im Kino erhoben — die actualités der Brüder Lumière, das von Dziga Vertov vertretene Kino-Pravda, die „Ethnofiction“ der anthropologischen Filmen von Jean Rouch und die „ekstatische Wahrheit“ der Dokumentarfilme Werner Herzogs sind nur einige Beispiele. Der Dokumentarfilm ist noch immer ein wichtiges Filmgenre, und doch haben in der Zwischenzeit viele Filmemacher die Bandbreite ihrer Praxis erweitert und Arbeiten geschaffen, die Kunst und Anthropologie, Dokumentation und Fiktion, Bildung und Unterhaltung sowie die Galerie und das Kino miteinander verbinden.

Serious Games: Dokumentarische Kunst zwischen Fakt und Fiktion erkundet einen Querschnitt dokumentarischer Praxis deutscher Filmemacher und Künstler mit einem Fokus auf Krieg und Konflikt. Durch das Verwischen der Grenzen zwischen Fakt und Fiktion zeigen diese Arbeiten auch die Fluidität der Ausstellungspraxis zwischen der Black Box des Kinos und des White Cube der Galerie. Präsentiert in Zusammenarbeit mit der National Gallery of Art, mit besonderem Dank an Zach Feldman für die Organisation des Programms.

Erkennen und Verfolgen
Deutschland, 2003, 54 min., Regie: Harun Farocki

Durch Bilder, die Harun Farocki „operative Bilder“ nennt (Bilder von Maschinen wie etwa Überwachungskameras generierte Bilder, die weder einen Unterhaltungs-, noch einen Informationswert haben) werden Prozesse der industriellen Fertigung und der Kriegsindustrie von der menschlichen Erfahrungswelt distanziert. Wie im Filmtitel bereits angedeutet, zeigt Erkennen und Verfolgen die Entfremdung sowohl von der industriellen Produktion als auch vom Waffeneinsatz durch das Mittel der operativen Bilder und autonomer, computergestützter Bildverarbeitung, die menschliche Arbeitskraft ersetzt.

Ernste Spiele I-IV
Deutschland, 2009-2010, 46 min., Regie: Harun Farocki

Ernste Spiele I-IV, Harun Farockis vierteilige Mehrkanalinstallation, beginnt mit einem computergenerierten Videospiel, mit dem Soldaten für bewaffnete Konflikte trainiert werden und endet mit einer Virtual-Reality-Therapiesitzung. Normalerweise als Galerieinstallation präsentiert, zeigen die Filme wie Lehrfilme und Spiele für die menschliche Verhaltensanpassung eingesetzt werden, die für den Kampfeinsatz im Krieg notwendig ist. Farocki fordert den Betrachter zur Auseinandersetzung mit der Frage auf, inwiefern dieselben Bilder als didaktische Mittel sowohl für militärisches Training als auch für die Psychotherapie eingesetzt werden.

Harun Farocki wurde 1944 als Harun El Usman Faroqui in Nový Jicin (Neutitschein), damals Sudetengau, heute Tschechische Republik geboren. Sein Vater, Abdul Qudud Faroqui, wanderte in den Zwanziger Jahren aus Indien nach Deutschland ein. Seine Mutter war Deutsche und während der Bombardierung Deutschlands durch die Alliierten aus Berlin evakuiert worden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs Farocki in Indien, Indonesien und Hamburg auf. 1966 wurde Farocki an der Berliner Filmakademie (DFFB) aufgenommen und studierte dort bis 1968. Stark beeinflusst von Bertold Brecht und Jean-Luc Godard, begann Farocki, Filme als nicht-narrative Essays zur Politik der Bilder zu machen. Zwischen 1974 und 1984 gab er das Magazin Filmkritik heraus. Während der Neunziger Jahre lehrte Farocki an der University of California, Berkeley und war später Professor an der Akademie der bildenden Künste Wien. Er starb im Juli 2014 im Alter von 70 Jahren.
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