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Heritage Space, Hanoi, Vietnam
Ein digitales Archiv für Vietnams Gegenwartskunst

Profilansicht des mit Reiskörnern bedeckten Kopfes und Schulter eines Mannes vor blauem Himmel
Tran Luong. Steam Rice Man | © Tran Luong, Goethe Institut

Das Vietnam Art Archive (ViAA) des Heritage Space in Hanoi wird das erste seiner Art sein, was den Zeitraum und die geografische Reichweite betrifft:  Es umfasst die gesamte Szene vietnamesischer Gegenwartskunst. Während der Pandemie und dem Gebot von Social Distancing zeigte sich, welche Möglichkeiten digitale Archive bieten können.
 

– Ein Bericht von Ace Le

Seit den Anfängen der zeitgenössischen vietnamesischen Kunst in den 1990er-Jahren nach den  marktwirtschaftlichen Đổi mới-Reformen in Vietnam hat die lokale Kunstszene zahlreiche Phasen von Künstler*innen und Aktivitäten und Stilrichtungen durchlaufen. Bisher gab es jedoch keine gemeinsamen Bemühungen, ein geeignetes Archivierungssystem aufzubauen, um all dies zu dokumentieren.
Öffentliche Einrichtungen wie die Nationalbibliothek oder das Nationalarchiv haben nur sehr eingeschränkten Zugang auf die Kunstszene. Zwar verfügt jede Kunsthochschule über einen „Traditionsbereich“, in dem kunsthistorische Materialien und Publikationen aufbewahrt werden, sie haben jedoch Mühe, mit der zeitgenössischen Kunst Schritt zu halten (sie wird noch nicht im Unterricht behandelt). Ähnlich verhält es sich mit den staatlich finanzierten Kulturforschungsinstituten, die zwar ausgewählte Kunstliteratur sammeln und dokumentieren, deren Arbeitsweise jedoch veraltet ist. Unabhängige Kunstzentren und Kollektive (z. B. San Art, Nha San Collective, Manzi, Factory of Contemporary Art Center und VCCA) archivieren nur ihre eigenen Werke und nicht alle Informationen sind öffentlich zugänglich oder gar digitalisiert. Das in Hongkong ansässige Asian Art Archive (AAA) hat hervorragende Arbeit geleistet, indem es bestimmte wichtige Bereiche aus der Anfangszeit der zeitgenössischen vietnamesischen Kunst abdeckt – wie das Salon Natasha Archive und das Blue Space Contemporary Art Archive – aber nichts darüber hinaus. Im Vergleich zu unseren südostasiatischen Nachbarn – wie Indonesien mit dem Indonesian Visual Art Archive (IVAA) oder Myanmar mit dem Myanmar Art Resource Center and Archive (MARCA) – liegt Vietnam bei der Kunstarchivierung weit zurück.

Es besteht dringender Bedarf und zwar jetzt. Als Nguyen Anh-Tuan, der Direktor des Heritage Space, mir im vergangenen Jahr seine Vision vom Bau des Vietnam Art Archive (ViAA) erläuterte, konnte ich mir vorstellen, dass das Projekt aufgrund der offensichtlichen Vorteile, , problemlos die Unterstützung der Kunstszene im ganzen Land bekommen würde. Zum ersten Mal würde es ein umfassendes, öffentlich zugängliches Archiv für zeitgenössische vietnamesische Kunst geben, das vom Norden bis zum Süden und von den 1990er-Jahren bis heute reicht. Wenn man es richtig anstellt, könnte dies zu einer Fundgrube für Autoren/Forscher/Kuratoren wie mich sowie für die Kunstszene, den Kunstmarkt und die interessierte Öffentlichkeit werden.

Da es sich beim ViAA um eine digitale Plattform handelt, ist die Zugänglichkeit im Gegensatz zu physischen Archiven wie Bibliotheken oder „Traditionsräume“ auch gegenüber social distancing immun. Hier wurden im Zuge der Pandemie neue Möglichkeiten  geschaffen, die noch mehr Menschen zusammenbringen können und  Zugang von unterschiedlichen Orten aus ermöglicht. 

Auch wenn der Zeitplan des Projekts durch die Pandemie etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist es dem ViAA-Team gelungen, vor Ende 2021 eine Beta-Version zu veröffentlichen. Nach Rücksprache mit Expert*innen hat das ViAA seine Metadaten so gestaltet, dass sie nach Feldern sortiert werden können, wie beispielsweise Zeit, Geografie, Künstler, Disziplin, Medium und Thema. Mehr als 30 Künstler*innen wurden für diese Version in die engere Auswahl genommen und jedes Jahr soll eine neue Gruppe hinzukommen. Es gibt ebenfalls eine Seite mit den Profilen der wichtigsten Ausstellungen, die seit den 1990er-Jahren stattgefunden haben und eine weitere Seite mit einem Verzeichnis prominenter Kunstorganisationen in jeder Stadt (bisher wurden 17 aufgelistet)
 

  • Ausschnitt Meer mit Ruderboot und stegartiger Konstruktion © Dinh Q Le, Goethe-Institut
    Dinh Q Le. The Colony
  • zwei rote Schreine © LeNgocThanh_Le Duc Hai, Goethe-Institut
    Le Brothers: LeNgoc Thanh und Le Duc Hai. The numbers
  • Zwei Männer vor einer großen Anzahl brennender Kerzen © LeNgocThanh_Le Duc Hai, Goethe-Institut
    Le Brothers: Le Ngoc Thanh und Le Duc Hai.
  • ein golden beflügelter Cadillac © Vu Dan Tan, Goethe-Institut
    Vu Dan Tan. Cadillac Icarus Sculpture

Diese erste Liste von Künstler*innen deckt zwar ein breites Spektrum an Zeiträumen von Pionieren wie Vũ Dân Tân bis zu Künstlern der Gen Z wie Nguyễn Hải Yến, Orten von Trần Lương in Hanoi bis zu Lê Brothers in Huế und Dinh Q. Lê in Ho-Chi-Minh-Stadt und Arbeitsweisen von Installation und Performance bis hin zu Digitaltechnik und Sound ab, stellt in ihrem jetzigen Zustand jedoch immer noch einen eher begrenzten Umfang des angestrebten Vision des Archivs dar. Um die Neutralität und die kunsthistorische Bedeutung des Archivs zu gewährleisten, ist es für den Arbeitsausschuss empfehlenswert, den kuratorischen Rahmen und die Kriterien für die Auswahl der Künstler*innen und ihrer spezifischen Projekte für jede Gruppe öffentlich zu kommunizieren.

Da eine der wichtigsten Säulen des Projekts der Bereich Forschung und Bildung ist, sind Outreach-Programme und Kampagnen interessant, um das Bewusstsein für zeitgenössische Kunst in der vietnamesischen Öffentlichkeit zu steigern und die Zusammenarbeit mit dem ViAA zu fördern. Und da das ViAA das erste Projekt dieser Art in Vietnam ist, ist dieerfolgreiche Umsetzung notwendig, um andere zu inspirieren, diesem Beispiel zu folgen und hoffentlich ihre eigenen Archivierungsinitiativen zu entwickeln. Unser Kunst-Ökosystem braucht sehr viel mehr Projekte wie dieses – und die Unterstützung durch internationale Kulturfonds wie den Internationalen Hilfsfonds des Goethe-Instituts spielen eine entscheidende Rolle bei der Stärkung des Ökosystems, auch im Hinblick auf die Infrastruktur.



Dieses ehrgeizige und längst überfällige Projekt konnte dank der gemeinsamen Förderung durch den Internationalen Hilfsfonds für Organisationen in Kultur und Bildung, des Goethe-Instituts und des British Council ermöglicht werden.


Dieser Artikel erschien zuerst im April 2022 in der Zeitschrift „Politik & Kultur“ des Deutschen Kulturrats.

 

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