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Bridge Books, Johannesburg, Südafrika
Wenn die Buchhandlung zu ihren Leser*innen kommt

Griffin Shea mit einer Kollegin in seinem Buchladen Bridge Books, Johannesburg
Griffin Shea, Gründer der Buchhandlung Bridge Books in Johannesburg | Thabang Radebe © Goethe-Institut

Begeistert vom Reichtum und der Vielfalt südafrikanischer Literatur möchte Griffin Shea mit seiner Buchhandlung Bridge Books in Johannesburg eine Lücke schließen und Brücken bauen zwischen der unabhängigen Verlagsszene, ihren Autor*innen und den Leser*innen. Die Herausforderung während der Corona- Pandemie ins Digitale zu wechseln, hat die Buchhandlung mit Bravour gemeistert und so ihr Publikum weit über die Stadtgrenzen hinaus erweitert.

Von: Lindokuhle Nkosi

 

  • Front der Buchladens Bridge Books in Johannesburg Thabang Radebe © Goethe-Institut
    Der Buchladen Brigde Books im Rand Club House in Johannesburg
  • Südafrikanische Autor*innen bei einer Buchpräsentation im Buchladen Bridge Books Thabang Radebe © Goethe-Institut
    Die südafrikanischen Autor*innen Lynn Joff und Niq Mholongo
  • Blick auf Menschen im Publikum, Lesung, Buchladen, Bridge Books Thabang Radebe © Goethe-Institut
    Publikum während einer Lesung südafrikanischer Autor*innen
  • Frau, Kamera, Laptop, Streamen Thabang Radebe © Goethe-Institut
    Streaming der Lesung
  • Blick in den Buchladen Bridge Books, Menschen, Autor*innen, Publikum Thabang Radebe © Goethe-Institut
    Nach der Lesung


Es ist einer der wärmeren Spätfrühlingstage in Johannesburg. Bei Bridge Books, im Stadtteil Marshalltown reden leise ein paar Menschen, auf Stühlen um die Regale herum versammelt, über den seit Wochen überfälligen Regen. Aber nichts ist, wie es sein sollte. Schon lange nicht mehr. Vor zwanzig Monaten kündigte Präsident Cyril Ramaphosa an, dass das Land als Reaktion auf die weltweite Corona-Pandemie in den Lockdown gehen würde. In der Zwischenzeit wissen wir leider allzu genau, was das bedeutet. Hätten wir damals, als der Präsident mit seiner ersten „My Fellow South Africans“-Rede auf unseren Bildschirmen erschien, bereits begreifen können, was die folgenden Monate mit sich brachten?

Trauer und Verwüstung. Ein virtueller Abschied nach dem anderen: nichts als ein flüchtiger Moment in Zoom, wo er gerade stattfindet. Der magere Trost einer Stimme am anderen Ende der Leitung, wo es eine Hand, eine Umarmung gebraucht hätte. Dass die Tränen unendlich sein würden, und wir überall um uns herum beobachten würden, wie alles auseinanderfällt. Wir sollten nur allzu gut lernen, was passiert, wenn unsere Mitte nicht mehr hält, sollten lernen, wie wir damit überleben.

In Südafrika wurde der Unterhaltungs-, Bildungs- und Kultursektor schwer getroffen. Auch nach zwei Jahren Pandemie warten Kunstakteur*innen immer noch auf die versprochene Unterstützung der Regierung. Andererseits gibt es eine staatliche Untersuchung über einen Betrag von 300 Millionen Rand, der entweder "falsch zugewiesen" oder "im Übermaß zugeteilt" wurde. Und da es keine  Restaurants, Jazzclubs, Galerien oder Buchläden gibt, in die man gehen könnte, schlagen sich zahlreiche Institutionen um ein Stückchen Anwesenheit in der Onlinewelt.

JiaJia Fei, früher für das Guggenheim Museum und das Jüdische Museum in New York tätig, eröffnete zeitgleich mit dem globalen Lockdown die erste digitale Kunstberatung der Welt. Sie führt aus, wie die schnelle digitalen Erkundungsmissionen, in ihrer Überstürztheit und Planlosigkeit zu noch größeren Schäden für die Institutionen führen könnten.

„Die Dringlichkeit einer Onlinepräsenz für Museen, Galerien und Kunstorganisationen, insbesondere wenn sie von der globalen Schließung der Kulturräume angetrieben wird, ähnelt in vielem der Umwälzung, die vor einigen Jahrzehnten die Zeitungen erlebten. Wie verlagern diese Räume ihre Programmarbeit in den Onlinebereich, wenn jetzt die ganze Welt nur noch online interagiert? Und noch wichtiger ist die Frage, wie können wir sicherstellen, dass diese Organisationen erhalten bleiben?”

Das von Fei beschriebene obige Szenario ist eines, mit dem sich zahlreiche Institutionen herumschlagen. Eine davon ist Bridge Books. Griffin Shea, der Gründer des Buchladens, verschlug ein glücklicher  Zufall nach Johannesburg. Der ehemalige Journalist machte seinen Master in Creative Writing an der Witwatersrand-Universität. „Und das warf bei mir die Frage auf: Was passierte mit all den vielen Büchern?“ Womit Shea auf das Fehlen lokaler Belletristik in den Regalen großer südafrikanischer Buchhändler anspielt.
 
Eugene Alberts © Goethe-Institut


Wir stehen in der Privatbibliothek von Cecil John Rhodes‘ – einem der führenden Akteure im Wettlauf um Afrika Ende des 19. Jahrhunderts, im Haus des privaten Rand Clubs, über dem kleinen Zwischengeschoss, in dem sich der Buchladen Bridge Books befindet. Rhodes Statue an der Universität Kapstadt mag gestürzt worden sein, aber sein Haus steht noch, früher beherbergte es einen Pub für Kolonisten, die sich am Goldrausch beteiligten.

Bridge Books liegt in der Nähe der Park Station, dem größten Bahnhof Afrikas und Knotenpunkt für den öffentlichen Personennahverkehr. Vor der Pandemie passierten täglich mehr als eine Million Menschen den Bahnhof. Nicht eingerechnet die halbe Million Leute in den Bussen und die zahllosen zusätzlichen Nutzer*innen von öffentlichen Taxis. Direkt vor dem Bahnhof, auf dem Gehweg unter Sonnenschirmen aufgereiht, findet man Händler*innen von vorwiegend gebrauchten Büchern.

„Ich fing an die Buchverkäufer*innen kennenzulernen und mir anzuschauen, was für Bücher sie verkaufen. Hier gibt es etwa 200 Buchläden. Manche verkaufen auch andere Dinge beispielsweise Mäntel, Haarverlängerungen, pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel. Es gibt einen christlichen Buchladen, der Bücher allein in den Vernakularsprachen und nicht in der gängigen Literatursprache Englisch im Angebot hat. Ein anderer importiert der ausschließlich Bücher von nigerianischen Megakirche.  Wenn man dort herumspaziert, merkt man, dass in der Stadt sehr viel gelesen wird, was nicht aus den großen Publikumsverlagen kommt.“

Aber auch diese stabile Lesekultur hat unter der Pandemie gelitten. In den ersten drei Monaten des Lockdowns durften die Menschen kaum das Haus verlassen. Bücher galten als nicht lebenswichtige Güter und durften nicht verkauft werden.

Thabiso Mthimkhulu ist Filialleiter bei Bridge Books. Er erzählt, dass jetzt nach den strengen Lockdowns nur wenige Menschen in das Geschäft kommen. „Sie gehen lieber online. Und daher brauchten wir eine bessere Online Präsenz.“

„Wir haben daher Online Veranstaltungen organisiert und wussten, dass wir damit Menschen von außerhalb der Stadt anlocken konnten, uns zu besuchen.“ Tatsächlich erhöhte das die Aufmerksamkeit von Leuten außerhalb der Stadtgrenzen. Mithilfe des Goethe-Hilfsfonds konnte Bridge Books die Technik für Streamingformate anschaffen, die Mitarbeiter*innen schulen  und somit die digitale Qualität verbessern und die Reichweite ausbauen.

„Wir hatten auch vorher schon immer versucht, unsere Veranstaltungen zu streamen“, lacht Shea. „Aber es war echt schlecht. Wir lehnten im Prinzip ein Handy gegen ein Buch und streamten live auf Facebook. Und der Sound war so schlecht, dass einem die Ohren weh taten.“

So sehr die persönliche Begegnung  dazu beiträgt, dass Literatur und die Lebenswelt der Menschen  miteinander verwachsen, kann ein gut produziertes Streaming, ebenfalls einen Weg der Verbindung schaffen. So konnte Bridge Books die Premiere von Zakes Mdas Roman „The Wayfarer’s Hymns“ in so weit entfernten Ländern wie Kanada und die Vereinigten Staaten streamen.

Shea erzählt:  „Dieser Winter war sehr hart für uns. Wir hatten diesmal drei Monate Lockdown. Als wir die Zusage für den Internationalen Hilfsfonds bekamen, dachte ich: ‚Oh mein Gott, jetzt gibt es endlich einen Weg. Ich kann jetzt einen Plan entwerfen, auf den wir auch in Zukunft aufbauen können, wenn es einen erneuten Lockdown geben sollte. Wir können weiter arbeiten. Wir können unsere Kundschaft ermutigen mit uns in Kontakt zu bleiben. Wir können Veranstaltungen anbieten.“ Und das ist extrem wichtig, nicht nur für die Literatur, sondern auch für die Bedeutung der Stadt.

(Lindokuhle Nkosi ist eine südafrikanische Schriftstellerin, die sich in ihren Texten mit Kunst und marginalisierten Gemeinschaften auseinandersetzt.)

Unter dem Titel "Digital überleben in Zeiten des Lockdown. Wenn die Leserinnen und Leser fernbleiben: Wie sich Bridge Books, ein Buchladen in Johannesburg, durch die Pandemie kämpft" erschien der Artikel am 05.02.2022 im Tagesspiegel
 

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