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Forum im Pfefferberg-Theater
„Ein realistisches Bild von Deutschland darstellen“

Mehr als 200 Personen kamen auf dem Pfefferberggelände in Berlin zum Austausch zusammen, um über die aktuellen Fragen und Herausforderungen im Bereich Fachkräfteeinwanderung zu diskutieren.
Mehr als 200 Personen kamen auf dem Pfefferberggelände in Berlin zum Austausch zusammen, um über die aktuellen Fragen und Herausforderungen im Bereich Fachkräfteeinwanderung zu diskutieren. | © Goethe-Institut/Dorothea Tuch

Beim Forum „Vorbereiten, Begleiten, Ankommen“ im Pfefferberg-Theater in Berlin trafen sich Beteiligte des Projektes „Vorintegration und Übergangsmanagement“, um nach drei Jahren eine positive Bilanz zu ziehen. Fest steht schon jetzt: Eine Fortsetzung in größerem Umfang mit weiteren Ländern ist geplant.

Für Gesche Joost, die Präsidentin des Goethe-Instituts, waren Reisen nach Indien und Mexiko Schlüsselerlebnisse. Denn viele Menschen, die dort als Fachkräfte für Deutschland gewonnen werden sollen, so die Agenda der Exkursionen, waren gut ausgebildet, neugierig und wollten alles über Deutschland erfahren. Teilnehmer*innen der Delegation waren in Indien neben dem damaligen Bundeskanzler Olaf Scholz auch der Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck und Ex-Außenministerin Annalena Baerbock. In Mexiko City lernte Joost einen gut ausgebildeten Chirurgen kennen, der von dort an die Charité gelangte. „Genau solche Menschen brauchen wir hier.“

Als Joost wieder in Berlin gelandet war, ereignete sich dazu passend eine lustige Episode: Sie plauderte mit ihrer indischen Physiotherapeutin, bei der sie nach einer Meniskus-Operation in Behandlung war und fragte, wo diese perfekt Deutsch gelernt hat: In einem Kurs des Goethe-Instituts.

Gesche Joost, Präsidentin des Goethe-Instituts, eröffnet das Forum „Vorbereiten. Begleiten. Ankommen.” in Berlin.

Gesche Joost, Präsidentin des Goethe-Instituts, eröffnet das Forum „Vorbereiten. Begleiten. Ankommen.” in Berlin. | © Goethe-Institut/Dorothea Tuch

Lebhafte Diskussionen und reger Austausch

Diese Erfahrungen teilte Joost in ihrer Eröffnungsrede des Forums „Vorbereiten, Begleiten, Ankommen“ in Berlin. Um die Integration von Fachkräften zu optimieren, wurde 2022 das dreijähriges Projekt „Vorintegration und Übergangsmanagement“ gestartet, dessen Evaluation und Ergebnisse bei der zweitätigen Konferenz in Berlin präsentiert wurden. Podiumsdiskussionen, Kurzvorträgen und Workshops erarbeiten zudem Handlungsempfehlungen für die Zukunft. Das Forum brachte Akteur*innen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Migrant*innenselbstorganisationen in einen regen Austausch, bei dem lebhaft diskutiert wurde.

Forderung nach Migrationsministerium

Naika Foroutan, Professorin an der Humboldt-Universität und Direktorin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, liefert auf der Konferenz einen spannenden theoretischen Unterbau. Studien belegen, dass der Teil der Bevölkerung, der nicht aus Ressentiment handelt, sich eine pragmatische, zukunftsorientierte und steuernde Migrationspolitik wünsche und keinesfalls eine Verschärfung des Migrationsdiskurses. „Argumente, die rechtlich nicht umsetzbar sind und überhaupt erst auf europäischer Ebene verhandelt werden müssten, wie etwa die Installation von Haftzentren und sofortige Grenzschließungen, zerstören Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik“, mahnte die Wissenschaftlerin.

Was sie bedauert: Im Normalfall vergehen rund zwei Jahre, bis etwa eine iranische Krankenschwester nach Deutschland einreisen darf. Sie ist der Meinung, dass Deutschland ein Migrationsministerium braucht, da die Migrationspolitik zersplittert und ineffizient sei. Fortschrittlich wäre ein zirkuläres Migrationsmodell mit atmenden Grenzen. Essentiell wichtig: „Wer bereitet die Menschen vor auf das Klima, das in Deutschland herrscht?“ Bisher bestünden Partnerschaften in Ländern vor allem mit „Black, Brown and Muslim people“. „Wir müssen die Illusion von der Ankunft weißer Menschen wegnehmen.“ Sie wies darauf hin, dass nur 3,6 Prozent der Weltbevölkerung migrieren: „Rund 96 Prozent der Weltbevölkerung leben und sterben in den Ländern, in denen sie geboren werden. Nicht die ganze Welt ist auf dem Weg nach Deutschland.“
Willkommenscoaches Lisa Beck und Christine Hahn (Goethe-Institut, v.l.n.r.) beantworten an einem der zehn Informationsstände Fragen zu ihren Angeboten in Deutschland.

Willkommenscoaches Lisa Beck und Christine Hahn (Goethe-Institut, v.l.n.r.) beantworten an einem der zehn Informationsstände Fragen zu ihren Angeboten in Deutschland. | © Goethe-Institut/Dorothea Tuch

Willkommenscoaches im Dialog mit den Ankommenden

Eine zentrale Rolle spielen im Projekt Willkommenscoaches, die für ganz Deutschland zuständig sind, aber auch in anderen Ländern agieren. Eine davon ist Lisa Beck, sie war zuletzt in Indien: „In Bangalore gab es eine sehr schöne Veranstaltung über die ersten Schritte in Deutschland.“ Viele Fragen an Beck beziehen sich auf die Themen Wohnungssuche, Nahverkehr, Steuern oder die Gültigkeit des Führerscheins. Aber auch ganz profane Fragen zum Essen beantwortet sie. „Was ich immer total spannend finde, ist der Dialog mit den Menschen“, betont sie.

Beck und ihrer Kolleg*innen fungieren als Ansprechpersonen für neuzuwandernde Drittstaatsangehörige, die aus beruflichen oder privaten Gründen mit Visum nach Deutschland kommen.
Sonali Sahgal (Goethe-Institut) stellt die Angebote zur Unterstützung von Menschen aus der Region Südasien vor.

Sonali Sahgal (Goethe-Institut) stellt die Angebote zur Unterstützung von Menschen aus der Region Südasien vor. | © Goethe-Institut/Dorothea Tuch

Virtual Reality-Tools zeigen den Alltag

Zahlreiche Mitarbeiter*innen vermittelten vielfältige positive Einblicke in die weltweite Projektarbeit der Vorintegration und des Übergangsmanagements. Eine davon: Sonali Sahgal, die als Regionalkoordinatorin für die Region Südasien zuletzt in Sri Lanka Angebote aus der Region vorstellte. Dabei lernen Migrant*innen landeskundliche Inhalte und werden in ihren sprachlichen Fähigkeiten gefördert. Virtual Reality-Tools zeigen Familiennachzüglern Alltagsszenen und gesellschaftliche Anforderungen aus Deutschland. Das können ein Behördenbesuch oder eine Busfahrt sein: „Manche Menschen möchten wissen, ob sie ihren Papagei mitnehmen dürfen oder was ein Haarschnitt in Deutschland kostet“, sagt Sahgal.

Lorianne Meyer leitet seit 2023 das Vorintegrationsprojekt an Goethe-Standorten in zehn Ländern in Subsahara-Afrika, in Ländern wie Kenia und Kamerun. Teil des Angebotes dort ist auch, dass man die Menschen dazu ermutigt, sich literarisch mit ihren Ideen und ihrer Zukunft in Deutschland auseinanderzusetzten, so geschehen während eines zweitägigen Workshops in Abidjan mit intensiven Diskussionen und interaktiven Formaten. Denn, so warnt Meyer: „Die Angst vor Diskriminierung hält viele Menschen ab, sich voll zu entfalten.“ In einem sensibel moderierten Anti-Diskrimierungs-Workshop können die Menschen offen über ihre Sorgen sprechen.

Die Menschen an die Hand nehmen

Sylvie Nantcha, Vorsitzende des African Network of Germany, hält Kontakt zu Menschen etwa aus Kamerun und Nigeria: „Die Menschen brauchen Begleitung von Anfang an. Sie müssen an die Hand genommen werden, etwa, was die Anerkennung von Abschlüssen anbelangt.“ Diesem Ansatz pflichtet auch Barbara Gessler bei, Leiterin der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland: „Uns ist es wichtig, den Menschen in den Mittelpunkt stellen und zum Wohlstand der Bevölkerung in Europa beizutragen. Das liegt mir sehr am Herzen.“

Für Christoph Mohr, der den Bereich DaF-Vernetzung in der Abteilung Sprache des Goethe-Instituts leitet, ist es wichtig, dass „wir Deutschland nicht anpreisen als Land, in dem Milch und Honig fließt, sondern ein realistisches Bild darstellen“. Erste Anlaufstelle für alle Interessenten ist dabei das Webportal „Mein Weg nach Deutschland“.
Helmut Frielinghaus (Goethe-Institut) und Quan-Minh Bottrill-Chau (Landeshauptstadt München) diskutieren in einem Workshop Fachkräftestrategien in Kommunen am Beispiel der Landeshauptstadt München.

Helmut Frielinghaus (Goethe-Institut) und Quan-Minh Bottrill-Chau (Landeshauptstadt München) diskutieren in einem Workshop Fachkräftestrategien in Kommunen am Beispiel der Landeshauptstadt München. | © Goethe-Institut/Dorothea Tuch

Nach der Ankunft am Ball bleiben

Am zweiten Tag ging es in vier Vertiefungsworkshops um Themen wie gelungene Netzwerkarbeit in der Vorintegration an den Beispielen Indien und Marokko, Perspektiven in Ausbildungsbetrieben, Fachkräfte-Strategien in Kommunen und Orientierungskurse in Vorintegrationskontexten. Wie können Arbeitgeber*innen dafür sensibilisiert werden, dass es mit den Vorbereitungen vor der Einreise nach Deutschland nicht getan ist, sondern dass sie nach der Ankunft am Ball bleiben müssen? Athanasia Mantziou, Geschäftsführerin des Integrationsrates in Bergisch Gladbach, plädierte dafür, bei dieser Herausforderung auch Integrationsräte und Ehrenamtliche zu stärken und besser einzubinden.

Helmut Frielinghaus, Regionalkoordinator der Region Deutschland des Goethe-Instituts, zog als Fazit, dass es wichtig sei, positive Erzählung in relevanten Netzwerken verbreiten. Für ihn wurde in den Workshops die Komplexität des Migrationsprozesses noch einmal veranschaulicht. Immer wieder wurde in den Gesprächen deutlich, dass man die Neuankömmlinge auch vor Betrugsversuchen bewahren müsse, etwa auf Wohnungsplattformen.

Zum Abschluss ging es um Perspektiven für die Zukunft. Ein Folgeprojekt in größerer Dimension ist geplant und wird nicht nur drei weitere Länder, nämlich Usbekistan, Pakistan und Bangladesch umfassen, sondern auch viele Erkenntnisse und Ideen aus dem Forum berücksichtigen.
 
Literatur
 

Foroutan, Naika (2019): Die postmigrantische Gesellschaft: Ein Versprechen der pluralen Demokratie. Bielefeld: transcript Verlag

Knaus, Gerald/ Androsch, Hannes (2022): Wir und die Flüchtlinge. Vienna: Christian Brandstätter Verlag

Heins, Volker M./Wolff, Frank (2023): Hinter Mauern. Geschlossene Grenzen als Gefahr für die offene Gesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp

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