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Residenzen als Räume der Inspiration

Tänzerin einer Residenz
Foto: © Nina Buttendorf

Wenn Künstler*innen neue Horizonte erkunden, öffnen sich Räume voller Möglichkeiten – Orte, an denen Ideen wachsen und kultureller Austausch lebendig wird. Für das Goethe-Institut sind solche Residenzen ein zentraler Bestandteil der internationalen Kulturarbeit: Sie fördern nicht nur künstlerische Innovation, sondern auch gegenseitiges Verständnis und langfristige Kooperationen– selbst in besonders instabilen Zeiten.

Von Emrike Knoche 

Das Goethe-Institut fördert weltweit über 50 Residenzprogramme, die Kulturschaffenden ermöglichen, für eine bestimmte Zeit in einem anderen kulturellen Kontext zu leben und zu arbeiten. Was diese Programme auszeichnet, ist nicht nur die internationale Vernetzung, sondern auch die Möglichkeit, ohne kommerziellen Druck neue Ideen zu entwickeln und künstlerische Prozesse zu vertiefen.

„Residenzen bieten einen geschützten Raum, in dem Kulturschaffende experimentieren und sich mit lokalen Szenen vernetzen können“, erklärt Florian Römmert, der die Residenzprogramme am Goethe-Institut koordiniert. Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern sei dabei zentral: „Die meisten Programme entstehen in enger Kooperation mit Expert*innen vor Ort. So entstehen nachhaltige Beziehungen und oft auch gemeinsame Projekte.“ Wie diese Prinzipien in der Praxis umgesetzt werden, zeigt Björn Lengers vom digitalen Theaterkollektiv CyberRäuber, der 2022 eine Residency in Bangalore absolvierte und Teil der bangaloREsidency war. Die Einladung zur Attakkalari Tanzbiennale war der Ausgangspunkt für eine intensive Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen wie Jaaga und dem BeFantastic Festival. „Die Idee, eine Residenz bei Madhu Natraj und der Natya STEM dance kampni zu machen, war eine sehr gute Entscheidung“, sagt Lengers rückblickend.

Den Austausch mit anderen Kulturschaffenden während der Residenz beschreibt er als „sehr produktiv und interessant“. Es entstanden nicht nur Kontakte zu anderen Resident*innen, sondern auch zu lokalen Künstler*innen und Institutionen. Besonders prägend war für ihn der tägliche Kontakt mit dem Natya Institute: „Ich konnte mit Tänzer*innen arbeiten und bekam erste Einblicke in indische Tanzformen, Kultur, Religionen und Poesie.“
Auch die Stadt selbst spielte eine wichtige Rolle: Bangalore als Technologiezentrum bot zahlreiche Anknüpfungspunkte für die digitale Theaterarbeit der CyberRäuber. „Wir haben nach der Residenz zwei Projekte dort durchgeführt und wollen das auch gerne weiter fortsetzen“, berichtet Lengers.
Was bleibt von einer Residenz? Für ihn ist es vor allem die Begegnung mit einer „überwältigenden, reichen und vielfältigen Kultur“, die ihn nachhaltig beeindruckt hat. „Das macht einen erstmal demütig, aber daraus entstehen auch ganz neue Ideen.“ Und nicht zuletzt: Freundschaften, die über die Dauer der Residenz hinaus bestehen bleiben.

Auch die Künstlerin Shilpa Nayudu arbeitete 2025 im Weltkunstzimmer in Düsseldorf im Rahmen des bangaloREsidency-Expanded Projekts des Goethe-Instituts. Siebeschreibt ihre Zeit als tiefgreifend und inspirierend. „Jede Gelegenheit zum Lernen, Austauschen und Wachsen begeistert mich“, sagt sie. Besonders die interdisziplinäre und partizipative Ausrichtung der Residenz habe sie interessiert: „Mich hat das Format angesprochen, das Künstler*innen dazu ermutigt, durch Workshops und Dialoge mit der Öffentlichkeit in Kontakt zu treten.“

Ihre künstlerische Praxis ist geprägt von der Auseinandersetzung mit Körper und Geist – mit deren Rhythmen, Resilienz und Erneuerungskraft. „Ich betrachte den Körper als Gefäß für Hoffnung und Verbundenheit.“ In Düsseldorf präsentierte sie ihre Arbeit unter dem Titel „Inner Cartography: The Fabric of Being“ – eine Sammlung aus Gemälden, handbestickten Cyanotypien, Materialexperimenten und Skizzen, die die inneren Landschaften des Körpers nachzeichnen.
Während ihrer Residenz entwickelte sie das partizipative Projekt „We Are All One“, bei dem sie Menschen dazu einlud, durch gemeinsames Sticken mehr über die Zellen des menschlichen Körpers zu erfahren. „Es wurde zu einer wunderbaren Möglichkeit, Geschichten zu teilen und durch Kunst über unsere gemeinsame Menschlichkeit nachzudenken.“

Den Austausch mit anderen Kulturschaffenden beschreibt Nayudu als besonders bereichernd: „Die Residenz und das Borderland-Programm boten großartige Gelegenheiten, mit Künstler*innen aus Deutschland, Armenien, der Schweiz, den Niederlanden und Israel in Kontakt zu treten.“ Durch offene Ateliers, gemeinsame Mahlzeiten und Besuche von Ausstellungen und Performances lernte sie vielfältige künstlerische Praktiken kennen und erhielt Einblicke in kuratorische Prozesse in Deutschland. „Auch lokale Museen und Bibliotheken wurden zu wertvollen Lernorten.“
Der Standort Düsseldorf spielte für ihre Arbeit eine zentrale Rolle: „Die Stadt bietet eine lebendige und offene Kunstszene. Ihre Nähe zu Köln und Krefeld ermöglichte mir, sowohl das textile Erbe der Region als auch zeitgenössische Kunstpraktiken zu erkunden.“ Besonders eindrücklich war für sie die Begegnung mit einer professionellen Stickerin, die ihr Zugang zu Fachliteratur über Schwälmer Stickerei und andere deutsche Sticktraditionen ermöglichte.

Was sie aus der Residenz mitnimmt? „Diese Zeit war für mich als Künstlerin und als Mensch tiefgreifend transformierend.“ Die Offenheit und Unterstützung der lokalen Kunstszene habe sie tief beeindruckt. „Ich kehre mit der festen Überzeugung zurück, dass unsere kulturelle, sprachliche und kreative Vielfalt eine kraftvolle Inspirationsquelle ist. Sie erinnert uns daran, dass Verbindung und Mitgefühl im Zentrum jeder bedeutungsvollen künstlerischen Arbeit stehen.“

„Residenzen ermöglichen einen Perspektivwechsel, der weit über das Künstlerische hinausgeht“, fasst Florian Römmert zusammen. „Sie sind Orte der Reflexion, des Dialogs und der gemeinsamen Zukunftsgestaltung.“
 

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