Die Corona-Pandemie hat Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache vielerorts von null auf hundert Erfahrungen in der digitalen Lehre beschert: Häufig mussten sie innerhalb von kürzester Zeit ihre Präsenzlehre auf eine vollständig digitale Lehre umstellen, meist ohne entsprechende Vorkenntnisse. Sie mussten dabei viele neue Aufgaben meistern und waren oft überfordert. Schwierigkeiten bereiteten technische Probleme, die großen Herausforderungen lagen aber vor allem im Feld der (sozialen) Interaktion, des Aktivierens und Motivierens der Lernenden sowie der digitalen Kompetenzen der Lernenden.
Wie soll es weitergehen, wenn die pandemiebedingten Einschränkungen zurückgenommen werden können beziehungsweise zurückgenommen worden sind? Sollte man möglichst schnell und vollständig zur Präsenzlehre zurückkehren, da sich die digitale Lehre als so herausfordernd gezeigt hat? Das erscheint in einer Zeit der weltweiten Digitalisierung aller Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens weder wünschenswert noch denkbar. Der sinnvollere Weg ist, die Lehrenden für die Herausforderungen und vor allem die Potenziale der digitalen Lehre zu schulen und sie nicht nur mit der nötigen Technik, sondern vor allem mit dem nötigen Rüstzeug zu versehen, um zusammen mit ihren Lernenden digitalen Unterricht in Deutsch als Fremdsprache erfolgreich und für alle motivierend zu gestalten. Erfreulicherweise liegen aus 30 Jahren Forschung zum E‑Learning, auch im Bereich der Fremdsprachen, ausreichend Erkenntnisse und damit auch Vorschläge für die Gestaltung von Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrende (vergleiche: Rösler & Würffel, 2020) sowie Kompetenzkataloge für die Ausbildung digitaler Kompetenzen bei Lernenden vor.
Welche digitalen Kompetenzen benötigen Lehrende?
Was benötigen Lehrende, um erfolgreich online unterrichten zu können? Ein Modell, das zur Konzipierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrende im digitalen Unterrichten gut geeignet ist, ist der European Framework for the Digital Competence of Educators (DigCompEdu). Entwickelt wurde dieser europäische Referenzrahmen als eine flexible Orientierungshilfe und als Grundlage für die Entwicklung weiterer Modelle und Konzeptbeschreibungen aller beteiligten Akteur*innen (zum Beispiel relevanter nationaler und regionaler Bildungsinstitutionen). Der Rahmen richtet sich an Lehrende auf allen Bildungsebenen (von frühkindlicher Bildung bis zur Erwachsenenbildung) und kann an jeden spezifischen Bildungskontext angepasst werden (vergleiche: Redecker & Punie, 2017: Seiten 9–13).
Die Hauptaufgabe von Lehrenden ist das Lehren und die Unterstützung des Lernens der Lernenden. Sie sollten deshalb (auch) über Kompetenzen verfügen, die es ihnen erlauben, ihren Unterricht mithilfe digitaler Medien zu gestalten, das heißt, ihre Lehre zu digitalisieren. Dazu gehört, dass Lehrende den Medieneinsatz im Lehr- und Lernprozess planen, digitale Medien angemessen und effektiv einsetzen und dabei neue digitale Formate und Methoden ausprobieren. Während dieser Kompetenzbereich schon seit vielen Jahren in Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien gut vermittelt wird, rückt der DigComEdu mit den drei anderen Bereichen „Lernbegleitung“, „Kollaboratives Lernen“ und „Selbstgesteuertes Lernen“ digitale Teilkompetenzen in den Fokus, die bislang bei der Lehrendenqualifizierung häufig zu wenig berücksichtigt wurden. Lehrende sollten über Kompetenzen verfügen, digitale Medien zur Unterstützung individueller, selbstgesteuerter und kollaborativer Formate einzusetzen; zudem sollten sie ihren digitalen Unterricht so gestalten können, dass die Medien den Lernenden bei der Bewältigung gemeinsamer Aufgaben, in der Interaktion und bei der gemeinsamen Wissensgenerierung innerhalb und außerhalb des Unterrichts helfen (vergleiche: Redecker & Punie, 2017: Seite 20 und folgende).
Wie kann der Kompetenzaufbau auf Schulebene unterstützt werden?
Die Förderung digitaler Kompetenzen Lehrender im schulischen Kontext kann auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden. Auf der Mikro‑Ebene können Lehrende mit Unterstützung der Schulleitung einen regulären fachspezifischen Erfahrungsaustausch (auch zwischen unterschiedlichen Schulen) in Bezug auf digitale Medien organisieren. Auch eine selbstständige Weiterbildung der Lehrenden durch das Bereitstellen von notwendigen digitalen Ressourcen und Support (zum Beispiel durch erfahrene Kolleg*innen) kann ein guter Weg sein. Auf der Makro‑Ebene ist die Entwicklung eines Medienkonzepts beziehungsweise eines Medienbildungskonzepts empfehlenswert. Ein solches Konzept sollte in der Diskussion mit allen Lehrenden ausgearbeitet werden und konkrete Ziele und Maßnahmen enthalten, Fachspezifik und Schulbedingungen berücksichtigen und eine nachhaltige Förderung digitaler Kompetenzen ermöglichen.