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Digitale Kompetenzen für Lehrende – wichtiger denn je!

Digitale Kompetenzen für Lehrende – wichtiger denn je! © Goethe-Institut von Nicola Würffel & Natallia Baliuk

Die Corona-Pandemie hat Lehrkräften für Deutsch als Fremdsprache vielerorts von null auf hundert Erfahrungen in der digitalen Lehre beschert: Häufig mussten sie innerhalb von kürzester Zeit ihre Präsenzlehre auf eine vollständig digitale Lehre umstellen, meist ohne entsprechende Vorkenntnisse. Sie mussten dabei viele neue Aufgaben meistern und waren oft überfordert. Schwierigkeiten bereiteten technische Probleme, die großen Herausforderungen lagen aber vor allem im Feld der (sozialen) Interaktion, des Aktivierens und Motivierens der Lernenden sowie der digitalen Kompetenzen der Lernenden.

Wie soll es weitergehen, wenn die pandemiebedingten Einschränkungen zurückgenommen werden können beziehungsweise zurückgenommen worden sind? Sollte man möglichst schnell und vollständig zur Präsenzlehre zurückkehren, da sich die digitale Lehre als so herausfordernd gezeigt hat? Das erscheint in einer Zeit der weltweiten Digitalisierung aller Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens weder wünschenswert noch denkbar. Der sinnvollere Weg ist, die Lehrenden für die Herausforderungen und vor allem die Potenziale der digitalen Lehre zu schulen und sie nicht nur mit der nötigen Technik, sondern vor allem mit dem nötigen Rüstzeug zu versehen, um zusammen mit ihren Lernenden digitalen Unterricht in Deutsch als Fremdsprache erfolgreich und für alle motivierend zu gestalten. Erfreulicherweise liegen aus 30 Jahren Forschung zum E‑Learning, auch im Bereich der Fremdsprachen, ausreichend Erkenntnisse und damit auch Vorschläge für die Gestaltung von Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrende (vergleiche: Rösler & Würffel, 2020) sowie Kompetenzkataloge für die Ausbildung digitaler Kompetenzen bei Lernenden vor. 

Welche digitalen Kompetenzen benötigen Lehrende?

Was benötigen Lehrende, um erfolgreich online unterrichten zu können? Ein Modell, das zur Konzipierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrende im digitalen Unterrichten gut geeignet ist, ist der European Framework for the Digital Competence of Educators (DigCompEdu). Entwickelt wurde dieser europäische Referenzrahmen als eine flexible Orientierungshilfe und als Grundlage für die Entwicklung weiterer Modelle und Konzeptbeschreibungen aller beteiligten Akteur*innen (zum Beispiel relevanter nationaler und regionaler Bildungsinstitutionen). Der Rahmen richtet sich an Lehrende auf allen Bildungsebenen (von frühkindlicher Bildung bis zur Erwachsenenbildung) und kann an jeden spezifischen Bildungskontext angepasst werden (vergleiche: Redecker & Punie, 2017: Seiten 9–13).

Der DigComEdu beschreibt insgesamt 22 digitale Kompetenzen Lehrender, die sechs Bereichen zugeordnet werden. Da die Bereiche und die Kompetenzen im DigComEdu sehr gut beschrieben werden, gehen wir nur auf drei, uns zentral erscheinende Bereiche des Kompetenzrahmens ein.
Abbildung 1 Abbildung 1: DigCompEdu – Übersicht über die Kompetenzbereiche (Redecker & Punie, 2019: Seite 6) | © Redecker & Punie


Digitalisiert Lehren

Die Hauptaufgabe von Lehrenden ist das Lehren und die Unterstützung des Lernens der Lernenden. Sie sollten deshalb (auch) über Kompetenzen verfügen, die es ihnen erlauben, ihren Unterricht mithilfe digitaler Medien zu gestalten, das heißt, ihre Lehre zu digitalisieren. Dazu gehört, dass Lehrende den Medieneinsatz im Lehr- und Lernprozess planen, digitale Medien angemessen und effektiv einsetzen und dabei neue digitale Formate und Methoden ausprobieren. Während dieser Kompetenzbereich schon seit vielen Jahren in Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien gut vermittelt wird, rückt der DigComEdu mit den drei anderen Bereichen „Lernbegleitung“, „Kollaboratives Lernen“ und „Selbstgesteuertes Lernen“ digitale Teilkompetenzen in den Fokus, die bislang bei der Lehrendenqualifizierung häufig zu wenig berücksichtigt wurden. Lehrende sollten über Kompetenzen verfügen, digitale Medien zur Unterstützung individueller, selbstgesteuerter und kollaborativer Formate einzusetzen; zudem sollten sie ihren digitalen Unterricht so gestalten können, dass die Medien den Lernenden bei der Bewältigung gemeinsamer Aufgaben, in der Interaktion und bei der gemeinsamen Wissensgenerierung innerhalb und außerhalb des Unterrichts helfen (vergleiche: Redecker & Punie, 2017: Seite 20 und folgende).

Lernende durch digitale Lehre stärken

Lehrende sollten dafür sensibilisiert werden, dass die digitale Lehre viele Potenziale für eine größere Orientierung der Lernenden bietet (der englische DigComEdu spricht vom „empowerment“ der Lernenden, der das Potenzial viel plastischer benennt, siehe Abbildung 2). So können digitale Medien helfen, den Unterricht zugänglicher und inklusiver zu machen, sie können für die Individualisierung und Differenzierung der Lehr- und Lernprozesse und zum Aktivieren der Lernenden eingesetzt werden – wenn die Lehrenden über die entsprechenden Kompetenzen verfügen.
Abbildung 2 Abbildung 2: DigCompEdu – Ausführungen zum Kompetenzbereich „Lernendenorientierung“ (Redecker & Punie, 2017: Seite 22) | © Redecker & Punie


Wie können Lehrende ihre digitalen Kompetenzen (weiter) ausbauen?

Vor der Corona-Pandemie gab es bei den Fortbildungsangeboten häufig viele Einsteiger*innen‑Fortbildungen und einige wenige Angebote für digital kompetentere Lehrende. Nach der Corona‑Pandemie erscheint das nicht mehr ausreichend: Die Lehrenden verfügen nun über viel mehr Erfahrung und damit auch über neue Kompetenzen – aber in völlig unterschiedlichen Bereichen. Der (weitere) Kompetenzaufbau im Bereich digitaler Kompetenzen muss also viel differenzierter erfolgen als bislang. Auch hier kann der DigCompEdu in gewissem Umfang hilfreich sein: Er ist nämlich nicht nur ein Referenzrahmen, sondern gleichzeitig ein Progressionsmodell zur Selbsteinschätzung digitaler Kompetenzen. Der Kompetenzrahmen kann Lehrenden damit helfen, sowohl den Ist‑Stand ihrer digitalen Kompetenzen zu erfassen als auch ihren erwünschten Kompetenzgewinn durch Fortbildungsveranstaltungen beispielsweise zu benennen oder diesen nach erfolgten Weiterbildungsmaßnahmen einzuschätzen.
Abbildung 3 Abbildung 3: Progressionsmodell des DigCompEdu (Redecker & Punie, 2019: Seite 23) | © Redecker & Punie


Wie kann der Kompetenzaufbau auf Schulebene unterstützt werden?

Die Förderung digitaler Kompetenzen Lehrender im schulischen Kontext kann auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden. Auf der Mikro‑Ebene können Lehrende mit Unterstützung der Schulleitung einen regulären fachspezifischen Erfahrungsaustausch (auch zwischen unterschiedlichen Schulen) in Bezug auf digitale Medien organisieren. Auch eine selbstständige Weiterbildung der Lehrenden durch das Bereitstellen von notwendigen digitalen Ressourcen und Support (zum Beispiel durch erfahrene Kolleg*innen) kann ein guter Weg sein. Auf der Makro‑Ebene ist die Entwicklung eines Medienkonzepts beziehungsweise eines Medienbildungskonzepts empfehlenswert. Ein solches Konzept sollte in der Diskussion mit allen Lehrenden ausgearbeitet werden und konkrete Ziele und Maßnahmen enthalten, Fachspezifik und Schulbedingungen berücksichtigen und eine nachhaltige Förderung digitaler Kompetenzen ermöglichen.
 

Literatur / Internetquellen


Redecker, Christine; Punie, Yves (2017): European framework for the digital competence of educators. DigCompEdu, Publications Office (EUR, Scientific and technical research series), Luxembourg https://ec.europa.eu/jrc/en/digcompedu

Redecker, Christine; Punie, Yves (2019): Europäischer Rahmen für die Digitale Kompetenz Lehrender. DigCompEdu, deutsche Übersetzung durch das Goethe‑Institut, Publications Office, Luxembourg 

Rösler, Dietmar & Würffel, Nicola (2020): DLL 05: Lehr- und Lernmedien, Neubearbeitung, Klett/Langenscheidt, München

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