Saxofon
Crescendo über Grenzen

Adolphe Sax-Statue vor dem Sax-Museum, Dinant, Belgien
Adolphe Sax-Statue vor dem Sax-Museum, Dinant, Belgien | Foto (Ausschnitt): Fernand Letist

Der Belgier Adolphe Sax erfand einst das Saxophon – nahm es mit nach Frankreich und versuchte, es dort bekannt zu machen. Ein General nahm das Instrument dankend an, um damit seine Militärkapelle zu beleben. Doch um richtig erfolgreich zu werden, musste das Saxophon den Umweg über Amerika nehmen.

Von Fernand Letist

Musik überwindet alle Grenzen. Manche Instrumente auch. Das Saxofon ist eins davon. Sein genialer Erfinder Adolphe Sax wird 1814 in Dinant geboren, das nach dem Sturz Napoleons zunächst zum Königreich der Niederlande gehört und 1830 an das unabhängig gewordene Belgien übergeht.

Somit liegt Dinant im Laufe der Zeit bereits in drei verschiedenen Ländern. In Brüssel floriert das Unternehmen seines Vaters Charles-Joseph, der sich als Instrumentenbauer einen Namen gemacht hat und bei dem Adolphe in die Lehre geht – und diese in Rekordzeit durchläuft.

Der Wunderknabe

Schon im Alter von 15 Jahren entwickelt Sax, der eine Leidenschaft für Blasinstrumente hegt, neue Flötenmodelle. Außerdem experimentiert er mit der aus Deutschland stammenden Klarinette, die er 1835 völlig modernisiert. Seine Suche nach der idealen Struktur der Klarinette (Einfachrohrblatt, Klappen, Tonlöcher, Heber) führt ihn zur magischen Stimme des Saxofons, zu dem „Instrument, das dem Klang der menschlichen Stimme am nächsten kommt“. Sax möchte statt „Blasinstrumenten, deren Klang zu hart oder zu weich ist, Instrumente schaffen, deren Ton sich an die Streichinstrumente annähert, die jedoch mehr Kraft und Intensität als Letztere besitzen“. Getrieben von diesem Wunsch, entwickelt er um 1840 die Familie der Bügelhörner und der Saxofone. Ihr Ruf geht schon bald über die belgischen Grenzen hinaus und erreicht England und vor allem Frankreich.
 
In Paris möchte zu dieser Zeit General Rumigny die Militärkapellen seiner zahlreichen Regimente, die an der Grenze dem feindlichen Preußen zuhauf gegenüberstehen, modernisieren und verstärken. Rumigny sieht in Sax und seinen neuen Instrumenten die Lösung für eine Neubelebung seiner Militärkapellen und beschließt, dem mutigen Erfinder „Paris zu Füßen zu legen“.

Intrigen, Pressekampagnen, Brandstiftung

Doch in Paris Fuß zu fassen, ist für Sax nicht einfach. Für seine französischen Konkurrenten, denen es an Neid nicht fehlt und die ihn den „Kleinen Belgier“ oder „den Ausländer“ nennen, wird Sax zu einem Widersacher, den es zu vernichten gilt. Es wird alles versucht, um einen Erfolg von Sax zu verhindern: Intrigen, Pressekampagnen, körperliche Einschüchterungen, und nicht zuletzt werden auch seine Ateliers in Brand gesteckt.
Saxophon-Kunstprojekt auf der Maasbrücke in Dinant, im Vordergrund „Rumänien“
Saxophon-Kunstprojekt auf der Maasbrücke in Dinant, im Vordergrund „Rumänien“ | Foto (Ausschnitt): Fernand Letist
Doch nichts kann das Talent von Sax und die Vorzüge seines kraftvollen Bügelhorns und seines anmutigen Saxofons  aufhalten. Sie werden zum festen Bestandteil der Militärkapellen, nachdem Sax vor einer internationalen Jury, die sich aus Komponisten, Musikern und Kritikern aus ganz Europa zusammensetzt, einen renommierten Wettbewerb gewinnt, der im Freien und unter Teilnahme der Öffentlichkeit ausgetragen wird.

Umweg über Amerika

Zahlreiche Preise, die ihm bei internationalen Ausstellungen und Wettbewerben vor allem außerhalb Frankreichs verliehen werden, machen ihn förmlich zu einem Star. In diesen unruhigen Zeiten kann Sax im kosmopolitischen Paris vor allem auf die Unterstützung renommierter europäischer Künstler zählen.
 
Neben den französischen Komponisten Berlioz und Bizet gehören die Italiener Rossini und Cherubini oder auch die Deutschen Meyerbeer und Wagner zu seinen treuen Verbündeten. Und auch die Distins, eine englische Familie, deren Mitglieder virtuose Musiker sind. Oder Kaiserin Eugénie, die spanische Gemahlin Napoleons III.  

Wie ein Bumerang

Trotzdem spielt das Saxofon bis Ende des 19. Jahrhunderts nur eine untergeordnete Rolle. In der klassischen und volkstümlichen Musik wird es nur selten eingesetzt, und 1894 stirbt Sax verarmt. Aber die Saat des Saxofons ist gesät und wird langsam, aber sicher sprießen – auf dem Nährboden der beliebten Musik afroamerikanischer Künstler aus Amerika.
Nach seiner Erfindung im Jahre 1841 hatten einige Künstler und Orchester das Saxofon mit über den Atlantik genommen, aber erst durch eine erstaunliche Ironie der europäischen und der Weltgeschichte wird dem Instrument neues Leben eingehaucht: Als 1860 der Sezessionskrieg ausbricht, entsendet Frankreich zum Schutz von New Orleans 15.000 Soldaten. Mit ihren Militärkapellen. Durch den Kontakt mit Afroamerikanern, die nach und nach aus ihrer Sklaverei befreit werden, wird das Schicksal des Saxofons besiegelt, denn der weiche, wogende und wunderbare Klang des Saxofons vereint sich mit den Stimmen der afroamerikanischen Künstler, die sich unter anderem dem Ragtime oder dem Jazz hingeben.

Wichtigster Begleiter des Jazz

Während des Ersten Weltkriegs erlebt das Saxofon einen Bumerang-Effekt, durch den es – zurück nach Europa geschleudert wird. Dort kommt es 1917 in den Überseekoffern der amerikanischen Truppen und ihrer afroamerikanischen Musiker wieder an. Diese Musiker machen den Jazz und seinen wichtigsten Begleiter, das Saxofon, in Europa auf immer und ewig gesellschaftsfähig. Als Anekdote sei erzählt, dass der Erste, der mit dieser triumphalen Rückkehr des Saxofons nach Frankreich in Verbindung gebracht wird, ein Soldat und Jazz-Musiker namens Jimmy Europe war!
 
Seitdem haben der Jazz und das Saxofon die Welt erobert. Im Hinblick auf den Internationalen Adolphe-Sax-Wettbewerb, der traditionell alle vier Jahre in Dinant ausgetragen wird, kann Japan sich rühmen, das weltweit saxophilste Land zu sein. In Europa scheint Spanien auf dem Weg zu sein, Frankreich seinen Ruf als Saxophon-Nation streitig zu machen – den es seit 1842, als Sax sich in diesem Land niederließ, für sich beansprucht. 

Danksagungen des Autors: 
Marc Baeten, Koordinator der Internationalen Adolphe-Sax-Vereinigung
Géry Dumoulin, Musikinstrumentenmuseum Brüssel
Alain Crepin, Dozent für Saxofon am Königlichen Konservatorium Brüssel
Kunst, Literatur und Sprache

Ein Beitrag aus Belgien

mit Bezug zu Frankreich, Deutschland
Großbritannien, Italien

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