Band des Monats
Endless Wellness
Endless Wellness – der Name klingt nach Spa, die Musik nach dem genauen Gegenteil. Die vier Freund*innen aus Salzburg liefern den Soundtrack einer Generation, die trotz anhaltender Krisen und Zukunftsangst versucht, nicht die Hoffnung zu verlieren. Ihre Songs erzählen von Depression, Zweifeln und dem Wunsch nach einem Leben, das sich leichter anfühlt – wissend, dass „Endless Wellness“ für die meisten unerreichbar bleibt. Musikalisch irgendwo zwischen „Tocotronic, aber später“, Wir sind Helden und den Ärzten, mischen sie Ernst und Ironie zu einem Sound, der gleichermaßen tröstet wie aufrüttelt.
Von Katharina Edelmann
Vier Freund*innen gründen eine Band – Was für ein Glück!
Endless Wellness, das sind vier Freund*innen, die Musik machen, die eigentlich gar nicht nach Wellness-Oase klingt — sondern eher nach einem kleinen Aufbegehren. Mit ihren Songs liefern sie einen wütenden, melancholischen und zugleich tröstlichen Kommentar auf eine Gesellschaft, die mit zerbrochenen Versprechen und einer ungewissen Zukunft ringt.
Philipp Auer (Gesang), Milena Klien (Bass, Gesang), Adele Ischia (E-Gitarre, Violine) und Hjörtur Hjörleifsson (Keys) kennen sich bereits seit ihrer Jugend in Salzburg, spielten früher in wechselnden Konstellationen in verschiedenen Bands miteinander und taten sich schließlich nach ihrem Umzug nach Wien zu viert zusammen. Dass sie sich zusammenfanden, ist maßgeblich Hjörtur zu verdanken, der, nachdem Philipp ihm seine Texte gezeigt hatte, sofort Feuer und Flamme war und seine Freundinnen Milena und Adele dazuholte. Der gebürtige Isländer war zu diesem Zeitpunkt auch bereits kein Unbekannter in der österreichischen Indieszene mehr: von 2012 bis 2022 war er bereits Teil von Oehl und tourte mit der Indierockband als Vorband für Herbert Grönemeyer durch Deutschland und Europa.
Adele, die heutige Gitarristin der Gruppe, konnte zur Zeit der Bandgründung übrigens „nur“ Geige spielen – das aber sehr gut, weshalb es ihr gar nicht so schwer fiel, Gitarre spielen zu lernen.
Im Januar 2024 erschien dann ihr Debütalbum Was für ein Glück, im Sommer spielte die Band mehrere Festivals in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im April 2025 veröffentlichten sie schließlich die Single Die guten Jahre.
Im Oktober 2025 gab die Band das Ausscheiden von Hjörtur Hjörleifsson bekannt – nach internen Differenzen verließ er die Band. Das bestätigt, was Endless Wellness in einem Interview bereits andeuten: Als Freund*innen zusammen Musik zu machen birgt einige Risiken – zumal die vier alle von sich sagen, starke Meinungen zu haben und entsprechend lange und hitzig diskutiert werden kann. So soll auch die Namensfindung nicht einfach gewesen sein: Nach langen Diskussionen einigte man sich schließlich auf Endless Wellness – einen Begriff, der laut Sänger Philipp Auer vor allem deshalb so gut funktioniert, weil er ähnlich ambivalent ist wie die Songs der Gruppe. Betrachtet man den Bandnamen im Zusammenspiel mit den Texten, die häufig auf ironische Weise ernste Themen behandeln, versteht man auch die Ironie des Namens: Er spiegelt die Sehnsucht nach einem entspannten Feel-Good-Leben wider und zeigt gleichzeitig die Unmöglichkeit davon auf – natürlich ist Endless Wellness für kaum jemanden möglich.
Über „Nackapatzis“ und die Frage nach zuhause
Deshalb singt die Gruppe auch nicht über Wellnessthemen, sondern über Zukunftsängste, über Depression, Klimakrise und die Frage, ob man heutzutage noch Kinder bekommen sollte – aus gesamtgesellschaftlicher und persönlicher Sicht.
In den Lyrics fallen dabei vor allem die vielen umgangssprachlichen Ausdrücke ins Auge. Sänger Philipp Auer, der die meisten Songs schreibt, führt diesen Umstand darauf zurück, dass die ersten Rohfassungen der Texte oft sehr verkopft und komplex sind – der Band aber viel daran liegt, ihre Songs so zugänglich wie möglich zu machen, um einem breiten Publikum eine Identifikationsfläche zu bieten. Allerdings komme es auch immer darauf an, wie der Song ansonsten aufgebaut sei. Davon hänge oft ab, welches sprachliche Register in den Texten benutzt wird.
Schauen wir uns zum Beispiel Hand im Gesicht an:
Und ohne dich bin ich echt nicht so gern nackig
Ohne dich bin ich echt nicht so gern nackig
Und meine Mama hat gsagt
Wenn ich nackig durchs Haus glaufen bin
Da kommt ein Wiesel und
Frisst dein Spatzi
Und seitdem bin ich echt nicht so gern
Ein Nackapatzi
An manchen Tagen will ich leben
Und an andern lieber nicht
Dann könnt ich sofort speiben
Wenn schon wieder wer vom Theater spricht
Vielleicht werd ich Langstreckensteward
Und ich steig nie ausm Flugzeug aus
Stellt sich vielleicht auch nicht
Die Frage nach zuhaus
Die zentrale Metapher des Songs ist das „nackig sein“, das hier weniger körperliche Nacktheit meint, sondern emotionale Entblößung:
Das lyrische Ich fühlt sich „ohne dich“ nicht gern „nackig“ – es braucht also Nähe, um sich sicher zu fühlen. Diese Intimität ist zugleich süß, verletzlich und ein bisschen unbeholfen.
Die vielen Dialekt- und Slangwörter („nackapatzi“ für nacktsein, „speiben“ für sich übergeben) machen den Text alltagsnah und geben dem ernsten Inhalt eine humorvolle Verpackung, die typisch für Endless Wellness ist. Hand im Gesicht arbeitet mit Ironie als Selbstschutz, die kindliche Sprache wirkt wie ein Schutzmantel um die erwachsene Angst herum. Das Wiesel-Bild ist witzig – aber es kaschiert echte Schamgefühle. Auch der Steward-Traum wirkt absurd, verbirgt aber reale Überforderung.
Klima – Kinder - Krise
Kinder dagegen funktioniert sowohl auf inhaltlicher als auch auf musikalischer Ebene ganz anders. Da ist zum einen das vollkommen Fehlen von Ironie und Umgangssprache und zum anderen der kontemplative, träumerische Sound, der zum Gedanken schweifen lassen einlädt. Das Thema Familienplanung wird als persönliche Entscheidung verhandelt, eingebettet in die gesamtgesellschaftliche Ungewissheit über eine von der Klimakrise bedrohte Zukunft:
Vielleicht is es ein Haus am Meer
Aber die Sache ist die, der Umstand ist der
Dass ich keine Kinder will mit dir
Und auch sonst mit niemandem
Wo sollen die auch hin wenn die Küste brennt
Und Rauch liegt über jedem Kontinent
Und sich jeder Einzelne den Einzigen nennt
Und ein Zaun für den eigenen Garten
Ich weiß nicht wie man eine langfristige Zukunft baut
Der Song entstand während eines endlosen Gesprächs der Bandmitglieder im gemeinsamen Slowakeiurlaub. Ursprünglich nur kurz während des Frühstücks aufgebracht zieht sich das Gespräch über den ganzen Tag – beim Abendspaziergang wird innerhalb von einer Viertelstunde das grobe musikalische Gerüst skizziert und in den folgenden Tagen im Proberaum perfektioniert.
Und am Ende doch noch etwas Wellness?
Als beruhigende Zwischenparts finden sich dann aber auch immer wieder Songs wie Hab nicht so auf dem Debütalbum der Band – mit Einladungen zum Entspannen:
Hab nicht so eine Angst vor dir
Du bist gscheit, sogar, wenn du was sagst
Und die Zukunft ist mehr als eine 1 und eine 0
Und que sera, sera
Hab nicht so einen Hass auf dich
Deine Wünsche, die kommen nicht auf an Schlag
Und es is nix so wichtig, wie 's dein Hirn dir manchmal sagt
Und wennst schlafen magst, ja, dann schlaf den ganzen Tag
Ihren musikalischen Stil beschreiben Endless Wellness übrigens selbst als „Tocotronic, aber später“. Als weitere musikalische Vorbilder geben die vier Musiker*innen ganz unterschiedliche Namen an, von der österreichischen Band Madsen über Wir sind Helden, die wahrscheinlich eine ganze Generation Poprockfans geprägt haben bis hin zu den Ärzten, deren Einfluss sich vor allem auf der Ebene der ironischen Texte zeigt, ist bei Endless Wellness alles dabei. Ihnen ist es wichtig, sich stilistisch nicht festzulegen und mit verschiedenen Einflüssen zu spielen und sie ironisch zu verarbeiten. Wieviel Spaß das beim Zuhören macht, zeigt sich in jedem Song von Was für ein Glück – und hiermit viel Spaß beim Wellnessen!
Diskografie
Album
2024: Was für ein Glück
Singles
2025: Die guten Jahre
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