Sedimented Tactilities

Sedimented Tactilities © U9

Sedimented Tactilities vereint die Arbeiten von Doireann O’Malley und dem Künstlerduo STRWÜÜ (Jo Wanneng & Lukas Fütterer) in einem Dialog auf geologischer und politischer Ebene, der sich mit der Natur verkörperter Landschaften befasst. Während ihres Aufenthalts in Glenkeen Garden richteten die Künstler*innen ihren Fokus auf Formen der Verhältnismäßigkeit — von kryptogamischen und infosphärischen bis hin zu sozio-politischen Verflechtungen von Identität, Territorium und Geschichte.
Durch STRWÜÜs skulpturale Choreografien und O’Malleys vielschichtige filmische Erzählungen reflektiert die Ausstellung über Netzwerke von Beziehungen: zwischen Mensch und Ort, Körper und Umwelt, Natur und Technologie.
Daraus hervorgehend sind taktile Meditationen über die Verflechtung und sinnliche Erkundungen, die den vielschichtigen Eindruck und Abdruck von Landschaft, Identität und vermittelter Wahrnehmung nachzeichnen.

Doireann O’Malley,  Maolaigh, film still, 2023_2024 © Doireann O’Malley, Maolaigh, film still, 2023_2024

Doireann O’Malleys Maolaigh ist der erste Teil einer mehrteiligen Filmreihe, die hauptsächlich auf Clare Island gedreht wurde. Der Film folgt einem fiktiven jüngeren Selbst, das eine alternative Biografie durchlebt und in die angestammte Heimat von Gráinne Mhaol zurückkehrt – der legendären „Piratenkönigin“, die im Film als geisterhafte Führerin erscheint, begleitet von flüchtigen Erscheinungen O’Malleys selbst.

Maolaigh ist in einer nicht-linearen, traumartigen Erzählweise strukturiert und verbindet die Rhythmen des Insellebens – Schafe, Robben, eine verlassene Internatsschule und landwirtschaftliche Arbeit – mit inneren, surrealen Erfahrungen. Das Werk bewegt sich im Terrain des magischen Realismus, verwischt die Grenzen zwischen innerer und äußerer Welt und gleitet fließend zwischen Geschlechtern, Zeiten und Identitäten.

Durch diese grenzüberschreitende, multisensorische Reise wirft Maolaigh einen kritischen Blick auf koloniale und neokoloniale Kontrollmechanismen – über Natur, weibliche Körper, Tiere und letztlich das irische Volk. Was daraus entsteht, ist eine tiefe Sehnsucht nach einer ungezähmten, vorindustriellen Landschaft, unberührt von den Kräften des technokapitalistischen Patriarchats.
 

Getrocknete Algen vor weißem Hintergrund © Lorenzo Rebediani, Vera Scaccabarozzi, Luca Trevisani und Francesca Verga


Mit ihren Organismen aus multiplen Spezies stellt das Künstlerduo STRWÜÜ die vermeintlich lineare Trennung zwischen belebten und unbelebten Subjekten infrage und destabilisiert damit grundlegend die dualistischen Vorstellungen von Natur und Kultur, Mensch und Technologie.
Protagonist ihrer neuesten Arbeit ist ein Findling aus Glenkeen Garden. Als einer von unzähligen Steinen prägte und strukturierte er die irische Landschaft. Im Zuge menschlicher Aneignung und Kultivierung des Landes wurden solche Felsen an den Feldrändern aufgeschichtet, um Begrenzungsmauern zu bilden.

Seit Jahrhunderten markieren sie auch die Grenzen von privatisiertem Land oder Nationalstaaten – Grenzarchitekturen, die wie Biomembranen funktionieren. Beide sind halbdurchlässige Filter, die nur bestimmten Substanzen oder Subjekten den Zugang gewähren.

Heute bedarf es eines komplexeren Systems: Satelliten, die eine allumfassende Sicht aus der Luft ermöglichen. Die robotischen Arme erstarren in dem Moment, in dem sie selbst sichtbar werden. Sie verweigern sich der Beobachtung. Sobald sich der Roboterarm außerhalb des Sichtfelds des Satelliten befindet, beginnt er erneut, an der Oberfläche des Findlings zu schaben.

Über die Künstler*innen
 

 Max Brück, Yulia Carolin Kothe und Katerina Sidorova © Max Brück, Yulia Carolin Kothe und Katerina Sidorova

Das Künstlerduo STRWÜÜ (Jo Wanneng und Lukas Fütterer) wurde 2014 gegründet.
Sie entführten eine Pflanze, aßen für eine Stop-Motion-Animation und traten gemeinsam mit einer Riesenseerose in einem Teich auf. Sie versteckten unhörbare Klangobjekte, nutzten einander als Marionetten und verbrachten viel Zeit damit, einen kleinen Stock langsam vorwärts zu bewegen. Sie schichteten Tiere zu sich ständig verändernden Mustern auf, statteten alte Drucker mit Prothesen aus und ließen chinesische Taubenpfeifen in einer riesigen Halle kreisen. Sie spannten Schnüre, um Klänge zu formen, ließen Insekten regnen und konstruierten Geräusche, die so instabil wie möglich waren. Sie überbrückten Zeit, um Raum zu erzeugen, begleiteten Industriegebäude im Schwingen und brachten Luft zum Tanzen. Sie entzogen Ventilatoren ihren Kühleffekt, kochten Kolophonium, um Reibung zu erzeugen, und versenkten Myzelien in Klageliedern. Sie verlöteten tagelang rituell eine niederfrequente Herde und raubten Ihnen mit eingefangenem Wind die Entscheidung.
 

Lorenzo Rebediani, Vera Scaccabarozzi, Luca Trevisani und Francesca Verga © Lorenzo Rebediani, Vera Scaccabarozzi, Luca Trevisani und Francesca Verga


Doireann O’Malley, geboren 1981 in Irland, ist ein*e nicht-binäre*r, trans multidisziplinäre*r Künstler*in mit Sitz in Berlin. O’Malley arbeitet derzeit an mehreren Projekten in Irland und ist Preisträger*in des Berlin Art Prize 2018, des Berliner Förderprogramms Künstlerische Forschung und des Berlin Program for Artists. O'Malley übernahm Gastprofessuren an der Akademie der bildenden Künste Wien (2022) und der Zürcher Hochschule der Künste (2020, 2021, 2023/2024). Außerdem war O’Malley auf der Shortlist für für den Irischen Pavillion der Kunstbiennale 2024 in Venedig, dem Berliner Preis für Künstlerische Forschung 2024 und auf der Longlist für den Preis der Nationalgalerie 2022. Wichtige Ausstellungen fanden u. a. in der Hugh Lane Gallery in Dublin, der Gothenburg International Biennale of Contemporary Art, der Galerie Nordenhake CDMX, IMMA, dem Neuen Berliner Kunstverein und der National Sculpture Factory in Cork statt. O‘Malleys Filme wurden u. a. im MUMOK Wien, Barbican London, Internationale Kurzfilmtage Oberhausen, Haus der Kulturen der Welt (HKW) in Berlin, KW Institute for Contemporary Art in Berlin und im Württembergischen Kunstverein Stuttgart gezeigt. O‘Malley nahm gemeinsam mit der Autorin und Forscherin Elisa T. Bertuzzo, die auch an der Recherche und Entwicklung des gezeigten Filmes mitwirkte, an der Glenkeen Garden Residency teil.

Die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe wird von Ben Livne Weitzman kuratiert. 

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