Interview mit Birgit Heidsiek
Ökotechnologie im Kino

Ökotechnologie im Kino

An den Presseständen der Berlinale fällt zwischen den aktuellen Hochglanzmagazinen die mattgrüne Zeitschrift Green Film Shooting mit Natalie Portman auf dem Cover besonders ins Auge. Das Konzept des Magazins könnte dem Geist des Festivals nicht besser entsprechen. Zu seinem Programm gehören immer wieder Filme, die ökologische Probleme berühren, und auf offiziellen Empfängen werden keine Fleischgerichte angeboten. Die Chefredakteurin der Zeitschrift Birgit Heidsiek hat davon berichtet, wie Ökotrends im Filmgeschäft an Fahrt gewinnen.
 

Frau Heidsiek, mich erstaunt es gar nicht, dass die publizistische Initiative „Green Film Shooting“ [als Plattform für eine nachhaltige Medienbranche] ausgerechnet aus Deutschland kommt. Die Deutschen haben inzwischen ein starkes „grünes“ Image.
 
Ja natürlich, die Deutschen haben sich von der Atomenergie verabschiedet, sortieren ihren Müll und kaufen gern Bioprodukte.

Aber viele Länder, wie Frankreich, Belgien, England, die USA, haben uns im Bereich der ökologischen Technologien im Filmgeschäft längst überholt. Das war mit der Grund dafür, dass ich vor fünf Jahren eine Zeitschrift über eine nachhaltige Entwicklung in der Medienindustrie ins Leben gerufen habe – nicht nur für die Kinofilmbranche, sondern auch für Fernseh- und Animationsfilme sowie den IT-Bereich. Unterstützt hat mich dabei die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Ohne Werbekunden kommt man allerdings trotzdem nicht aus. Und diese zu finden, war am Anfang gar nicht leicht.
 
Erstaunlich. Man möchte doch meine, dass es inzwischen „in“ ist, grün zu sein.
 
Ja, inzwischen haben wir keinen Mangel mehr an Werbekunden. Und das obwohl ich niemals Werbung von solchen Umweltverschmutzern wie Nestle, McDonalds u.a. annehme. Außerdem erhalte ich regelmäßig Anrufe von Kinobetreibern, die sich dafür interessieren, wie man das Label „Green Cinema“ bekommen kann. Ich leiste sozusagen Aufklärungsarbeit, erkläre ihnen, was zu tun ist, um offiziell den Status eines „Öko-Kinos“ zu bekommen: LED-Beleuchtung, grünen Strom, Verzicht auf den Einsatz von Einmalgeschirr. Leser rufen an, um sich zu erkundigen, wie sie Öko-Supervisor werden können.
 
Ist das ein neuer Beruf in der Filmbranche, der in Mode gekommen ist?
 
Genau. Entstanden ist er in den Staaten, wo die Gilde der Kinofilmproduzenten, in der die größten Player des Filmmarkts vertreten sind, eine eigene Umweltabteilung hat. Sie haben detaillierte Empfehlungen zur grünen Filmproduktion erarbeitet – einen Katalog für Mitarbeiter aller Bereiche, angefangen von den Kostüm- und Maskenbildnern bis hin zum Catering. So wurden dank der Arbeit eines Öko-Supervisors beispielsweise bei den Dreharbeiten für Spiderman 2 50.000 Dollar eingespart. Man hat auf Plastikwasserflaschen verzichtet und dafür stationäre Cooler eingesetzt, zu denen jeder mit seiner eigenen Tasse ging. Und es wurde ausgerechnet, dass man mit den Flaschen, die 300 Mitarbeiter in 7 Wochen Dreharbeiten benutzt hätten, eine Fläche so groß wie ganz Manhattan zustellen hätte können. Und aus der stählernen Kulisse, die recycelt wurde, hätte man dreimal die Freiheitsstatue gießen können.
 
Allerdings sind natürlich die Bereiche Transport und Energieverbrauch die größten „Verschmutzer“ in der Filmproduktion. Bei Außendrehs werden Dieselgeneratoren zur Stromerzeugung eingesetzt, und das ist so ziemlich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Ich hoffe, dass das bald Vergangenheit sein wird.
 
In Frankreich beispielsweise ist man auf die Idee gekommen, an Orten, an denen immer wieder gedreht wird, wie zum Beispiel am Triumphbogen, am Eiffelturm usw. Stromnetze zu verlegen und Steckdosen anzubringen. Wobei die Drehteams wirklich nur für den Strom zahlen, den sie verbrauchen. So könnte es doch überall sein.
 
In Ihrem Magazin gibt es ein hervorragendes Beispiel, nämlich, wie eine öffentliche Schwimmhalle in Frankreich mit der Energie beheizt wird, die vom Server des größten Herstellers von Animationsfilmen und Videospielen gespeichert wird.
 
Das ist ein großartiges Geschäftsmodell. Sie haben nicht nur einen Weg gefunden, ihre Server zu kühlen, sondern die so gewonnene Wärme dank einer die Elektroenergie nichtleitenden Flüssigkeit zu sammeln und zu verkaufen

DSC © Bildschön Und im Pressezentrum der Berlinale hat man dieses Jahr ebenfalls beschlossen, auf Einmalbecher zu verzichten.
 
Das ist wunderbar. Besonders wenn man berücksichtigt, dass man heutzutage überall in Deutschland alles in Schichten von Plastik und Zellophan verpackt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass in meiner Kindheit ein einziger großer Sack für den Müll einer ganzen Woche gereicht hat. Das entsprach weitaus mehr den Vorstellungen von einer nachhaltigen Entwicklung.
 
Überhaupt sollte man doch meinen, dass die Mitarbeiter der Medienbranche von Hause aus ein bestimmtes Bewusstsein haben sollten, denn sie sind doch am dichtesten dran an den Informationsquellen.
 
Ja, aber bestimmte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ändern. Versuchen Sie doch nur mal, einen Caterer davon zu überzeugen, kein Einmalgeschirr, sondern Glasgeschirr zu verwenden. Das heißt, dass sie Geschirrspüler aufstellen und zusätzlich die Lieferung und Bedienung dieser Geräte organisieren müssen.
 
Ein anderes großes Problem besteht – bedingt durch das kapitalistische Marketing - in dem ständigen Wettlauf bei der Erneuerung jedweder Gerätschaften. Und ganz offensichtlich ist es nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhafter, technische Geräte über mehrere Jahre zu nutzen und sie nicht ständig gegen immer neue auszutauschen.
 
Und bekommen Sie es denn auch mit einer Lobby gegen die grünen Technologien zu tun?
 
In gewisser Weise schon. Vor einigen Jahren wurde unter den großen Filmproduktionsgesellschaften eine Umfrage darüber durchgeführt, was denn einem Übergang zur umweltbewussteren Filmproduktion im Wege steht. Viele lehnten die Teilnahme an dieser Umfrage schlichtweg ab. Heute hingegen, wo dieses Thema so en vogue ist, sehe ich, dass diejenigen, die sich damals zurückgehalten haben, von sich aus ihre Besorgnis über die Situation äußern und entsprechende Mitteilungen versenden.
 
Die Umweltaktivisten haben ja oft den Ruf, aggressive und unerbittliche Stoiker zu sein, denen jegliche Lebensfreude fremd ist.
 
Ja, ich selbst kann auch ganz schön aggressiv sein, wenn ich auf etwas Empörendes stoße. Anderseits ist mir bewusst, dass man natürlich den Dialog suchen muss.
 
Ich bin seit Schulzeiten Aktivistin, habe eine Zeitung herausgegeben, an Demonstrationen und Protestaktionen teilgenommen. Wir hatten damals so eine Art Uniform: Palästinensertuch, indische Pumphosen, rosa gefärbte Arbeitskleidung, wollene Pulswärmer. Man konnte uns sofort ansehen, dass wir Aktivisten, also Außenseiter, waren. Dieser Stempel, der uns da von der Gesellschaft aufgedrückt wurde, hat mich dazu bewegt, mich heute für ein anderes Modell zu entscheiden. Meine Zeitschrift mache ich im Namen erfolgreicher und attraktiver Menschen, die an das Publikum appellieren.
 
Manchmal kann man das eine oder andere einsparen, aber nicht bei der Gesundheit und bei der Umwelt. Frauen sparen mitunter am Essen, um sich dafür ein schönes Kleid kaufen zu können. Das muss man sich mal vorstellen! Das ist doch völlig gegen unsere tierischen Instinkte; gesundes Essen ist doch viel wichtiger.
 
In Russland erlebt man das auf Schritt und Tritt …
 
Oh! Wie viele Zeitschriften soll ich denn dann zum Festival mitbringen? Ich habe eine Gold-Mitgliedschaft bei der Lufthansa, das Gepäck wäre also nicht das Problem.
 
Fliegen Sie wirklich so viel? Denn das kommt ja fast einem Verbrechen gleich, wenn man es von einem umweltbewussten Standpunkt aus betrachtet.
 
Leider muss ich das – ich unterrichte in München, lebe in Hamburg und fliege dienstlich in die Staaten. Vor kurzem haben ich auf einem Flug zu einer Konferenz nach Paris einen Ingenieur kennengelernt, der mir erzählt hat, dass es schon sehr bald Elektroflugzeuge geben wird. Drauf freue ich mich schon!