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Grünes Kino
Deutsche Filme beim ECOCUP 2021

Sitzplätze im Kino
© Nicolas Comte, Unsplash.com

Vom 15. bis 25. April findet das internationale Festival für „grünen“ Dokumentarfilm statt: der „ECOCUP 2021“. 15 Dokumentarfilme in Spielfilmlänge und zwei Programme für Kurzfilme im Online-Filmtheater COOL PLAY.

Das Festival findet im Rahmen des Deutschlandjahrs in Russland 2020/2021 statt. Lebendige Bäume, die nackte Arktis und der Klimawandel sind Themen deutscher Filme beim ECOCUP-Festival für „grünen“ Dokumentarfilm im Jahr 2021.

Von Julia Nepossedowa

Solange wir es nicht sehen

Im vergangenen Jahr wurde das Buch „Das geheime Leben der Bäume“ im Auftrag des Verlagshauses der Wirtschaftshochschule Moskau ins Russische übersetzt. Die Übersetzerin Natalia Stillmark wurde 2018 dafür mit dem Merck-Übersetzerpreis ausgezeichnet. In deutscher Sprache ist das Buch 2015 erschienen. Geschrieben wurde es vom deutschen Förster Peter Wohlleben. Dieser hat sich der Forstwirtschaft, aber auch der Beobachtung von Wäldern verschrieben und dabei eine Vielzahl erstaunlicher Entdeckungen gemacht. Sein Buch weihte die Leserschaft in die Geheimnisse der Bäume ein und machte diese nachvollziehbar. Das Buch wurde weltweit zum Bestseller – jetzt auch in Russland.

Man muss sagen, dass der Film „Das geheime Leben der Bäume“ einer dieser Fälle ist, in denen die Verfilmung nicht schlechter ist als der gedruckte Text. Schon nach den ersten Minuten bringt der Film sein Publikum dazu, die Beziehung zwischen Mensch und Pflanze neu zu denken. Den ganzen Film über erzählt Wohlleben in mitreißender und inspirierender Weise von der gegenseitigen Hilfeleistung und Verbundenheit zwischen Bäumen, ihrer Zusammenarbeit und gar einer Sprache, in der Bäume miteinander kommunizieren. Pflanzen verfügen hiernach über die Fähigkeit, Emotionen auszudrücken und empfinden menschliche Gefühle wie Liebe, Schmerz und Angst. Außerdem thematisiert Wohlleben das so wichtige Problem einer Bewahrung von Wäldern in ihrem urwüchsigen Zustand, also ohne das Eingreifen von Menschen.

Kameramann Daniel Schönauer sekundiert die Worte des Protagonisten. Er transportiert auf faszinierende Weise die Schönheit und Erhabenheit von Wäldern. Regisseur und Drehbuch-Autor Jörg Adolph ist es gelungen, einen Film zu schaffen, der bis zu seinen letzten Minuten interessant bleibt. Man hat den Eindruck, dass es nur noch ein kleines bisschen bräuchte, und das Geheimnis des Waldes wäre gelüftet. Doch der Wald bewahrt sich auch weiterhin einige seiner Geheimnisse. Sehr bald wieder einmal hinfahren und Bäume betrachten, das aber möchte man nach dem Film auf jeden Fall.

Etwas mehr Wasser – und weitere Details

Allerdings erwarten den Wald, der immer so unerschütterlich wirkt, ebenso wie die Menschheit einige Turbulenzen. Der Film „66 Meter“ erzählt davon, wie Klimaveränderungen zum Schmelzen der Gletscher in Grönland und der Antarktis führen und wie in der Folge dessen der Meeresspiegel um 66 Meter ansteigen wird.

Das filmische Interview „66 Meter“ ist ein Gespräch mit Wissenschaftlern darüber, was sie wissen und vor was sie warnen können. „Es ist Zeit zu handeln, oder wir werden untergehen“, mahnt einer der Protagonisten des Films. Denn nicht nur Inselstaaten verschwänden durch den Anstieg des Meeresspiegels, es verändern sich auch die Uferlinien der Kontinente. Die Wissenschaftler sind also zusammengetreten, um das Publikum des Films über diese heranrückende Bedrohung in Kenntnis zu setzen.

Gewarnt werden die Zuschauer*innen unter anderem vom Bachelor-Absolventen in Mathematik und Physik der Technischen Universität Darmstadt, Magister in Geophysik an der Gutenberg-Universität Mainz, Forschungsspezialisten, Seismologen, Geologen und Tektonphysiker Dr. Klaus Hans Jakob. Er ist seit mehr als 50 Jahren im „Lamont-Doherty Earth Observatory“ der University of Columbia tätig und ein bekannter Experte für Erdbeben, Naturkatastrophen und Klima. Das TIME Magazine hat ihn als einen von 50 „Menschen von Bedeutung im Jahr 2012“ für die Prognose eines Sandsturms ausgezeichnet, der New York treffen würde – ein Jahr, bevor dies mit „SANDY“ Wirklichkeit wurde.

„66 meters“© Ecocup Festival

Weitergeführt wird das Thema von einem Professor im Bereich Küsteningenieurwissen und Physikwissenschaft an der Universität Southampton: Robert Nicholls. Seine Interessen und Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der langfristigen Planung und Verwaltung küstennaher Regionen, insbesondere Fragen der Auswirkungen von und Anpassung an Klimaveränderungen mit Schwerpunkt auf dem Anstieg des Meeresspiegels. Nicholls war an der Arbeit des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) beteiligt – in der Gruppe, die 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Die nächste Frage, die im Film aufgeworfen wird: Wie wird sich die Höhe des Meeresspiegels in den verschiedenen Ecken des Planeten ändern, und was sagt das über mögliche Überschwemmungen aus? Hierüber spricht Sönke Dangendorf, Mitglied der Amerikanischen Geophysikalischen Vereinigung (AGU) und der European Geosciences Union (EGU). William Colgan, Klimatologe und Wissenschaftler im Bereich der Forschung an Gletschern als Indikatoren für Klimawandel, berichtet von computeranimierten Modellen und Szenarien, die über jeden Zweifel erhaben sind.

Doch damit ist die Liste der Wissenschaftler, die von den Autoren des Films befragt wurden, noch nicht zu Ende. Über den Klimawandel spricht auch der kanadische Forscher Michael Weber. Er stellt eine Verbindung zwischen den Gletschern der Arktis und Antarktis her und beschreibt außerdem, wie sich Gletscher in ihrer Geschichte verändert haben.

Zusammengefasst: Wenn ihr immer schon einmal auf eine Forschungskonferenz wolltet, auf der Wissenschaftler*innen ihre Gedanken auf gut zugängliche Weise darlegen, fasziniert in diese Welt eintauchen und sie verstehen möchtet, dann ist der Film „66 Meter“ etwas für euch. Denn er ist sehr detailliert, voller wissenschaftlicher Belege und faszinierender Aufnahmen von Ozeanen, Eis und Schiffen.

Ohne Kleidung

Abgelöst wird die Wissenschaft von „The naked Arctic Adventure“. Einem sehr aktuellen Film, der uns zum Nachdenken über unser Alltagsleben zwingt – über Konsum und seine Folgen, die Menge des tagtäglich produzierten Mülls, die Erderwärmung und den Klimawandel, genauso aber auch über die Bemühungen, diesen aufzuhalten.

„The naked Arctic Adventure“© Ecocup Festival

Die beiden jungen Frauen Stephanie Dickson und Paula Miquelis sind Teil einer Gruppe von 80 jungen Umweltaktivist*innen, die an Bord des Schiffs „National Geographic Explorer“ an einer Expedition über Spitzbergen zum Nordpol teilnehmen. Unter Leitung des bekannten Wissenschaftlers Robert Swan und dessen Sohn Barney beobachten sie zwei Wochen lang das Schmelzen des Polareises, die Migration der Tiere und den Anstieg des Meeresspiegels. Während sich das Schiff im Uferbereich der Arktis bewegt, lauschen die Teilnehmer*innen der Expedition Vorträgen zum Klimawandel. Die Idee dahinter ist, dass die Aktivist*innen nach ihrer Rückkehr in der Lage sein sollen, anderen die Notwendigkeit realer Veränderungen auf der Welt zum Wohle der Menschheit noch eindringlicher vor Augen zu führen.

Stephanie und Paula bemühen sich, so zu leben, dass sie dem Planeten einen nur minimalen Schaden zufügen. Sie schränken ihren persönlichen Konsum ein und verringern auf diese Weise das Müllaufkommen. Sie wollen nicht nur verstehen, wie der Klimawandel sich auf die Zukunft auswirkt, sondern sich ebenso mit der Frage auseinandersetzen, warum andere Menschen die Existenz dieser Probleme nicht wahrhaben wollen und sie völlig ignorieren.

Man schaut den Film wie in einem Atemzug. Er endet mit dem Satz „Green is the new Black“, was darauf anspielt, dass Ökologie und Umweltschutz mittlerweile regelrecht trendy sind. Genauso, wie die Farbe schwarz zu einem bestimmten Zeitpunkt die Vorstellungen davon, was Eleganz bedeutet, umgeworfen hat. Auch nimmt der Titel auf eine biblische Lesart Bezug: „Der Mensch kam nackt aus dem Schoß seiner Mutter, und nackt geht er auch wieder. Er nimmt nichts von seinen Mühen mit hinaus.“ Das Geheimnis, warum der Film „Die nackte Arktis“ heißt, könnt ihr übrigens selber lüften – sobald ihr ihn gesehen habt.

ECOCUP ist ein jährlich stattfindendes Festival für „grünen“ Dokumentarfilm. In den vergangenen Jahren haben Veranstaltungen in mehr als 20 Städten Russlands, sechs Städten in der Ukraine, sechs in Belarus, zweien in Kasachstan sowie in der Hauptstadt Kirgisiens stattgefunden. Seit 2012 ist das ECOCUP-Festival Mitglied des „Green Film Network“, eines internationalen Netzwerks für Umweltfilm-Festivals.

 

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