Moskau | Theater Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter

Foto: © Walter Mair Foto: © Walter Mair

Do, 18.04.2019 –
Fr, 19.04.2019

19:00 Uhr – 19:00 Uhr

Theatrium an der Serpukhovka

Gastspiel Volksbühne Berlin mit der Inszenierung von Christoph Marthaler „Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter“ in Moskau

2019 feiern der Russische nationale Theaterpreis Goldene Maske und das gleichnamige Festival ihr 25-jähriges Bestehen. In all diesen Jahren beschränkte sich die Goldene Maske nie allein auf das nationale Theatergeschehen. So wurden im Theaterjahr ausländische Inszenierungen nach Moskau eingeladen, die ein neues Verständnis von Theatersprache und Theaterwirklichkeit mitbrachten. In Kooperation mit den Theaterkritikern Marina Dawydowa und Anton Flerov entstand ein buntes Programm – Deutschland wird darin vertreten durch Christoph Marthalers „Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter“ (Volksbühne).
„2017 erleben wir das Ende einer einzigartig produktiven und originellen Ära in der Geschichte des modernen Theaters: nach 25 Jahren Leitung verlässt Frank Castorf das legendäre Berliner Theater „Volksbühne“, und das gesamte Repertoire des Theaters hört mit einem Schlag auf zu existieren. Neben Inszenierungen von Castorf selbst trifft das auch Stücke eines anderen brillanten Regisseurs: Christoph Marthaler. Darunter „Gemischte Gesichter, bekannte Gefühle“ – eines seiner Meisterwerke und ein schmerzlicher Verlust. Übergroß war daher die Freude, als sich herausstellte, dass Marthaler und die Schauspieler das Stück für Gastspiele wieder zum Leben erwecken konnten.
All jene ureigenen Techniken und Kniffe Marthalers, seine melancholische Ironie, seine unverwechselbaren Gags, die perfekte Musikpartitur, die exzentrischen Tänze, die absurden Texte, die todtraurig und gleichzeitig urkomisch sind – all das ist da, genau wie immer.
Das Stück spielt in einem Museum, aus dem dem im Zuge des Wechsels zwischen zwei Ausstellungen alle Exponate herausgeräumt wurden. Statt der Werke alter Meister werden nun lebende Exponate in den Saal gebracht; es sind die ewigen Helden des für seine Ironie bekannten Schweizers: lustige, konfuse, ungelenke Europäer. In großen Holzkästen und Kisten werden sie auf einem Rollwagen hereingefahren, in Plastik gewickelt oder mit Decken verhüllt und gut verschnürt. Ungerührt wickelt ein Museumsarbeiter kilometerweise Polyethylen aus, und gespannt wird erwartet, wer diesmal wohl zum Vorschein kommt. Das könnte der Pianist sein, der gemeinsam mit seinem Klavier ins Museum gebracht wurde. Und kaum heraus aus der schützenden Kiste, liefert er selbstverständlich die musikalische Begleitung zur Handlung. Oder es ist eine ältere Dame, die unaufgefordert beginnt, dem Publikum von den Beschwernissen ihres Privatlebens zu erzählen. Unermüdlich folgt Sketch auf Sketch.
Und irgendwann wird einem bewusst, dass Marthaler dieses Opus absichtlich an seine legendäre Inszenierung aus den frühen 1990er-Jahren „Murx den Europäer“ anlehnt. Auf der Bühne stehen die Beteiligten jenes alten Stücks, einzelne Einstellungen und musikalische Fragmente daraus werden deutlich erkennbar wiederholt – ganz wie damals verbindet Marthaler Schubert zwanglos mit Populärmusik und Mahler mit Volksliedern. Und kaum etwas hat sich verändert in den vergangenen 20 Jahren. Wie damals empfinden wir Mitleid mit den Helden des Schweizer Regisseurs, diesen rastlosen Wanderern, die geduldig auf Erden ihrer Stunde harren, um dann aus unserem sinnlosen Leben direkt in die Nichtexistenz zu fliegen.“ (Marina Dawydowa).

Gastspiel mit Unterstützung des Goethe-Instituts


Vertreter der deutschen Theaterszene werden von der Goldenen Maske durchaus nicht übergangen. In der Vergangenheit ging der Preis „für das beste ausländische Theaterstück, das als Gastspiel in Russland aufgeführt wurde“ mehrmals an Inszenierungen deutscher Theater, so zum Beispiel an die Regisseure Michael Thalheimer, Luk Perceval oder Katie Mitchell. Auch Inszenierungen von Heiner Müller oder Heiner Goebbels wurden auf dem Festival gespielt. 2013 ging der Preis in der Kategorie „Experiment“ an das Stück Entfernte Nähe des Theaterstudios Kroog II (Regisseure: Gerd Hartmann, Deutschland, und Andrej Afonin, Russland) – ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Zentrum für Dramaturgie und Regie und dem Goethe-Institut Moskau, in dem behinderte und nicht behinderte Schauspieler/innen zusammenspielten. Überzeugend gelang ihnen dieser Versuch einer Darstellung von experimentellem Inhalt in einer auf russischen Bühnen ungewohnten Form. Diese Aufführung wurde vom Goethe-Institut initiiert und liegt uns besonders am Herzen.
 

Deutsches Theater bei der Goldenen Maske

2006
Preis „für das beste ausländische Theaterstück, das 2005 als Gastspiel in Russland aufgeführt wurde“: Emilia Galotti in der Inszenierung von Michael Thalheimer am Deutschen Theater Berlin. Thalheimer reiste persönlich nach Moskau, um seinen Preis entgegenzunehmen.
2013
Bestes ausländisches Theaterstück, das 2012 als Gastspiel in Russland aufgeführt wurde: Fräulein Julie von der Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, Regisseurin: Katie Mitchell
2014
Preis „für das beste ausländische Theaterstück, das 2013 als Gastspiel in Russland aufgeführt wurde“: Draußen vor der Tür, Thalia Theater, Hamburg, Regisseur: Luk Perceval
2015
Preisträger in der Kategorie Bestes ausländisches Theaterstück, das 2014 als Gastspiel in Russland aufgeführt wurde“: Tartuffe, Theater Schaubühne, Berlin, Regisseur Michael Thalheimer
2007
Die Goldene Maske eröffnet mit dem Stück Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui in der Inszenierung von Heiner Müller und mit Martin Wuttke in der Hauptrolle. Das Berliner Ensemble setzte damit das Festivalprojekt Legendäres Theater des 20. Jahrhunderts fort.
2013 und 2015
Auch der experimentierfreudige deutsche Regisseur Heiner Goebbels spielte zweimal auf dem Festival: 2013 inszenierte er sein Stück Stifters Dinge, 2015 das Stück When the mountain changed its clothing.
2013
In der Kategorie „EXPERIMENT“ gewinnt das Stück Entfernte Nähe des Theaterstudios Kroog II, ein Gemeinschaftsprojekt mit dem „Zentrum für Dramaturgie und Regie“ und dem Goethe-Institut Moskau. Regisseure sind Gerd Hartmann und Andrej Afonin, es spielen Schauspieler mit und ohne Behinderung.

 

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