DaF-Unterricht am Gymnasium
Teil 1

Das Schulwärts-Programm als Verbindung zur deutschen Sprache und Kultur — hier die Brücke, die die Schäreninseln Hönö und Fotö verbindet
 
Das Schulwärts-Programm als Verbindung zur deutschen Sprache und Kultur — hier die Brücke, die die Schäreninseln Hönö und Fotö verbindet

Das Schulwärts-Programm als Verbindung zur deutschen Sprache und Kultur — hier die Brücke, die die Schäreninseln Hönö und Fotö verbindet | © Robert Schwegele

Theoretische Ausgangslage

In Klasse 6 wählen die Schüler*innen in Schweden ihre zweite Fremdsprache. Für die Lerngruppen hier am Gymnasium heißt das, dass die Lernenden schon mindestens vier Jahre Deutsch als Unterrichtsfach belegen. Laut Lehrplan ist ein Sprachniveau von B1 zum Ende des Gymnasiums vorgesehen. Wenn ich an meine eigene Schulzeit und meine Fortschritte in der zweiten Fremdsprache Französisch zurückdenke, war es aber wohl besser, erstmal nicht zu viel zu erwarten.

Realistische Ausgangslage

Tatsächlich herrschten in den einzelnen Gruppen hinsichtlich des Sprachniveaus und der Motivation für das Fach Deutsch recht große Unterschiede. Die Bandbreite reichte von nahezu flüssigem Sprechen — vor allem bei den Schüler*innen mit deutschem Elternteil — bis zu „das Fach Deutsch innerlich schon aufgegeben“.

Vielleicht konnte meine Anwesenheit als reales Sprachvorbild, die Lust auf Deutsch bzw. den Mut Deutsch zu sprechen ein wenig steigern — und so auch bei den „lustlosen“ Schüler*innen ein paar Fortschritte zu erzielen.

Auch die Deutschlehrerinnen Petra und Kiki wollten meine Praktikumszeit bestmöglich nutzen und gaben mir die Freiheit viel auszuprobieren und vor allem viel mit den Teilnehmern zu sprechen. Einziger Haken: ein Spaßverderber namens „Nationale Prüfungen“, auf welchen die Schüler*innen trotzdem irgendwie vorbereitet werden mussten.

Exkurs: Nationale Prüfungen

Während in der Grundschule Noten noch eher eine Nebenrolle spielen, werden die Kurse in den Kernfächern am Gymnasium durch die „nationalen Abschlussprüfungen“ gegen Ende des Schuljahres, bewertet. Diese Prüfungen sind von der Uni erstellte, standardisierte Tests. Sie dienen dazu, das Erreichen der Kursziele zu überprüfen. Die Lernenden können in den Kursen Punkte sammeln, die sie später für ihren Abschluss und die Hochschulzulassung benötigen. In der Nationalen Prüfung im Fach Deutsch werden neben dem Teilbereich „Sprechen“ auch die Bereiche „Hören“, „Lesen“ und „Schreiben“ geprüft.

Inhalte der ersten Wochen

Für den Unterricht bedeutete dies, einen Mittelweg zu finden, viel zu sprechen und trotzdem die anderen Bereiche nicht zu vernachlässigen. Hier ein paar Inhalte der ersten Wochen:

Berichte über die Berlinfahrt
Zwei Lerngruppen nahmen kurz vor meiner Ankunft an einer Exkursion nach Berlin teil. Dort verbrachten sie eine Woche und wohnten bei Gastfamilien in der Stadt. Der direkte Kontakt zur deutschen Sprache und Kultur gab den Teilnehmer*innen einen Motivationsschub. Diese Fahrt war natürlich ein optimaler Anlass, um über ihre Erlebnisse der Woche zu sprechen und schriftlich festzuhalten. So konnten die Erfahrungen auch nochmal reflektiert werden („Der Döner ist viel billiger und besser als in Schweden“ / „In Deutschland wird noch viel mit Bargeld bezahlt“).

Vorstellung des deutschen (bzw. bayerischen) Schulsystems
Arbeitsblatt

Arbeitsblatt | © Matthias Pflügner 

Mit Hilfe von Bildern und Grafiken versuchte ich den Schüler*innen aller vier Lerngruppen das deutsche bzw. bayerische Schulsystem etwas näherzubringen. Ein schwieriges Vorhaben, ist dieses komplizierte Konstrukt ja schon für Muttersprachler*innen schwer in Worte zu fassen. Wir versuchten es mit einer Mischung aus Deutsch und Englisch.

Ich erzählte aus meinen praktischen Erfahrungen aus der Mittelschule und die Schüler*innen verglichen ihre bisherigen Schulerfahrungen aus Schweden damit. Besonders interessant fanden die Schüler*innen das „Sitzenbleiben“ — also den Fakt, dass es in Deutschland durchaus möglich ist, nicht in die nächste Klassenstufe versetzt zu werden. Um den Wortschatz zum Thema Schule und Berufe zu üben, sollten sich die Schüler*innen fiktive Schullaufbahnen bzw. Lebensläufe überlegen und ihre Personen abschließend vorstellen.

Pecha kucha über Erlebnisse der Segelzeit
Wie in Blogeintrag 1 beschrieben, verbringen die Schüler*innen des Gymnasiums pro Schuljahr einige Wochen am Stück auf dem Segelschiff, der T/S Gunilla. Eine der Deutschlerngruppen war erst ein paar Wochen vor meinem Start von ihrer Reise durch den Atlantik zurückgekehrt. Vor ihrer Abreise auf das Schiff bekamen sie von der Deutschlehrerin die Aufgabe, interessante Dinge auf ihrer Reise zu dokumentieren. Zurück in Schweden sollten sie dann ein sogenanntes Pecha Kucha vorbereiten, um den Mitschüler*innen diese Dinge zu präsentieren.

Exkurs: Was ist Pecha Kucha?

Pecha Kucha ist eine Präsentations- und Vortragsmethode mit genauen Vorgaben zu Dauer und Umfang des Vortrags: Zu jedem Thema dürfen exakt 20 PowerPoint-Folien gezeigt werden, die für jeweils 20 Sekunden sichtbar sind. Der Vortrag ist mündlich und frei, Texte auf den Folien sollten vermieden werden. Ziel sind kurzweilige, auf das Wichtigste fokussierte, Vorträge.

In meiner zweiten Woche kam ich in den Genuss dieser lustigen Kurzreferate über Statuen, Straßen, Gebäude, Essen und Polizist*innen auf den Segelstationen der Schüler*innen (u.a. in den Kanaren, in Kapverden, im Senegal, Suriname und auf Grenada).

Nationale Prüfungen für die Abreisenden aufs Segelboot

Während die einen also wieder im schwedischen Alltag angekommen sind, hieß es für die andere Deutschgruppe Vorbereitung und Vorfreude auf acht Wochen Segelschiff. Zuvor mussten diese Lernenden jedoch noch ihre Nationalen Prüfungen ablegen. Im Fach Deutsch durfte ich beim mündlichen Teil dabei sein. Dort beschrieben die Schüler*innen Bilder zu verschiedenen Urlaubszielen (Camping, Strand, Skiurlaub) und diskutierten in einer Kleingruppe, welches Ziel ihnen am besten gefällt.

Von den anfangs vier Deutschlerngruppen waren für die nächsten zwei Monate also nur noch drei Gruppen an der Schule. Der dadurch entstandene „deutschfreie Donnerstag“ ermöglichte es mir, an Donnerstagen eine Grundschule kennenzulernen und im Fach Deutsch zu unterstützen: The English School of Gothenburg. Mehr dazu in einem weiteren Blogeintrag.
Deutschlerngruppe

Deutschlerngruppe | © Robert Schwegele

Autor

Robert, Mittelschullehrer im Allgäu (Deutsch, Englisch, Musik und Sozialkunde) besuchte von März bis Juni 2025 die Öckerö seglande gymnasieskola an der Westküste von Schweden.

 

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