Integration beginnt im Heimatland

Wie bereiten sich Menschen auf ein Leben in einem völlig neuen Land vor? Das Goethe-Institut bietet dafür umfassend Unterstützung: Persönliche Beratung, interkulturelle Vorbereitung und Virtual-Reality-Erlebnisse helfen, den Übergang ins neue Leben zu erleichtern. Dabei geht es nicht nur um praktische Informationen und um Sprachkenntnisse, sondern z. B. auch um die Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede oder den Umgang mit Diskriminierung.
Von Emrike Knoche
Ankommen ist mehr als nur die physische Ankunft an einem neuen Ort – es beginnt lange davor. Das Goethe-Institut bietet weltweit umfassende Angebote, um Menschen auf das Leben, Arbeiten und Lernen in Deutschland vorzubereiten. Dazu zählen persönliche Beratungen, Informationsveranstaltungen oder kultursensible Trainings. Behandelt werden Themen wie das Gesundheitssystem, Wohnen, Lebenshaltungskosten, Familiennachzug sowie Einblicke in verschiedene Berufsbranchen und Ausbildungsmöglichkeiten. Ziel ist es, Menschen, die sich auf Deutschland vorbereiten, ein realistisches Bild von Deutschland zu vermitteln, Erwartungen zu klären und Orientierungshilfen für Integrationsangebote und Anlaufstellen in Deutschland und im Herkunftsland zu geben.
In Südostasien etwa ist Sombatua Sihotang aus Indonesien Regionalkoordinator des Teilprojekts Vorintegration des Projekts „Vorintegration und Übergangsmanagement“, kofinanziert vom Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der Europäischen Union, und begleitet viele junge Menschen, die den Weg nach Deutschland suchen – sei es für Arbeit, Ausbildung oder Familiennachzug. Doch trotz der großen Hoffnung auf ein besseres Leben gibt es auch Sorgen vor Rassismus und Diskriminierung: „Viele unserer Teilnehmenden fragen uns, ob sie als Ausländer*innen in Deutschland noch sicher leben können“, berichtet Sihotang. Politische Entwicklungen und Wahlergebnisse in Deutschland erreichen Indonesien und prägen das Bild von Deutschland. Die Angebote des Projekts der Goethe-Institute in Südostasien versuchen genau hier anzusetzen: Neben Beratung zu formalen Aspekten von Migration und Familiennachzug werden auch Themen wie Anti-Diskriminierung behandelt. Sihotang sieht noch viel Potenzial: „Wir brauchen mehr Schulungen, um besser auf diese Ängste eingehen zu können, und eine stärkere Vernetzung mit allen Akteuren vor Ort, die Migrant*innen unterstützen.“ Denn Deutschland bleibt trotz aller Herausforderungen für viele Indonesier*innen ein attraktives Land.
Ganz anders – und doch mit ähnlicher Wirkung – nähert sich das Goethe-Institut in der Türkei dem Thema mit Virtual-Reality-Technologie. Wie fühlt es sich an, zum ersten Mal in Deutschland den Bus zu nehmen, eine Apotheke zu betreten oder den ersten Arbeitstag im Pflegebereich zu meistern? Für viele Menschen, die nach Deutschland kommen wollen, sind solche Alltagssituationen zunächst mit Unsicherheiten und Ängsten verbunden. Genau hier setzt das Virtual-Reality-(VR)-Angebot des Goethe-Instituts in der Türkei an. Mit einem VR-Headset tauchen die Teilnehmenden in realistische Alltagsszenarien ein, die sie auf das Leben in Deutschland vorbereiten. Sie stehen plötzlich vor einer deutschen Apotheke, fahren Bus, besuchen ein Amt oder erleben einen typischen Arbeitstag. „Diese Szenarien haben eine reale Wirkung“, berichtet Lale Erol Un vom Goethe-Institut in Izmir. Im Anschluss folgen Reflexionsphasen und interaktive Aufgaben. Die Rückmeldungen der Teilnehmenden sind beeindruckend: Viele berichten, dass die Angst vor dem ersten Amtsbesuch gewichen ist, weil sie nun wissen, was sie erwartet. Andere bekommen zum ersten Mal einen realitätsnahen Eindruck, wie das Leben in Deutschland wirklich aussieht. Die Effekte der virtuellen Erfahrungen überraschen selbst die Verantwortlichen.
„Besonders berührend finden wir, wenn jemand sagt, ich habe mich zum ersten Mal als Teil der Gesellschaft gesehen. Das VR-Projekt ist mehr als ein technisches Werkzeug – es ist ein Türöffner – sowohl emotional als auch sozial“, so Lale Erol Un. Der Blick in die Zukunft ist klar: Das Projekt soll wachsen. Geplant sind neue VR-Szenarien, etwa zu Schule und Krankenhaus: „Unser Ziel ist es, VR noch stärker in Beratung und Unterricht als festen Bestandteil einer realitätsnahen Integrationsförderung zu verankern.“