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Die Rolle der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in Zeiten globaler Umbrüche

Johannes Ebert und Kai Sicks im Interview
Foto: © Marcus Sporkmann

Wenn internationale Beziehungen zunehmend unter Druck geraten, gewinnen kulturelle und wissenschaftliche Netzwerke an Bedeutung. Dr. Kai Sicks, Generalsekretär des DAAD, und Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, sprechen über die sicherheitspolitische Relevanz ihrer Arbeit, Anknüpfungspunkte für beide Organisationen im Koalitionsvertrag und neue Formen der Zusammenarbeit.

Herr Dr. Sicks, Herr Ebert, warum ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) gerade jetzt so wichtig?

Kai Sicks: Sie stabilisiert internationale Beziehungen, indem sie Netzwerke mit der Zivilgesellschaft anderer Länder aufbaut. In einer Zeit wachsender globaler Unsicherheit sind solche Verbindungen essenziell. Gerade dann, wenn diplomatische Beziehungen auf außenpolitischer Ebene stärker herausgefordert werden, braucht es tragfähige Beziehungen auf subnationaler Ebene – zwischen Hochschulen, Kultureinrichtungen und anderen Institutionen. Diese Kontakte helfen, auch schwierigere Zeiten zu überbrücken – und sie bieten eine Grundlage für künftige Zusammenarbeit. Ganz aktuell sehen wir das angesichts der komplizierten Lage in den USA, wo unsere Netzwerke ein Fundament für langfristige transatlantische Kooperationen unabhängig von kurz- bis mittelfristigen politischen Entwicklungen bieten.

Johannes Ebert: Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik lebt von persönlichen Begegnungen – zwischen Menschen, Gesellschaften und Kulturen. Organisationen wie der DAAD und das Goethe-Institut schaffen Räume für Austausch in Wissenschaft, Kultur und Sprache. Gerade in Zeiten wachsender globaler Spannungen zeigt diese Arbeit: Deutschland steht für freiheitliche Werte, kulturelle Vielfalt und wissenschaftliche Offenheit.
Diese Verbindungen sind langfristig tragfähig. Der DAAD feierte kürzlich sein 100-jähriges Bestehen, das Goethe-Institut wird bald 75 Jahre alt.

Kai Sicks: Und diese Langfristigkeit gilt auch für die Begegnungen, die wir ermöglichen. Sie wirken oft ein Leben lang nach. Es entstehen Bildungsbiografien: Menschen kommen für ein Studium oder einen Sprachkurs nach Deutschland, verbringen hier ein Jahr oder länger – und entwickeln dabei nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch persönliche Bindungen. Diese Erfahrungen prägen. Im Rahmen unserer 100-Jahr-Feier in Berlin haben so viele unserer Alumni berichtet, wie sehr sie die Förderung und Begleitung durch unsere Institutionen beeinflusst hat – das hat mich sehr bewegt. In einer Zeit, in der vieles schnelllebig und kurzfristig ist, schaffen wir Kontinuität und Vertrauen.

Sie haben die sicherheitspolitische Dimension der AKBP angesprochen. Welchen Beitrag können DAAD und Goethe-Institut hier leisten?

Johannes Ebert: Das ist auch für uns ein relativ neues Thema. Dass das Goethe-Institut inzwischen regelmäßig an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnimmt, wäre vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen. Ein Wendepunkt war für mich der russische Angriff auf die Ukraine. Er hat deutlich gemacht, wie zentral Kultur- und Bildungsarbeit für die Resilienz eines Landes sein kann.
Unsere Programme – ebenso wie die des DAAD – stärken die ukrainische Kultur- und Bildungslandschaft bereits seit der Annexion der Krim 2014. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges 2022 haben wir diese Arbeit noch einmal deutlich intensiviert und ausgebaut. Diese enge Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten zivilgesellschaftlichen Akteuren aus der Bildungs- und Kulturlandschaft der Ukraine spielt eine entscheidende Rolle für die europäische Orientierung der Ukraine und wirkt der russischen Propaganda entgegen. Sie stärkt die demokratische Identität des Landes.
Natürlich braucht es militärische Verteidigung. Aber auch unsere Arbeit ist ein unverzichtbarer, vergleichsweise kostengünstiger Beitrag zur Sicherheit. Das müssen wir in der politischen Debatte stärker betonen.

Kai Sicks: Auch im Bereich der Wissenschaftskooperation spielt Sicherheit eine zunehmend wichtige Rolle, zum Beispiel bei der Technologiesouveränität: Nur mit einer international vernetzten Wissenschaft können wir eigene technologische Kompetenzen entwickeln. Es mag paradox erscheinen, aber Souveränität entsteht gerade in der Wissenschaft nicht durch Abschottung, sondern durch vertrauensvolle Partnerschaften.
Dabei müssen wir natürlich sensibel mit unserem Wissen umgehen. Nicht jede Kooperation ist sinnvoll. Auch hier hat der Krieg gegen die Ukraine ein Umdenken ausgelöst. Wir beraten heute viel bewusster, wo Kooperationen möglich sind – und wo klare Grenzen gezogen werden müssen. Mit dem Kompetenzzentrum Internationale Wissenschaftskooperation – kurz KIWi – haben wir hierzu auch eine sichtbare Einrichtung geschaffen.

Wie vertreten der DAAD und das Goethe-Institut konkret deutsche Interessen weltweit?

Johannes Ebert: Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass die AKBP stärker an Interessen und Werten ausgerichtet werden soll. Dazu gehören neben sicherheitspolitischen auch wirtschaftliche Interessen – etwa im Bereich Fachkräfte. Während der DAAD im akademischen Bereich aktiv ist, konzentrieren wir uns stärker auf Auszubildende und beruflich Qualifizierte. Viele, sowohl Studierende als auch Berufstätige aus allen Bereichen, lernen bei uns Deutsch – ein entscheidender Schlüssel zur Integration.

Kai Sicks: Wir als DAAD unterstützen internationale Studierende, bereiten sie auf ein Studium in Deutschland vor und begleiten sie bis in den Arbeitsmarkt. Das ist ein direkter Beitrag zur Deckung des Fachkräftebedarfs. Zudem steigert internationaler Austausch die Qualität von Wissenschaft und Lehre. Viele internationale Studierende bleiben in Deutschland, werden Teil des Wissenschaftssystems und der Gesellschaft und bringen neue Perspektiven ein. Exzellente Forschung und zukunftsrelevante Erkenntnisse entstehen nur im Dialog. Das stärkt unsere Innovationskraft – und liegt klar im nationalen Interesse.

Johannes Ebert: Ein weiterer Aspekt ist das Bild Deutschlands im Ausland. Unsere Aufgabe ist es, differenziert und im Dialog über Deutschland zu informieren – gerade in Zeiten, in denen das internationale Ansehen leidet. Und: Wir bieten Schutzräume für freiheitliche Werte, etwa durch Programme für gefährdete Wissenschaftlerinnen und Künstler.

Ist mit diesen relativ neuen Aspekten unserer Arbeit ein Haltungswechsel verbunden, vielleicht sogar eine Abkehr von Werten, die in der Vergangenheit wichtig waren?

Johannes Ebert: Die Grundprinzipien unserer Arbeit bleiben bestehen: Wir stehen für freiheitliche Werte, für Dialog und Kooperation. Aber wir müssen uns stärker fragen: Wie erreichen wir Menschen, die unsere Werte nicht teilen? Nicht um sie zu bekehren, sondern um Verständigung zu ermöglichen. Dafür brauchen wir neue Formate, müssen noch stärker aus unserer eigenen Blase heraus – das ist die neue Dringlichkeit.

Kai Sicks: Eine zentrale Frage, die uns in der neuen DAAD-Strategie 2030 beschäftigt, ist: Wie stärken wir gesellschaftlichen Zusammenhalt – auch in Deutschland? Dabei spielt eine entscheidende Rolle, dass wir mit unseren Förderungen möglichst unterschiedliche soziale Hintergründe, Perspektiven und Lebensrealitäten berücksichtigen und die Gesellschaft in ihrer Breite abholen.
So entsteht Austausch – und im besten Fall Zugehörigkeit: Menschen, die durch unsere Programme gefördert werden, wirken als Multiplikatoren in ihre Herkunftsmilieus hinein.

Welche Anknüpfungspunkte bietet der Koalitionsvertrag für Ihre Arbeit in den nächsten Jahren?

Kai Sicks: Der Koalitionsvertrag bestätigt unseren Kurs: eine strategischere, interessenorientierte AKBP. Ebenso begrüßen wir die geplanten Visaerleichterungen für internationale Studierende und die Stärkung von Erasmus. Dass der DAAD explizit erwähnt wird und langfristig gestärkt werden soll, ist für uns ein wichtiges Signal.

Johannes Ebert: Der Vertrag erkennt die AKBP als wichtiges Element der deutschen „Soft Power“ an – und betont die Rolle von Kultur als kritischem, kreativem und auch widersprüchlichem Raum. Unsere Aufgabe ist es nun, diese Anknüpfungspunkte sichtbar zu machen – und für die nötigen Ressourcen zu werben.

Wo fruchtet die Zusammenarbeit zwischen Goethe-Institut und DAAD?

Kai Sicks: Unsere Angebote greifen bewusst ineinander, etwa bei der Fachkräftegewinnung. Junge Menschen lernen beim Goethe-Institut Deutsch, kommen über den DAAD an eine Hochschule und werden Teil des Arbeitsmarkts. Wir stimmen unsere Programme eng aufeinander ab.

Johannes Ebert: Unsere Zusammenarbeit funktioniert hervorragend – von der Fachkräfteeinwanderung bis zu Verwaltungsfragen. Besonders wichtig ist die enge Kooperation vor Ort. Viele Menschen haben mit beiden Institutionen Kontakt – das schafft ein dichtes Netzwerk, das Deutschland in seiner Vielfalt sichtbar macht.

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