Buchhandel
Die Neuerfindung des Buchladens

Ocelot in Berlin
Ocelot in Berlin | © Yves Sucksdorff

Fast schon tot geglaubt in Zeiten des blühenden Onlinehandels, erlebt der lokale Verkauf von Büchern in den Großstädten eine Renaissance. Zu Besuch in zwei Berliner „Buchladen-Start-ups“.

Stellen Sie sich vor, Sie sind risikobereit, haben unternehmerisches Talent und wollen mit einem Start-Up in Berlin Geld machen. Sie wissen, dass immer mehr Menschen im Internet einkaufen, und Sie beobachten den großen Erfolg von Onlinehändlern wie Amazon genau. Trotzdem haben Sie die Vision, einen Laden zu eröffnen. Für welches Produkt entscheiden Sie sich?

Nun stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Sie sitzen an einem großen schwarzen Holztisch in einem Laden in der Brunnenstraße in Berlin Mitte. Vor Ihnen steht eine Tasse Cappuccino, rechts liegt ein Stapel Magazine. Das Licht ist warm, die Stimmung entspannt, vielleicht ein bisschen wie in einer edlen Hotelbar. Dies ist Ihr Laden, er läuft gut. Und was verkaufen Sie? Sie verkaufen Bücher!

So unwahrscheinlich es klingen mag: Diesen Buchladen gibt es wirklich. Er heißt Ocelot, ist 18 Monate alt und wird geleitet von einem 38-jährigen Unternehmer namens Frithjof Klepp, der auf die etwas skeptische Nachfrage des Autors antwortet: „Ich bin sehr zufrieden, wir wachsen stark, meine Idee scheint zu funktionieren.“

Der Buchladen als Marke

Doch wie kann eine Geschäftsidee heute noch funktionieren, die im Kern darauf basiert, in einem Laden Bücher zu verkaufen? Die Zahlen kleiner Buchhändler sind rückläufig, 57,8 Prozent am Gesamtumsatz erwirtschafteten sie im Jahr 2001. 48,3 Prozent waren es 2012 – über 15 Prozent weniger. Manche sagen, wie Weltbild-Chef Carel Halff gegenüber der Süddeutschen Zeitung, das Sterben hätte gerade erst angefangen. Der Gesamtmarkt, so Halff, werde noch einmal mindestens 50 Prozent der Flächen stilllegen und eine vergleichbare Zahl von Standorten. Gleichzeitig kaufen immer mehr Menschen Bücher online. Das Internetkaufhaus Amazon hält hierzulande geschätzte 20 Prozent des Buchmarktes – vor zehn Jahren waren es erst 4,5 Prozent.

Und eben genau deshalb, sagt Frithjof Klepp, ist es entscheidend, die Idee Buchladen neu zu denken: „Ein Buchhändler muss heute mehr bieten als nur eine Abholstation für Bestseller.“ Fast ein Jahr hat Klepp an seinem Businessplan getüftelt und sich schließlich für eine Kombination aus vier verschiedenen Geschäftsfeldern entschieden: das Café, den Laden, Veranstaltungen und einen eigenen Online-Shop. „Richtig Geld verdienen wir aber nur mit lokalem Buchverkauf“, betont Klepp. Alles Übrige sei vor allem wichtig, um den Markenkern der Buchhandlung zu definieren.

Tatsächlich ist Ocelot schon jetzt eine Marke, wird auf den Stil-Seiten großer Tageszeitungen als In-Location gefeiert. Von den Designer-Lampen über trendige Papiertüten bis hin zu schicken schwarzen Bleistiften mit Ocelot-Schriftzug: Alles ist auf ein gehobenes Einkaufserlebnis hin konzipiert. „Eine Entwicklung übrigens, die sich ja quer durch alle Branchen zieht“, betont Klepp. „Gerade wer Inhalte verkaufen will, muss auf den Rahmen achten.“

Buchläden als Kulturzentren

Dass der Buchladen in Zeiten von Amazon durchaus noch eine Zukunft hat, davon ist auch Detlef Bluhm überzeugt. Bluhm ist Chef des Berliner Börsenvereins des deutschen Buchhandels und residiert in Westend, quasi am anderen Ende der Stadt. Neugründungen wie den Ocelot beobachtet er dennoch genau. „Ich glaube, das Besondere ist, dass hier junge Buchhändler auf sehr kompromisslose Weise eine bestimmte Vision umsetzen. Und diese Vision hat viel mehr damit zu tun, wie sie sich selbst einen Buchladen wünschen, als mit der klassischen Vorstellung, ein möglichst breites Publikum in ihren Laden zu locken.“

Diese Buchläden neuen Typs, so Bluhm, verstehen sich vor allem als Treffpunkt Gleichgesinnter, als Kulturzentren, die sich eng mit dem jeweiligen Kiez vernetzten. „Das ist, glaube ich, im Moment ein Konzept, das ankommt.“ Zudem sei die Situation in Berlin ohnehin eine besondere. Trotz rückläufigem gesamtdeutschen Trend sei hier die Zahl der Buchhandlungen seit drei Jahren nicht mehr gesunken.

Enge Vernetzung im Kiez

Berliner Buchhandlung Uslar & Rai Berliner Buchhandlung Uslar & Rai | © Markus Schädel Kompromisslosigkeit im Konzept und enge Vernetzung im Kiez sind zwei Merkmale, mit denen sich auch Katharina von Uslar, Geschäftsführerin der jungen Berliner Buchhandlung Uslar & Rai, sehr gut identifizieren kann. Vor einem Jahr entschloss sie sich, zusammen mit dem Schriftsteller Edgar Rai in der Schönhauser Allee einen Buchladen zu eröffnen. Eigentlich aus einem ganz ähnlichen Impuls heraus wie Frithjof Klepp, den sie persönlich kennt, erzählt von Uslar: „Wir haben ganz bewusst genau jetzt gegründet, weil wir glauben, dass wir mit unserem Konzept ein Publikum erreichen können, das ganz ähnliche Vorlieben oder Abneigungen hat, wie wir.“

Lesungen finden Katharina von Uslar und Edgar Rai oft langweilig. Also werden Leute eingeladen, meist Freunde von Freunden, die ihre Lieblingsbücher vorstellen. „Es ist doch einfach höchst spannend, zu erfahren, was welche Leute aus welchen Gründen gerne lesen.“ Auch das Sortiment ist bewusst subjektiv gehalten. „Zwar können und wollen auch wir nicht ganz auf Bestseller verzichten. Trotzdem glaube ich, dass wir vor allem Geld verdienen mit den Leuten, die die Bücher kaufen, die wir auch gut finden.“

Das alles, gibt von Uslar freimütig zu, funktioniere natürlich nur im homogenen Milieu eines Großstadtkiezes wie Prenzlauer Berg. Besonders deutlich werde das zum Beispiel beim Thema Amazon: „Zum einen profitieren wir ganz klar von der aktuellen Negativberichterstattung, die hier im Kiez sehr präsent ist. Zum anderen ist es ja so, dass viele unserer Kunden schon seit langem online einkaufen. Da fühlt es sich dann schon fast wie etwas Neues, Spannendes an, mal wieder im Laden nach einem Buch zu suchen.“