Kinoprogramm Der Blick auf den Anderen

Antiziganismus Filreihe 2024 © Andrea Popyordanova

Do, 11.04.2024 –
Mo, 15.04.2024

Kino Odeon, Blvd. „Patriarch Evtimij“ 1

Eine internationale Auswahl von Filmgeschichten gegen Stereotypen

Goethe-Institut Bulgarien, Arte Urbana Collectif und Kino Odeon präsentieren:

Der Blick auf den Anderen

Eine internationale Auswahl von Filmgeschichten gegen Stereotypen

11. — 15. April 2024
Kino Odeon




Wie würden Kinogeschichten über Roma aussehen, wenn Menschen aus diesen Gemeinschaften die Möglichkeit hätten, die Autoren ihres eigenen Porträtes zu sein? Wenn sie die Drehbücher schreiben würden, wenn sie die Szenen in den Filmen inszenieren und den Kameraeinstellung wählen würden? Was für Kinder würden in unserem Land aufwachsen, wenn sie auch Spielfilme sehen könnten, in denen die Hauptfiguren Roma sind? Superhelden wie Katarina Taikon, Romani Rose, Tom Medina oder Natalia Tsekova, die für das Recht auf ein menschenwürdiges Leben kämpfen und deren Einsatz am Ende von Erfolg gekrönt ist. Was passiert mit einem Menschen, wenn die Gesellschaft ihn mit Respekt behandelt, wenn sie ihm die Möglichkeit gibt, sich selbst mit Respekt zu betrachten? In unserer Filmreihe werden wir Ihnen diese Fragen und Lebenskämpfe näher bringen.

Wir haben die besten unter den neuesten Titeln der europäischen Filmkunst ausgewählt, Spiel- und Dokumentarfilme aus Frankreich, Portugal, Deutschland, Schweden, Rumänien usw., in denen Roma Autoren oder aktive Mitwirkende bei der Gestaltung des Bildes und der Erzählung über sie sind. Bei mehr als der Hälfte der Titel führen Roma, Angehörige anderer Minderheiten oder Frauen Regie. Mit anderen Worten: Die Filme sind von einem Blick geprägt, der für soziale Ungleichheiten und Machtmissbrauch sensibel ist. Der Beitrag, den die Protagonisten für ihre Gemeinschaften leisten, wird ebenso in den Vordergrund gestellt wie der Kampf, den sie gegen die ihnen von außen auferlegte Stigmatisierung führen. Einige der Filmemacher suchen nach alternativen Darstellungsformen, nach einer neuen Filmsprache, um die symbolische, institutionelle, alltägliche und physische Gewalt sichtbar zu machen, die gegen die als „Zigeuner“ bezeichneten Menschen ausgeübt wird.

Die Reihe ist auch eine Art Anlass zur Selbstreflexion für die Filmemacher. Eine der zentralen Fragen dabei ist, wie der Film, als eines der einflussreichsten Medien der Moderne, genutzt werden kann, um antiziganistischen Haltungen entgegenzuwirken, zu denen der Film selbst leider viel beigetragen hat.
 
  • Radmila Mladenova, Kuratorin des Programms
 

KINOPROGRAMM


Donnerstag 11.04.


18:00 Eröffnungsveranstaltung – Programm mit Kurzfilmen
 
  • Fünfzehn Minuten (2022), Regie: Sejad Ademaj, Deutschland, 13 min.
  • Balada de um Batráquio (Die Ballade von einem Frosch) (2016), Regie: Leonor Teles, Portugal, 11 min.
  • Letter of Forgiveness (2020), Regie. Alina Serban, Rumänien, 15 min.
  • Das Casting (2022), Regie. Willi Kubica, Deutschland, 3 min.

Im Kurzfilm-Programm präsentieren wir vier stilistisch unterschiedliche Filme, die uns in die Erzählungen verschiedener Epochen, Orte und Charaktere hineinnehmen. Vom Casting eines Roma- oder Sinti-Schauspielers durch einen zeitgenössischen Regisseur über die auf einem Videoband aufgezeichneten nostalgischen Reminiszenzen bis hin zu einem mysteriösen Brief und einer dramatischen Trennung einer Familie enthalten diese Kurzgeschichten tiefgreifende Botschaften über die Diskriminierung von Roma, von der Vergangenheit bis zur Gegenwart; und mehr noch, über die persönliche künstlerische und soziale Laufbahn der Filmemacher, über die Kollision ihrer Arbeiten mit der Realität, an der wir, die Zuschauer, auch beteiligt sind.
 
Im Anschluss an die Vorführung findet ein Gespäch mit Teodora Krumova und Deyan Kolev vom Zentrum „Amalipe“ statt.


20:00 The Deathless Woman (2019), Regie: Roz Mortimer, UK, 90 min.

Eine ergreifende, poetische Erzählung über den Völkermord an den Roma während des Zweiten Weltkriegs und dessen heutige Bewältigung. Der Film beschwört das Bild einer Roma-Frau herauf, die 1942 von den Nazis ermordet wurde; er nimmt uns mit auf ihre Spuren, um die Geschichte ihrer Familie und der vielen, die ihr Schicksal teilten, zu ergründen. Die Regisseurin nimmt die  Zuschauer auf ihre Reise auf der Suche nach der Wahrheit mit und lässt eine Vergangenheit wieder auferstehen, die auf dem Grund eines Sees liegt.

Roz Mortimer drehte diesen Film acht Jahre lang. Sie nahm an Gedenkveranstaltungen in Polen teil, arbeitete mit Roma-Gemeinschaften in London, Polen und Ungarn und mit Roma-Aktivisten und Akademikern, die als Berater an diesem Projekt beteiligt waren. Das Zusammentragen dieser Zeugnisse weckte in der Filmemacherin ein dringendes Gefühl der Verantwortung, die Geschichte von 500 000 Roma, die während des Zweiten Weltkriegs ermordet wurden, zu erzählen.

 

Freitag 12.04.


18:00 Unrecht und Widerstand (2022), Regie: Peter Nestler, Deutschland, 113 min.

Der Film erzählt die Geschichte verschiedener Formen des Widerstands von Sinti und Roma in Deutschland über einen Zeitraum von acht Jahrzehnten. Eine Revolte gegen Ungerechtigkeit und ein Kampf um die Bewahrung der Menschenwürde. Durch die Familiengeschichten können wir den Mut und die Entschlossenheit, aber auch das große Leid einer Minderheit erleben, die in den Nachkriegsjahren und bis heute beispiellose Ungerechtigkeit erdulden muss. Der Film schildert einen langen Weg, der von der Rechtlosigkeit und Diskriminierung bis zur Bürgerrechtsbewegung führt, bei der die offizielle Anerkennung des Genozids an dieser Minderheit, die erst 1982 erfolgte, eine große Rolle spielte.
 

Samstag 13.04.


15:30 Programm mit zwei bulgarischen Filmen:

Debüt (2013), Regie: Andrey Hristozov, Bulgarien, 28 min.

Rumen ist ein junger Schachspieler, der in Armut und sozialer Isolation aufgewachsen ist. Trotz der Entbehrungen, die ihm das Leben beschert, kämpft er weiter um den Sieg.

Eine bewegende Geschichte über Talente, die ohne jede Perspektive geboren wurden, und über Menschen, die an sie glauben.



Zigeunerleben ist fröhlich (2017), Regie: Lyudmila Zhivkova, Bulgarien, 56 min.

Der Debütfilm von Ljudmila Zhivkova erzählt die unbekannte Geschichte der Rettung der bulgarischen Roma während des Zweiten Weltkriegs. Der Titel ist dem gleichnamigen Lied entnommen, das die Roma in den Konzentrationslagern in Europa singen mussten. Eine Geschichte über die Geretteten und die Ungeretteten, über das Gedächtnis.
 
Im Anschluss an die Filmvorführung findet ein Gespäch mit den Regisseuren Ljudmila Zhivkova und Andrej Hristozov statt.

17:30 An Open Mind. Der offene Blick (2022), Regie: Peter Nestler, Österreich/Deutschland, 101 min.

Eine Dokumentation über Künstler aus der Minderheit der Sinti und Roma, die in ihren Werken oft schmerzhafte Traumata aus ihrer Verfolgung durch das Naziregime im 20. Jahrhundert zum Ausdruck bringen. Der Film gibt uns einen aufrichtigen Blick auf eine kreative und lebendige Kunstszene und setzt sie in Kontrast zu den feindseligen Klischees, denen Sinti und Roma vor allem in der Kunstwelt oft ausgesetzt sind. Sorgfältig komponiert als eine Art Bilderpalette, sensibilisiert der Film für marginalisierte Kunst und zeigt den kreativen Akt als permanenten Akt der Rebellion.

Der Film ist ein wertvolles Dokument über das Leben von Sinti und Roma, die über das Trauma der Verfolgung sprechen, wobei ihre persönlichen Erfahrungen zum Gravitationszentrum ihres Schaffens werden. Peter Nestler gelingt es, dies für den Zuschauer greifbar zu machen, indem er die Künstler ohne kulturelle Fixierungen und Stereotypen vorstellt und versucht, ihren Geschichten gegenüber open-minded und „offen“ zu sein.

 
Im Anschluss an die Vorführung findet ein Gespäch mit Raina Dimitrova und Zornitsa Stoichkova von der HESED Health and Social Development Foundation statt.
 

Sonntag 14.04.


15:30 Manusha - Die kleine Romahexe (2011), Regie: Tomislav Zhaja, Kroatien, 98 min.

„Manusha - Die kleine Romahexe“ ist eine Komödie, die die Geschichte einer ungewöhnlichen Roma-Familie aus der Sicht des zehnjährigen Mädchens Manusha erzählt. Nach dem Tod von Manushas Großmutter Ilonka bemerken ihre Eltern, die in alltägliche Probleme stecken, nicht einmal die seltsamen Vorfälle in ihrem Haus. Manusha erkennt schnell, dass die Seele ihrer verstorbenen Großmutter im Haus geblieben ist und versucht mit Hilfe ihres Freundes Zdenko, dem Sohn des Bestatters, den unruhigen und erzürnten Geist zu beruhigen. Nach und nach entdeckt Manusha ein dunkles Familiengeheimnis aus vergangenen Zeiten, das ihr helfen wird, sich dem Fluch zu stellen, der auf ihrer verstorbenen Großmutter und ihrer ganzen Familie lastet.


17:30 Taikon (2015), Regie: Lawen Mohtadi und Gellert Tamas, Schweden, 90 min.

Man vergleicht sie mit Martin Luther King! Sie wurde in einem Zelt geboren und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Lauf der schwedischen Geschichte zu verändern. Als junges Mädchen wurde ihr die Ausbildung verwehrt, mit Ende 20 lernte sie lesen und wurde später eine der meistgelesenen Autorinnen Schwedens. Mit ihren Büchern über das junge Roma-Mädchen Katitzi inspirierte sie eine ganze Generation von Kindern.
Ihre Geschichte handelt auch von der Entstehung der modernen sozialen schwedischen Gesellschaft und einem Teil von ihr, der in Vergessenheit geraten ist – die Roma-Minderheit.

Dies ist ein Dokumentarfilm über das Leben der Roma-Schriftstellerin und Aktivistin Katerina Taikon: eine außergewöhnliche Geschichte einer entschlossenen Frau, die zu einer wichtigen Stimme für Freiheit und Menschenrechte wurde, als die Roma in Schweden um ihre Rechte und eine bessere gesellschaftliche Stellung kämpften.

 
Im Anschluss an die Vorführung findet ein Gespräch mit Ognyan Isaev vom Trust for Social Alternative statt.
 

Montag 15.04.


14:30 - 17:30 Kurzprogramm für Schülerinnen und Schüler im Veranstaltungssaal des Goethe-Instituts Bulgarien
 
  • Mein Zigeunerweg (2020), Regie: Wilma Kartalska, Bulgarien, 27 min.
  • Das Casting (2022), Regie: Willi Kubica, Deutschland, 3 min.

Es wird eine spezielle Filmvorführung und ein thematisches Treffen mit der Schauspielerin Natalia Tsekova als Gast geben.


18:00 Tom Medina (2021), Regie: Tony Gatlif, Frankreich, Schweiz, 100 Min.

Der Regisseur Tony Gatlif setzt sich häufig mit seiner eigenen Geschichte und Herkunft als algerischer Roma auseinander, und „Tom Medina“ macht da keine Ausnahme. Der Film ist inspiriert von dem Lehrer, der ihm nach seiner Flucht aus Algerien geholfen hat, sowie von seinen eigenen Erfahrungen als Flüchtling. Der Film spielt in der Camargue, einer sumpfigen Region in Südfrankreich, die für ihre vielfältige Tierwelt bekannt ist. Tom Medina (David Murgia) wird von einem Jugendgericht dorthin geschickt, um unter der Obhut von Ulysses (Slimane Dazi) zu arbeiten, einem Mann mit einem großen Herzen, der sich bemüht, den Menschen in Schwierigkeiten auf seinem Bauernhof zu helfen. Tom hingegen kämpft damit, sich durchzusetzen; neben seiner Sturheit behindert eine traumatische Vergangenheit seine Fortschritte.
 

Antiziganismus Poster © Andrea Popyordanova


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Die Filmreihe wurde vom Goethe-Institut München als eine Initiative zur Förderung der Zivilgesellschaft und des demokratischen Dialogs konzipiert.

Radmila Mladenova ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Antiziganismusforschung des Historischen Seminars der Universität Heidelberg und Kuratorin des Programms "Der Blick auf den Anderen". Ihre Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Bulgarien begann 2021 mit dem Projekt Media Incubator, in dessen Rahmen sie als Mentorin eingeladen wurde. In ihrem Vortrag analysierte sie über 120 Spielfilme und 35 Dokumentarfilme von der Stummfilmzeit bis zur Gegenwart, die Stereotypen und Antiziganismusbilder verstärken, die bereits zu Klischees geworden sind. 



Das Projektteam:

Idee - Marina Ludemann
Kuratorin - Radmila Mladenova
Koordinatorin Goethe-Institut Bulgarien - Elizabeta Zaykova
Durchführung Verein "Arte Urbana Collective": Evi Karageorgu, Ralitsa Assenova, Daniel Simeonov, Maria Dacheva
Kommunikation Goethe-Institut Bulgarien - Kalina Ivanova
Visuelle Identität 
- Andrea Popyordanova
 

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