Dokumentation Ankersentrum (surviving in the ruinous ruin)

Mobile Hörstation, Deutscher Pavillon, Venedig Biennale 2019 Goethe-Institut Athen / Vangelis Patsialos

Mi, 11.03.2020 –
Di, 31.03.2020

Bibliothek

Mobile Hörstation

Natascha Süder Happelmann
Ankersentrum (surviving in the ruinous ruin), 2019
Mobile Hörstation – Klangaufnahmen, Videos, Texte
Deutscher Pavillon, 58. Biennale Arte di Venezia 2019

 
 
Die Künstlerin Natascha Sadr Haghighian ist dafür bekannt, dass sie mehrere Identitäten annimmt. Ihre offiziellen Pressemitteilungen und Biographien, die man in Galerien findet, widersprechen sich in Bezug auf Herkunftsland, Geburtsdatum und Wohnort. N. S. Haghighian wurde ausgewählt, Deutschland auf der Venedig Biennale 2019 zu vertreten. Dafür schuf sie die Persona von Natascha Süder Happelmann und trug eine Maske während der Pressekonferenz zur Ankündigung der Nominierung.
 
Die Künstlerin und ihre persönliche Sprecherin Helene Duldung, die schon zur ersten Pressekonferenz des Pavillons im Oktober 2018 gemeinsam in Erscheinung traten, erklärten den deutschen Pavillon für die Laufzeit der Biennale zum „Ankersentrum“. Auf der Suche nach den unsteten Formen und Möglichkeiten von Überleben, Widerstand und Solidarität werden immer wieder auch Ruinen in Beschlag genommen, umgewidmet, umgebaut, bewohnt. Dabei ist die Ruine selbst weniger von Bedeutung, ihre Aneignung umso dringlicher. Das Ankersentrum bestand aus einer raumgreifenden Installation, die mit ihren baulichen, skulpturalen und klanglichen Elementen den Raum des deutschen Pavillons für eine unmittelbare somatische Erfahrung öffnete.
 
Das Herzstück der Installation im Deutschen Pavillon mit dem Titel „Ankersentrum (surviving in the ruinous ruin)“ war die Klangkomposition "Tribute to whistle". Natascha Süder Happelmann beauftragte sechs Musiker*innen/ Komponist*innen aus unterschiedlichen musikalischen Traditionen und Genres, Beiträge für Trillerpfeife zu schaffen. Über jeweils acht Kanäle erklangen diese Kompositionen im Pavillon, sie überlappen sich unterschiedlich und bilden permanent neue klangliche Eindrücke.
 
„Tribute to Whistle“ wurde in einer raumgreifenden Gerüststruktur präsentiert und lässt sich nicht ohne weiteres auf andere Räume übertragen. Ab Januar 2020 zeigt das Goethe-Institut die Klangkomposition als eine reisende mobile Hörstation, die jetzt einen Halt in Sofia macht.
 
Die mobile Hörstation, die in der Structura Galerie zwischen 11 und 31 März zu sehen ist, enthält neben der Klangkomposition noch folgende Teile:
  • die Videos, die im Vorfeld der Eröffnung der 58. Biennale von Natascha Süder Happelmann produziert wurden und die als Teil der gesamten künstlerischen Arbeit fungieren. Die Videotrilogie markierte den Weg zum Ankersentrum. Unkommentiert bezeugt und verknüpft sie Orte wie die Ankerzentren in Bayern, Tomatenplantagen in Apulien und ein Rettungsschiff im Zollhafen von Trapani.
  • einem Schallplattenspieler mit der Vinylfassung von „Tribute to Whistle“ der Klanginstallation die im Pavillon zu hören war, mit Musikbeiträgen von Jessica Ekomane, Maurice Louca, DJ Marfox, Jako Maron, Tisha Mukarji und Elnaz Seyedi.
  • Texten aus dem Pavillon-Katalog. Als wesentlicher Bestandteil des künstlerischen Beitrags erscheint die von Maziyar Pahlevan gestaltete Publikation „Ankersentrum (surviving in the ruinous ruin)“ bei Archive Books. Sie enthält Gedichte, Zeichnungen, Fotografien und Texte von Natascha Süder Happelmann, Nida Ghouse, Franciska Zólyom, Helene Duldung, Rheim Alkadhi, Aino Korvensyrjä, David Jassey, Rex Osa, Jasper Kettner, Fritz Lazlo Weber und Felix Meyer. 
Mehr zu „Ankersentrum (surviving in the ruinous ruin)“ ist auf der Website des Pavillons zu sehen. 
 

Natascha Sadr Haghighians transmediales Werk behandelt Fragen der Sichtbarkeit und Kollektivität – oft in Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und Kollektiven. Raumgreifendende Installationen werden verknüpft mit In situ Performances, Online Auftritten oder Publikationen und bilden gemeinsam ein interspezifisches Habitat für Haghighians künstlerische Arbeit. Die Frage, wie sich etwas formiert und organisiert, steht dabei im Mittelpunkt.

Am 27. März um 17 Uhr findet in der Structura Galerie ein Gespräch über den deutschen Beitrag auf der Venedig Biennale 2019 statt mit den Kuratoren Ludwig Seyfarth und Dorothee Albrecht

Ludwig Seyfarth ist Autor und Kurator aus Berlin. Er schreibt sowohl für Ausstellungskataloge als auch für die Kunstpresse und war Gastprofessor an Kunsthochschulen in Braunschweig, Hamburg und Münster. 2007 erhielt er den ADKV-Art Cologne-Preis für Kunstkritik. Er hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert, die vom Kunsthaus Hamburg über die Villa Merkel in Esslingen am Neckar bis zum ZKM in Karlsruhe reichen. Seit 2010 ist er Kurator für KAI 10 | Arthena-Stiftung in Düsseldorf. Er ist Vorstandsmitglied der AICA Deutschland.

Dorothee Albrecht ist Kuratorin und Künstlerin, ebenfalls wohnhaft in Berlin. Sie war Co-Kuratorin von The Ultimate Capital is the Sun - Stoffwechsel in zeitgenössischer Kunst, Politik, Philosophie und Wissenschaft (nGbK, Berlin, 2014), von anderen möglichen Welten - Vorschläge auf dieser Seite der Utopie (nGbK, Berlin, 2011) und der Internationalen Biennale für zeitgenössische Kunst in Göteborg (2011). Sie war stellvertretende Kuratorin der Biennale von Sao Paulo (2010) und Forschungskuratorin der Triennale von Guangzhou (2008). Albrecht ist Gründungsmitglied der Kunsthalle Berlin-Lichtenberg und von Dreams of Art Spaces Collected und World Wide Weaving.

Zurück