Zwei avantgardistische Wohnhäuser des Architekten Le Corbusier, die 1927 auf der Weißenhofsiedlung in Stuttgart errichtet wurden, sind zum Welterbe ernannt worden. Ein später Triumph für die Errungenschaft der Moderne, in deren Zentrum einst die württembergische Landeshauptstadt stand.
"Damenfahrerin" mit Mercedes-Benz vor dem Le Corbusier-Haus | 1928 | Foto: Mercedes-Benz Classic
Eine Fotografie aus den späten 1920er-Jahren zeigt im Vordergrund einen Mercedes Benz, Typ 8/38 PS-Roadster, an der Fahrertür, mit einem Fuß auf dem ausladenden Trittbrett, steht eine junge Frau, eine „Damenfahrerin“, wie man in den Zwanzigerjahren sagte, dahinter ganz in Weiß ein Gebäude, dessen ikonische Strahlkraft bis heute wirksam bleibt: Es ist eines der Erstlingswerke von Le Corbusier (1887–1965), ein Doppelwohnhaus und Teil eines Ensembles in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung. Anlässlich der vom Deutschen Werkbund ausgerichteten Ausstellung Die Wohnung wurde dieses Gebäude 1927 fertiggestellt.
Sportlich und elegant
Längst ist das Szenario im Vordergrund von der Geschichte überschrieben. Das Fahrzeug ist ein viel geschätzter Oldtimer, die selbstbewusste Haltung der emanzipierten Frau mit Führerschein ist heute eine Selbstverständlichkeit. Die radikale Geste aber, die scheinbar gegensätzlichen Welten wie Sportlichkeit und Eleganz, schlichte Einfachheit und Noblesse, Qualität und Wirtschaftlichkeit, Architektur und Wohnungsfrage zu einem neuen Lebensgefühl vereinigte, bleibt bis heute gültig und ist unvergänglich in den Bau eingeschrieben. Es verwundert daher nicht, dass diese zwei Wohnhäuser zusammen mit weiteren 15 Bauten in sieben verschiedenen Ländern aus dem Atelier Le Corbusier im Juli 2016 von der UNESCO als Welterbe anerkannt wurden.
Doch nicht alle Bewohner schätzten den freien Grundriss des Gebäudes. Zwischen 1933 und 1984 wurde der Bau kontinuierlich verändert. Erst 2002 ergab sich durch einen Besitzerwechsel die Chance für eine umfassende denkmalgerechte Instandsetzung und die Umnutzung zum Museum. Vorbildlich und nachhaltig sanierte das Stuttgarter Büro Architektur 109 das Gebäude im Auftrag der Wüstenrot-Stiftung. Die Gebäudeproportion und Fassadengestaltung wurde wiederhergestellt, ohne dabei die Veränderungen der letzten Jahrzehnte gänzlich zu tilgen.