Kochkunst
Der Geschmack von Weihnachten

Weihnachtsgans mit Rotkohl und Klößen
Weihnachtsgans mit Rotkohl und Klößen | Foto: Dar30, Colourbox

Die bekanntesten tschechischen und deutschen Weihnachtsrezepte haben einiges gemeinsam. Doch sobald es um regionale Gerichte geht, werden die Übereinstimmungen rar. Offenbar gibt es in jedem böhmischen, mährischen und schlesischen Tal eine eigene Suppen-, Soßen- oder Bratenspezialität, die nur an diesem Ort gemacht wird.

Von Petra Pospěchová

Die böhmisch-deutsche Grenze war kulinarisch immer durchlässig, und das nicht nur in Bezug auf die vielen Knödelsorten. Auch beim Weihnachtsschmaus kommen beide Nationen in mehrerlei Hinsicht zusammen. Im tschechischen wie auch im deutschen Festtagsmenü findet sich der im Essigsud zubereitete „Karpfen blau“. Und Ente oder Gans mit Rotkraut, das beliebte deutsche Weihnachtsessen, gibt es in Tschechien während der Feiertage ebenfalls. Allerdings nicht an Heiligabend, sondern erst zwei Tage später.

Weihnachtsstriezel allenorten

Manchmal sind die Unterschiede schon wenige Kilometer nach der Grenze unübersehbar. Dies zeigt sich anschaulich beim süßen Gebäck. Während es auf deutscher Seite Stollen gibt, sind es in Domažlice calty oder vánočky – Weihnachtsstriezel ist wohl der treffendste Oberbegriff dafür im Deutschen.

In Tschechien trägt er je nach Region einen anderen Namen, von pletenice (etwa Geflecht) über štrucle, štrycle und trucle (in diesen Worten steckt der Striezel) bis zu štědrovnice (von Štědrý den, Heiligabend). In der Region Kladno spricht man von húsky. In irgendeiner Abwandlung findet sich der Weihnachtsstriezel bis heute in ganz Tschechien. Daneben warten die meisten Regionen aber noch mit einer eigenen Backspezialität auf. Im Riesengebirgsvorland werden kleine peciválky gebacken, mit Mohn gefüllt und mit Zuckerrübensirup übergossen. In einigen Teilen des Iserlandes (Pojizeří) gibt es wiederum Kugeln aus frittiertem Teig. In und um Nepomuk gehören größere, mit Zwetschgenmus gefüllte Buchteln zur Tradition. Sie werden nach dem Backen in drei Teile gebrochen und heißen nakrajovánky. In Moravské Kopanice übergießt man gebackene und gebrochene pupáky mit heißer Milch.

Manche Sorten Weihnachtsgebäck sind mit Honig, Marmelade oder Gelee gefüllt oder bestrichen. In der ethnografischen Anthologie des tschechischen Volkes fand Čeněk Zíbrt dafür folgende Erklärung: „Zu Weihnachten essen treue Christen mehr Früchte als sonst, in Erinnerung an die süße Frucht des neugeborenen Sohn Gottes.“ Doch nicht nur Gebäck, auch Waffeln werden traditionell in Honig oder andere Süßigkeiten getaucht. Bis heute sind sie vielerorts der Auftakt zum Weihnachtsschmaus an Heiligabend. Erst danach kommt die Suppe an die Reihe: In Gebirgsregionen eine Linsensuppe oder eine reichhaltige Kartoffelsuppe, in Strakonice, Český Brod oder Písek eine Fisch- oder Rogensuppe. 

Schwarze Soße mit Lebkuchen

Während in Deutschland zu Weihnachten in vielen Häusern Bratwurst mit Kartoffelsalat auf den Tisch kommt, liegt in Tschechien eindeutig der panierte Karpfen vorne. Doch das war nicht immer so. Früher lieferten die Teichregionen auch andere Fische, zum Beispiel Schleien oder Welse. Auch die Zubereitung war vielfältiger. Beliebt waren der bereits erwähnte Fisch im Essigsud („blau“) oder Karpfen in mit Lebkuchen angedickter Fruchtsoße („schwarz“). Beide Rezepte haben in den letzten Jahren ein kleines Comeback erlebt.
 
Aus dem Iserland stammen außerdem Karpfen auf Äpfeln mit Kümmel und Speck sowie Karpfen natur mit Knoblauch und Zwiebeln. Karpfen im Weinmantel kennen wir wiederum aus Südmähren. In Pilsen wird er in manchen Familien angeblich auch im Bierteig ausgebacken.

In größeren Städten haben sich neben Fisch nach und nach auch „bourgeoise“ und ausländische Spezialitäten durchgesetzt. So hat Prag den französischen Brauch der Weihnachtsschnecken übernommen. Manche bereiten sie bis heute zuhause zu, andere gehen in spezielle Prager Restaurants, die diese Tradition aufrecht erhalten. Und auch die nicht gerade typisch tschechische, in Deutschland dafür umso beliebtere Weißwurst, findet sich auf unserer Seite der Grenze, und zwar in der Gegend von Aš.

Himmlische Pilze

Fleisch auf der Weihnachtstafel war seit jeher ein Zeichen der Fülle. Viele andere Gänge und Zutaten hatten jedoch eine viel kompliziertere, rituelle Bedeutung. Pilze zum Beispiel tauchen in vielen Gegenden und in vielerlei Gestalt auf. In Domažlice werden Gebäckstücke aus Brotteig, rozpíčky, in eine Pilzsoße getunkt. Andernorts kommen die Pilze in überbackene Speisen. Der südböhmische kuba wird mit dem Hexenröhrling zubereitet, der dem Gericht seine typische „schwarze“ Farbe verleiht. Bei Tábor kommen auch noch Kartoffeln hinein. Dort heißt er nicht kuba, sondern maňas, ein altböhmischer Ausdruck für Marionette. Der Grund: Der Verzehr hält angeblich das ganze Jahr über gelenkig. 

Der houbovník mit Brötchenstückchen aus dem Iserland sollte wiederum allen, die ihn kosten, Glück fürs neue Jahr bringen. Damit der Gang nicht zu trocken ausfiel, bekamen die Gäste dazu noch roprachtické zelí, saures Rotkraut. Aus der Gegend von Jilemnice stammt der hubník oder houbovec, eine Art Auflauf mit Pilzen aus eingeweichten Brötchen oder Griesbrei. Warum Pilze an Weihnachten so beliebt sind, bleibt ein Geheimnis. Auch die Erklärungsversuche der alten Kräuterkundler sind nicht völlig zufriedenstellend. Ihrer Ansicht nach sind Pilze himmlischer Herkunft. 

Svarba und Weihnachtssuppe 

Eine weitere symbolische Zutat der Weihnachtstafel war Knoblauch. Unsere Vorfahren schrieben ihm viele magische Fähigkeiten zu. Früher wurde er deshalb sogar Tieren verabreicht: Dem Hund, damit er aufmerksam wacht und dem Hahn, damit er Fett anlegt. Mancherorts kam Knoblauch in einzelne Gerichte. Östlich von Tschechien wird die Zehe aber oft allein serviert, entweder zum Essen, oder um Brust und Beine damit einzureiben.
 
Ein anderes Nahrungsmittel, das an Heiligabend traditionell nicht fehlen durfte, sind Hülsenfrüchte. Vor allem Erbsen sind ein altes Festtagsessen, das zumeist ungesalzen auf den Tisch kam. Doch keine Regel ohne Ausnahme. Die Zubereitung von Erbsen unterscheidet sich von Region zu Region. Im südlichen Böhmerwald stößt man mancherorts noch heute auf eine altböhmische, süße Variante, manchmal bestreut mit Lebkuchenkrümeln. In der Region Slovácko, der Mährischen Slowakei, überwiegt svarba, Erbsen mit Graupen. In Valašsko, der Mährischen Walachei, kommen Hülsenfrüchte in die Weihnachtssuppe ščedračka, die aus Erbsen, Linsen, getrockneten Pflaumen und Birnen, Kartoffeln und gedörrten Pilzen besteht.
 
Eine rituelle Bedeutung im Weihnachtsschmaus hatte auch der Kohl. Wer ihn mit einer frittierten Zwiebel aß, war angeblich sicher vor Räude. Rote Beete wiederum galt als hilfreich gegen Krätze. In der Gegend von Klatovy wurde Kohl mit Knödeln serviert, ein Gericht, das vor Schüttelfrost schützen sollte.
 
Der Blick auf die deutsche Seite zeigt, dass Essen auch dort symbolisch aufgeladen ist. In Sachsen sollen neun Gänge auf dem Tisch stehen, zum Beispiel Wurst für körperliche Stärke, Gänsebraten für das Wohl der Familie, Linsen für gesunde Finanzen und Kompott für ein süßes Leben.
 
Obwohl die lokalen Besonderheiten beiderseits der Grenze den Eindruck von großer nationaler Eigenheit erwecken, kann ein Ausländer die tschechischen und deutschen Haushalte nach Abschluss des Weihnachtsessens wohl kaum noch auseinanderhalten. Was folgt, sind Plätzchen, ein dekorierter Baum, Geschenke und die Kirche. Ein Unterschied ist, dass die deutsche Messe in den meisten Fällen früher beginnt, nämlich noch vor Mitternacht.

Rezepte zum Thema

Karpfen blau
Schwarzer Kuba aus Südböhmen
Gebetbüchlein aus Miletín
 
  • Karpfen blau Foto: David Turecký. IN: Regionální kuchařka, Smart Press

    Karpfen blau

  • Schwarzer kuba aus Südböhmen Foto: David Turecký. IN: Regionální kuchařka, Smart Press 2013.

    Schwarzer kuba aus Südböhmen

  • Gebetbüchlein aus Miletín Foto: David Turecký. IN: Regionální kuchařka, Smart Press 2013.

    Gebetbüchlein aus Miletín

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