Peter Cachola Schmal im Gespräch
„Making Heimat“ – in der Fremde heimisch werden

Nach 25 Jahren präsentiert sich das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt 2016 erstmals wieder im Deutschen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig. Sein Direktor Peter Cachola Schmal tut dies mit einem hochaktuellen Thema.
Herr Schmal, wie kam es zu der Entscheidung für das Thema „Making Heimat, Germany Arrival Country“?
Das Thema lag in der Luft, ich hatte Arrival City, das Buch des kanadischen Autors Doug Saunders gelesen, was mich sehr beeindruckt hat. Als ich angefragt wurde, ob ich wieder als stellvertretender Vorsitzender in die Jury komme, habe ich überlegt, ob ich nicht selbst einen Vorschlag machen möchte. Also hat sich das DAM im Juli 2015 mit dem Thema Einwanderung beworben – mit Oliver Elser als Kurator und Anna Scheuermann als Koordinatorin. Es geht dabei um die Frage: Welche Strukturen erleichtern die Einwanderung?
Es ging Ihnen also weniger um die Flüchtlingsfrage?
Im Oktober 2015 fand die letzte Jurysitzung statt, als die Flüchtlingsdebatte das große Thema war. Wir haben immer gesagt, dass es um Einwanderung geht. Natürlich führt die Aufnahme von neuen Flüchtlingen zu neuen Einwanderern. Aber noch wichtiger als der temporäre Umgang mit Flüchtlingen ist tatsächlich die Frage, ob Deutschland nun ein Einwanderungsland ist oder nicht und welche Strukturen man zu diesem Zweck aufbauen muss.
Wir sind der Meinung: Deutschland ist seit Langem ein Einwanderungsland, nur haben wir uns dazu noch nie öffentlich bekannt. Wir haben noch nicht einmal ein Einwanderungsgesetz oder ein Einwanderungsministerium.
Geht es auch um Flüchtlingsunterkünfte?
Es ist eine Architekturbiennale, deshalb werden wir Antworten auf die Frage haben müssen, was momentan in Deutschland gebaut wird. Denn niemand in der Welt, außer uns, baut gerade Flüchtlingsunterkünfte im großen Stil, ausgenommen die riesigen Auffanglager in der Nähe von Konfliktgebieten. In Deutschland wird jetzt, von großen Sammelunterkünften bis hin zu kleinen Einheiten, viel gebaut. Aber diese Flüchtlingsbauten werden in Eile errichtet, mit sehr viel gutem Willen und mit sehr viel Geld und mit teilweise vielleicht zu schnellen Entscheidungen …
Sie bieten also auf der einen Seite einen konkreten Ideenpool mit Fakten und vergleichbaren Zahlen an, der in dieser Datenbank präsentiert wird, auf der anderen Seite geht es Ihnen aber um die Frage dahinter: Was ist Heimat, wie kann sie entstehen und wie kann Architektur Heimat befördern? Wird das Ihr Fokus auf der Biennale sein?
Was konnten Sie, angeregt von Doug Saunders Analysen, auf Deutschland übertragen?
Das große stadtplanerische Thema in Deutschland ist unser Wohnungsproblem. Und das Flüchtlingsthema verschärft dieses Wohnungsproblem. Wenn es in einigen Jahren heißt: Wir haben eine große Zahl von Einwanderern, wo sollen die wohnen? Dann streiten sie sich auf dem gleichen Markt mit all jenen, die auch knapp bei Kasse sind um die Ressource Wohnung. Und das dürfte ihrer Integration wenig Sympathie bringen.
Sehen Sie in der Verschärfung der Situation auch eine gewisse Chance?
Der Druck der Bevölkerung wird natürlich stärker und die Politiker werden entscheiden müssen. Innenstädte wie London, Paris, New York, in denen nur noch wohlhabende Menschen wohnen, die Angst um ihre Sicherheit haben, sind nicht akzeptabel, sie zerstören ihre Grundlage. Das, was Städte ausmacht, ist, dass sich hier unterschiedliche Menschengruppen mischen und dadurch ungeheure kreative Energien freigesetzt werden. Wir sehen also viele Herausforderungen auf uns zukommen und die Städte müssen sich diesen Herausforderungen stellen.
Um noch einmal auf den Begriff Heimat zurückzukommen: Was möchten Sie damit vermitteln?
Heimat ist ein schöner, nicht übersetzbarer Begriff, aber im Ausland weiß man durchaus, was diesen deutschen Begriff ausmacht. Heimat steht für sehr vieles. Mit dem Begriff „Neue Heimat“ war ja ein politischer Skandal verbunden, deshalb sagen wir jetzt Making Heimat. Das heißt, es wird aktiv daran gearbeitet, diesen Neuankömmlingen eine neue Heimat zu bieten, weil sie ihre alte Heimat – aus welchen Gründen auch immer – verlassen mussten und in der Fremde heimisch werden wollen.
Peter Cachola Schmal ist Architekt, Kurator und Architekturpublizist in Frankfurt. Er ist halber Deutscher, halber Philippino. Seit 2006 leitet er das DAM in Frankfurt. 2007 war er Generalkommissar des Deutschen Beitrags der VII. Internationalen Architekturbiennale in São Paulo.