1989: Die Wochen im Garten der westdeutschen Botschaft
Die Veranstaltung ist bereits ausgebucht.
Ein Gespräch zwischen Schüler*innen und Menschen, die sich 1989 als Flüchtlinge aus der DDR im Garten der Botschaft der BRD aufhielten und auf ihre Ausreisegenehmigung hofften.
Für wen ist die Veranstaltung gedacht?
Schüler*innen zwischen 14 und 18 Jahren.
Wann findet die Veranstaltung statt?
Am 21.11.2023 von 10-12 Uhr. Einlass ab 9 Uhr.
Was passiert in der Veranstaltung?
Schülerinnen und Schüler setzen sich mit der Situation der ostdeutschen Flüchtlinge im Garten der westdeutschen Botschaft Prag 1989 auseinander. Authentische Filmszenen von den Ereignissen sind dabei der Hintergrund für ein moderiertes Gespräch zwischen den Zeitzeug*innen und den Jugendlichen.
Was ist der historische Hintergrund?
Viele Bürger*innen, die aus der kommunistischen DDR fliehen wollten, entschieden sich für den Weg über die Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, um so ihre Ausreise aus der DDR zu ermöglichen. Bis zum 30.09.1989 hielten sich Familien größtenteils in Zelten unterschiedlich lange im Garten der Botschaft auf. Bis zum Tag, an dem die Ausreise genehmigt wurde, stieg die Zahl schließlich auf 4.000 Flüchtlinge.
Die Veranstaltung findet im Kuppelsaal der Deutschen Botschaft direkt neben dem historischen „Genscher Balkon“ statt.
Deutschkenntnisse sind nicht vorausgesetzt. Die Veranstaltung wird gedolmetscht.
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Anmeldung:
Bitte melden Sie sich per E-Mail an mit folgenden Angaben:
Mein Name ist Katharina Dötterl, geborene Kuhn, und ich wurde am 23. März 1981 in Eisenach geboren.
Aufgrund der Ausreiseanträge meiner Eltern wurden wir 1987 aus dem Grenzgebiet (2 km von der innerdeutschen Grenze) nach Sömmerda zwangsumgesiedelt.
Meine Eltern und auch meine Geschwister und ich wurden in der neuen Wohnung abgehört und auf unseren Wegen in Schule und Kindergarten beobachtet.
Da meine Eltern erfahren hatten, dass mein Vater zur Reserve eingezogen werden sollte, fassten sie den Plan nach Prag in die Deutsche Botschaft zu gehen.
Mein Vater hätte als Reservesoldat das Land nicht einfach verlassen können.
Am letzten Schultag, dem 30. Juni 1989, ging es los und am 1. Juli betraten wir die Deutsche Botschaft in Prag, in der wir uns bis zum 30. September aufhielten.
Nach der Ausreise in die Bundesrepublik blieben wir in Bayern, dort machte ich mein Abitur und begann 2003 erst mein Bachelor und 2006 mein Masterstudium in Geschichtswissenschaft an der Universität Erfurt. Ich habe Geschichtswissenschaft studiert, weil es mich fasziniert, wie bestimmte Verläufe in der Geschichte passiert sind, passieren konnten und was daraus entstanden ist.
In Bayreuth arbeitete ich dann ab 2009 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Wilhelm-Leuschner-Stiftung und veranstaltete Projekttage zur politischen Bildung.
Seit 2018 bin ich nun in Gerstungen im Werratalmuseum als Museumsleiterin.
Ich bin Lothar Kosz, geboren in Stralsund in der DDR am 30. September 1953.
Nach der Schule absolvierte ich eine Lehre als Tischler, ging für 3 Jahre zur NVA/Marine. Danach begann ich ein Pädagogikstudium in Rostock, dass ich abbrach und kehrte in meinen ursprünglichen Beruf zurück. Mitte der 80er Jahre wurde ich Mitglied eines Fotoklubs in Rostock. Durch meine Fotografie fiel ich dem Staat unangenehm auf. Ich war ein mündiger Bürger, fühlte mich aber zunehmend als unmündiger Mensch behandelt, bevormundet, gegängelt, schikaniert. Das allgegenwärtige Gefühl der Unfreiheit in mir veranlaßte mich, Ausreiseanträge in die BRD zu stellen. Schließlich entschied ich mich zur Flucht über die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Prag. Es war die wichtigste Entscheidung meines Lebens.
Markus Rindt, geboren 1967, verbrachte seine Kindheit in Magdeburg.
Durch seine Eltern – die Mutter war Sängerin, der Vater Geiger – kam er frühzeitig mit der klassischen Musik in Berührung. Im Alter von sechs Jahren begann er mit dem Klavierspiel.
1979 zog die Familie nach Dresden. Dort studierte er Horn bei Prof. Peter Damm und erhielt 1988 sein erstes Engagement als Solohornist im Orchester der Landesbühnen Sachsen.
Die Eltern seiner damaligen Freundin waren 1988 in den Westen geflohen, was dazu führte, dass seine Freundin nicht studieren durfte. Das junge Paar entschloss sich daraufhin das Land zu verlassen.
Ihr Plan sah vor, sich als vermeintliche Wanderer auszugeben, die deutsch-tschechische Grenze in Bad Schandau zu überqueren, sich bis in die Slowakei durchzuschlagen und bei Dunkelheit über den Grenzfluss Theiß zu schwimmen. Ungarn hatte seine Grenzen in den Westen bereits einige Wochen zuvor geöffnet.
Auf Drängen von Markus Rindts Vaters, der den beiden mit seinem Škoda Fluchthilfe leistete, wurde der Plan geändert. Da sich der Vater angesichts der abenteuerlichen Flucht große Sorgen machte, bat er darum, es über die Botschaft der Bundesrepublik in Prag zu versuchen.
Bereits wenige Tage später saßen Markus Rindt und seine Freundin in einem der Züge, die die Botschaftsflüchtlinge aus Prag in den Westen brachten. Sie hatten es geschafft und waren in der Freiheit.
Ihre neue Heimat wurde die Stadt Köln. Markus Rindt hatte das große Glück, bereits zwei Wochen nach der Flucht einen Platz für ein Aufbaustudium an der Musikhochschule Köln zu bekommen. Nach dem Studium lebte er als freiberuflicher Hornist in Köln, spielte Klavier in verschiedenen Bands und komponierte eigene Songs und Instrumentalmusik.
Das Musical „Black Rider” von Tom Waits führte ihn 1996 als Hornisten zurück nach Dresden, wo er zusammen mit dem Musiker Sven Helbig die Dresdner Sinfoniker gründete.
Als Spiritus Rector ist Markus Rindt nun seit über 20 Jahren Ideengeber für spektakuläre Projekte, mit denen die Dresdner Sinfoniker immer wieder für weltweite Aufmerksamkeit sorgen. Dazu zählen die Hochhaussinfonie, das Erste Ferndirigat der Welt, das Konzert zum Ende der Zeit, aghet — ağıt zum 100. Jahrestages des Völkermordes an den Armeniern, TEAR DOWN THIS WALL! an der Grenze zwischen Mexiko und den USA oder Himmel über Prohlis auf den Hochhausdächern eines Dresdner Stadtteils.
Markus Rindt wurde im Jahr 2000 mit dem Kunstförderpreis der Landeshauptstadt Dresden, 2008 als «Kulturmanager des Jahres» und 2010 als «Dresdner des Jahrzehnts» ausgezeichnet. 2018 erhielt er für „sein vielfältiges Engagement gegen Nationalismus, Fanatismus und Abschottung sowie seinen Einsatz für eine bessere Verständigung der Völker“ den Erich-Kästner-Preis.
Der Wunsch nach Überwindung von Grenzen – physisch wie ideell – findet seinen Ursprung in seiner persönlicher Geschichte.