Journalismus und Medien
Soukup und TV Barrandov

Soukup und TV Barrandov
Illustration: © Martina Hamouzová

„Nennen Sie mich eher Berlusconi“, sagte Jaromír Soukup einer Redakteurin einer der größten tschechischen Tageszeitungen – das war schon vor zehn Jahren. Damals begann „TV Barrandov“ gerade erst mit seinen Sendungen – Soukup sollte ein paar Jahre später Eigentümer und später auch der kuriose Moderator verschiedener Sendungen werden. Soukups Sender verhalf populistischen Politikern wie Miloš Zeman und Tomio Okamura aktiv zu ihren Wahlerfolgen. Der Eigentümer des Kanals gab Anfang 2019 bekannt, dass auch er selbst es mit einer eigenen Bewegung in der Politik versuchen wird.
 

„Wir wollen anders sein“, erklärte Mitte 2008 Přemysl Svor, der damalige Programmchef von TV Barrandov. Der Fernsehkanal ging schließlich am 11. Januar 2009 auf Sendung und hat demnach bereits sein zehntes Jubiläum gefeiert. Man muss keine besondere Vorliebe für bittere Ironie haben, um sagen zu können, dass sich Svors Worte erfüllt haben. Vielleicht jedoch etwas anders, als er es sich vorgestellt hatte.

Pavel, ver*piss dich

Die zwei Sätze, mit denen die Tageszeitung Mladá fronta DNES den Start des neuen TV-Senders meldete, erscheinen heute fast zum Lachen:
 
TV Barrandov richtet sich an Zuschauer ab 30 Jahren, die in der Stadt wohnen, und für die kommentierte Berichterstattung, unkonventionelle Unterhaltungssendungen, europäische Filme und Dokumentationen ausgestrahlt werden sollen. Die Grundlage des Programms sollen eigene Produktionen bilden, die sich in Inhalt und Umsetzung von den anderen kommerziellen Fernsehsendern unterscheiden werden.“
 
Schon während des ersten Sendejahres verwandelte sich die Zielgruppe der Städter 30+ in die der Frauen 45+, die die stärkste Zuschauergruppe stellten.
 
Die kommentierte Berichterstattung gibt es bei TV Barrandov tatsächlich und sie ist auch bekannt bei denjenigen, die den Sender nicht regelmäßig schauen. Kaum jemandem wird beispielsweise die Botschaft des Eigentümers und Moderators Jaromír Soukup an Pavel Novotný [Journalist und Prager Kommunalpolitiker, 2017–2018 kurzzeitig als Dramaturg für TV Barrandov tätig, Anm. d. Red.] während der Hauptnachrichtensendung entgangen sein: „Pavel, ich bitte dich, ver*iss dich.“ Es handelte sich um eine Botschaft des Arbeitgebers an seinen ehemaligen Arbeitnehmer, hinter der angeblich die Beleidigung einer Dame gesteckt haben soll.
 
Die Unterhaltungssendungen sind tatsächlich unkonventionell, europäische Filme gibt es meist am Wochenende zur Primetime, überwiegend Romanzen aus deutscher Produktion. Die Eigenproduktionen heben sich sowohl inhaltlich als auch in ihrer Umsetzung wirklich von anderen Privatsendern ab. In der Primetime wird diese Kategorie durch die gespielten Szenen in Nebezpečné vztahy (etwa: Gefährliche Beziehungen) und die sich anschließende Sendung Jak to dopadlo (etwa: Wie es ausgegangen ist) repräsentiert – eine der knapp ein Dutzend Sendungen, die Eigner Soukup selbst moderiert.

11 Sendungen, Weltrekord im Bereich Moderation?

Wenn wir uns einen Vergleich erlauben wollen, so litt der Barrandover Sender zuerst an den üblichen Kinderkrankheiten, musste dann die Scheidung der Eltern verkraften und ein instabiles familiäres Umfeld. Schließlich suchte ihn noch vor dem zehnten Geburtstag eine vorzeitige Pubertät heim. Je vorzeitiger, desto wilder.
 
Das sind paradoxe Vergleiche, die uns erst der heutige Abstand erlaubt. Auf eine Entwicklung in Richtung solcher Absurditäten deutete 2009 nichts hin. TV Barrandov war lediglich einer von sechs neuen digitalen Sendern, der sich „vom Kuchen der Zuschauerzahlen“ den vierten Platz „abschneiden“ wollte – was ihm auch gelungen ist.
 
Einer der Slogans des Senders lautete, er richte sich mit seinem Programm an die sogenannnten „Husákovy děti“ [etwa: „Husáks Kinder“: Die Neugeborenen der geburtenstarken Jahrgänge Anfang und Mitte der 1970er Jahre werden so genannt nach dem damaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei und tschechoslowakischen Präsidenten Gustáv Husák, Anm. d. Red.). Bereits in den ersten drei Jahren jedoch brachte der Sender in Dauerschleife Serien aus der Zeit der so genannten Normalisierung wie Žena za pultem (Die Frau hinter dem Ladentisch) oder 30 případů majora Zemana (Die Kriminalfälle des Majors Zeman), die auf Zuschauer abzielen, die mindestens um eine Generation älter sind.
 
Dennoch war das Konzept in einigen Segmenten konkurenzfähig. Der Kinderprogramm-Block Animáček machte TV Barrandov zum meistgesehenen Sender beim Publikum von 4 bis 9 Jahren. Die Vorabendreihe wurde erst im Frühjahr 2013 eingestellt.
 
Im September 2012 wurde der Verkauf des Senders an den Unternehmer Jaromír Soukup bekannt gegeben, der zu dieser Zeit bereits die größte tschechische Medienagentur Médea und die Zeitschriften Týden, Instinkt und Sedmička besaß. Und obwohl TV Barrandov in den ersten Jahren seines Bestehens als „normaler“, kleiner Sender wahrgenommen worden war, ist er seit einigen Jahren vor allem in Zusammenhang mit den wachsenden Ambitionen seines Eigentümers im Gespräch.
 
Im Herbst 2018 teilte der Sender mit, dass ab dem 29. Oktober eine neue Hauptnachrichtensendung, das Programm Moje zprávy (Meine Nachrichten), ausgestrahlt werden würde. Gemeint waren damit selbstverständlich Soukups Nachrichten. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich bereits, wenn wir richtig gezählt haben, um die elfte Sendung, die Jaromír Soukup selbst moderierte.

Der Populist Jaromír Soukup

Im Januar 2019 gab Soukup die Gründung einer neuen politischen Bewegung bekannt – List Jaromíra Soukupa (Liste Jaromír Soukups). Das Ziel? Angeblich die nationalen Interessen Tschechiens vor korrupten Politikern und Oligarchen zu beschützen. Das ist allerdings eine argumentative Täuschung beziehungsweise eine Sammlung unerfüllbarer oder bereits vorab erfüllter populistische Parolen.
 
„Ich bin der Erste gewesen, der bei uns in der Republik das Thema Oligarchen angesprochen hat“, behauptet Soukup zum Beispiel. Ganz sicher war er das nicht. Über das Thema Oligarchen spricht man in Tschechien bereits seit vielen Jahren andauernd. Und das sowohl über Unternehmer, die durch ihre Beziehungen in die Politik, ein riesiges Vernögen anhäufen konnten, als auch über Medienoligarchen, also solche, die ihre Interessen durch die eigenen Medien durchsetzen.
 
„Ich war es, der dem Ministerpräsidenten als Erster gesagt hat, dass es notwendig ist, multinationale Konzerne zu besteuern“, sagt Soukup weiter. Aber nicht doch. Das Thema ist ungefähr seit 2013 Gegenstand der europäischen wie auch der tschechischen Politik.
 
„Lasst uns die Strafverfolgung von Politikern durchsetzen“, ruft der „tschechische Berlusconi“ außerdem. Laut Soukup sollten Politiker konkret dafür verantwortlich gemacht werden, „dass sie uns das Leben verteuern“. So angeblich für den Wohnungsmangel, teuren Strom, überteuerte Kosten für mobiles Internet und Telefon und ähnliches. Sämtliche versprochene Programmpunkte der Bewegung List sehen so aus, als ob sie sich eher Populist nennen sollte.
 
Ob Soukup damit Erfolg haben wird, ist die Frage. Sein TV Barrandov jedenfalls hat die besten Jahre eher schon hinter sich.

Ein chinesischer Sender aus Prag

Der Sender musste 2018 massiv Personal entlassen und hat außerdem die Aufmerksamkeit des Fernsehrates auf sich gezogen. Dieser leitete ein Verfahren gegen den TV Barrandov ein, da der Sender an einem Tag keine Nachrichten ausgestrahlt hatte, ein Widerspruch zur erteilten Sendelizenz.
 
Das knappe Dutzend von Soukups Sendungen, die den Hauptinhalt der Primetime ausmachen, hatten relativ lange Erfolg beim Publikum. Seit März 2017 strahlt der Sender auch Týden s prezidentem (Die Woche mit dem Präsidenten) aus – eine Sendung, die aus Soukup den Moderator seines Schlages „gemacht“ hat. Miloš Zeman hat sie bei der Wahlkampagne zur Wiederwahl als Präsident enorm geholfen, denn er erhielt regelmäßig einen idealen Raum, um sich zu erklären, ohne dass ihm jemand unangenehme Fragen gestellt hätte.
 
Der Anstieg der Zuschauerzahlen ist jedoch beendet. Nach den Zahlen von Mitte 2018 gingen die Quoten der Nummer 4 auf dem Markt jäh um ein Fünftel zurück auf 7 Prozent, wodurch sich ein himmelweiter Abstand zu den ersten drei Sendern ergab.
 
Eine Sache ändert sich aber vorerst nicht – die Chinesen halten weiterhin Minderheitsanteile an den beiden Hauptmedienfirmen Soukups (neben Empresa Media, zu der auch TV Barrandov gehört, handelt es sich um die Agentur Médea).
 
Genauer gesagt die chinesische Gesellschaft China International Group Corporation Limited. Sie besitzt 49 Prozent der Empresa Media, an der Firma Médea hält sie 30 Prozent der Aktien.
 
Der lauteste Verfechter der chinesischen Investitionen und Verteidiger der Politik Pekings in Tschechien ist Präsident Miloš Zeman. Ja, derjenige, der auf Soukups Sender Woche für Woche unbegrenzten Raum bekommt.
 

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