„So richtig wusste ich nicht, was mich erwartet“

Nachtwächter. Ein Projekt von Milan Cais für das Goethe-Institut, Jahr 2000.
Nachtwächter. Ein Projekt von Milan Cais für das Goethe-Institut, Jahr 2000. | © Milan Cais

Oft sagt man, dass nichts so alt ist wie die Zeitung von gestern. Für Angelika Hájková war allerdings eine alte Zeitung das, was ihr Leben verändert hat. Lesen Sie mehr über die erste ostdeutsche IT-Ansprechpartnerin in Prag, für die das Goethe-Institut zu einer Herzensangelegenheit wurde.

Von Angelika Hájková

Es war Anfang Januar 1993. Deutschland war noch nicht lange wiedervereinigt, die Tschechoslowakei dagegen frisch geteilt. Ich suchte nach Arbeit und stieß dabei auf ein Zeitungsinserat, in dem eine Stelle im Goethe-Institut in Prag ausgeschrieben wurde, und wusste gleich, dass ich mich um die Stelle bewerben wollte.

Zum Bewerbungsgespräch bin ich zum ersten Mal ins Haus am Masaryk-Kai gekommen, das noch kurz zuvor die DDR-Botschaft gewesen war. Ich war nicht sehr entspannt – als Ostdeutsche saß ich auf einmal vier Westdeutschen gegenüber. Trotz der Anspannung aber habe ich die Stelle bekommen.

Letztendlich geht es um die Menschen …

So richtig wusste ich nicht, was mich erwartet, aber ich fand es gleich zu Anfang interessant, wie professionell ich von den damaligen Kolleg*innen angelernt wurde. Unser erster Institutsleiter Jochen Bloss sowie Andreas Ströhl, Christoph Bartmann und Marlene Pölcher waren ein Team, das mich nachhaltig beeindruckt und für die Arbeit am Goethe-Institut begeistert hat. Meine erste Kollegin, die mir wirklich wichtig war, war Astrid Prackatzsch. Sie war die erste Dolmetscherin am Goethe-Institut; auch der Medientechniker Jürgen Plönnigs und Monika Valter haben mir in den ersten Tagen geholfen, mich nicht zu verlieren.

Das Goethe-Institut ist von Anfang an, also bereits in den 1990er-Jahren, mit seinen Kulturprogrammen Tabuthemen angegangen. Dazu zählten etwa Retrospektiven von Filmemachern, die wir einfach vor der Wende nicht sehen konnten. Ich hatte dabei als Assistentin der Institutsleitung lange Jahre die Möglichkeit, mich an interessanten Projekten der Programmabteilung zu beteiligen. Gern erinnere ich mich an das auf dem Dach des Goethe-Instituts stattfindende Projekt mit den Augen von Milan Cais, an die junge Yvona Kreuzmanova, die das Festival Tanec Praha ins Leben gerufen hat, oder auch an eine Choreografie von Sasha Waltz, die erste, die ich in meinem Leben gesehen habe. Das literarische Quartett wurde einmal im Foyer des Goethe-Instituts aufgenommen, und ganz besonders ist mir die Lesung von Marcel Reich-Ranicki in Erinnerung geblieben. Einen ganz besonderen Platz in meiner Erinnerung nimmt auch die Lesung mit Günther Grass und Pavel Kohout ein.

Die erste ostdeutsche ITA in Prag

Gleich 1993 bekamen wir die ersten zwei Computer; einen für die Buchhaltung und einen für das Sprachkursbüro. Ansonsten gab es Robotron-Schreibmaschinen. Als mein Kollege Andreas Ströhl mit einem Laptop kam und uns erklärt hat, wie E-Mail funktioniert und was ein Modem ist, hat mich das gleich fasziniert. So bin ich ITA (IT-Ansprechpartnerin) geworden und verwaltete bis zur Vernetzung im Jahr 2002 drei Modems und sechs Computer für das ganze Haus.

Verwaltungsarbeit klingt sicher für viele nicht so interessant, aber ich selbst bin nach einigen Jahren in die Aufgabe und die Zahlen wirklich hineingewachsen. Finanzbuchhaltung ist Teamarbeit, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Bei den Arbeiten in der Buchhaltung muss jedes Rad ineinanderpassen und wenn am Jahresende die Konten ausgeglichen sind, ist das ein schönes Gefühl und jeder von uns hat seinen Teil dazu beigetragen.

Am schwersten war für mich sicher die Arbeit in der Finanzbuchhaltung nach der Registrierung des Instituts im tschechischen Handelsregister. Die Buchung der Mehrwertsteuer, das Führen deutscher und tschechischer Bücher war umso schwerer, da ich die Mehrwertsteuer nicht nur selbst verstehen, sondern auch anderen Kolleginnen und Kollegen vermitteln musste. Es war eine große Herausforderung, da musste ich Federn lassen. Aber Ende gut, alles gut. Gemeinsam haben wir es letztendlich geschafft.
  • Ein kleiner Papierschatz: Nach der Wende wurden im Keller des Gebäudes unzählige DDR-Umschläge gefunden; bis heute finden sie intern Verwendung. © Tomáš Moravec / Goethe-Institut

    Ein kleiner Papierschatz: Nach der Wende wurden im Keller des Gebäudes unzählige DDR-Umschläge gefunden; bis heute finden sie intern Verwendung.

  • Immer noch im Einsatz: Ein alter Teller aus der DDR-Botschaft zählt zu den wenigen Gegenständen, die aus der Zeit vor dem Goethe-Institut erhalten sind und bis heute ihren Nutzen finden. Er verrichtet immer noch seinen Dienst in der Küche des Goethe-Instituts. © Tomáš Moravec / Goethe-Institut

    Immer noch im Einsatz: Ein alter Teller aus der DDR-Botschaft zählt zu den wenigen Gegenständen, die aus der Zeit vor dem Goethe-Institut erhalten sind und bis heute ihren Nutzen finden. Er verrichtet immer noch seinen Dienst in der Küche des Goethe-Instituts.

  • Bauarbeiten im Goethe-Institut, vor 1993. © Goethe-Institut

    Bauarbeiten im Goethe-Institut, vor 1993.

  • Bauarbeiten im Goethe-Institut, vor 1993. © Goethe-Institut

    Bauarbeiten im Goethe-Institut, vor 1993.

  • In der Bibliothek, Jahr 1993. © Goethe-Institut

    In der Bibliothek, Jahr 1993.

  • Bibliothek des Goethe-Instituts Tschechien, Jahr 2020. © Pavlína Jáchimová / Goethe-Institut

    Bibliothek des Goethe-Instituts Tschechien, Jahr 2020.

Vom Keller bis zum Boden und zurück

Auch die Betreuung der Liegenschaft ist eine aufregende Aufgabe. Seit 1993 haben wir am Haus, vom Keller bis zum Dachboden, sehr viel verändert. Gemeinsam mit dem Vermieter haben wir die Fassade, jeden Raum und jede Wand renoviert; und vieles verändert. Wir haben auch manches wiederhergestellt – die Türen sind neulich durch einen speziellen Anstrich wieder in den Zustand von 1906 versetzt worden. Jeden Tag freue ich mich, in so einem Gebäude arbeiten zu dürfen und ich bin natürlich auch etwas stolz darauf, dass ich an diesen Veränderungen mitarbeiten konnte.

Als ich zum ersten Mal das Goethe-Institut betreten habe, habe ich das wunderschöne Gebäude vor lauter Aufregung gar nicht so richtig wahrgenommen. Aber ich hatte Glück, unser Gründungsleiter Dr. Bloss hat mich durch das Gebäude geführt und mir gleich eine Unterrichtsstunde in Geschichte und Architektur gegeben. Ich war sowas von beeindruckt und ich habe von ihm natürlich auch Literaturhinweise zum Jugendstil und dem Gebäude selbst bekommen. Oft war ich so überrumpelt von seinem Bemühen, mir etwas beizubringen, dass ich tatsächlich alles so gut wie möglich aufgesogen habe und das hat mir mit der Zeit immer mehr Spaß gemacht. Noch heute kann ich es kaum fassen, in einem so schönen Gebäude mit so vielen angenehmen Kolleg*innen arbeiten zu dürfen.

Wieso ich geblieben bin?

Ich bin bis heute im Goethe-Institut geblieben, da die Arbeit sehr abwechslungsreich ist, jeder Institutsleiter bzw. jede Institutsleiterin befasst sich mit einem speziellen Gebiet der Programmarbeit und so konnte ich bisher mit 7 Institutsleiter*innen  ganz unterschiedliche Aspekte der deutschen Kulturpolitik im Ausland kennenlernen. Ein modernes Deutschland zu repräsentieren, gesellschaftliche Probleme anzusprechen – das wird sicher gemeinsam mit dem Sprachunterricht und einer modernen Bibliothek auch weiterhin für ein tschechisches Publikum interessant sein.

Was ich bei Goethe vor allem sehr schätze, sind die interessanten Begegnungen mit Menschen aus aller Welt und allen Konfessionen, egal ob Besucher*innen oder Kolleg*innen aus anderen Instituten. Die angenehme Arbeitsatmosphäre wünsche ich dem Goethe-Institut auch weiterhin.
Angelika Hájková (Mitte) mit ihrem Team aus der Verwaltung des Goethe-Instituts in Prag.
Angelika Hájková (Mitte) mit ihrem Team aus der Verwaltung des Goethe-Instituts in Prag. | © Tomáš Moravec / Goethe-Institut

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