Kinovorführung BURHAN QURBANI: BERLIN ALEXANDERPLATZ

Pietà-Motiv-Bild Berlin-Alexanderplatz

Mi, 23.02.2022

19:00 Uhr

Goethe-Institut London

Goethe-Kino (Kinovorführung)

Wir freuen uns, diesen Film zusammen mit dem Migration Film Festival zu präsentieren. Begleitend zum Film wird am Dienstag, 1. März, 19 Uhr (GMT) ein Gespräch zwischen dem Regisseur von Berlin Alexanderplatz und Myria Georgiou, Professor of Media and Communications an der London School of Economics (LSE) stattfinden. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dieser Film beginnt nicht in Berlin, nicht am Alexanderplatz, sondern im Wasser. Francis, ein Flüchtling aus Guinea-Bissau auf dem Weg nach Europa, kämpft in den Wellen ums Leben. Dann sehen wir ihn auf einer Baustelle in Berlin. Er hat es geschafft, er hat erst einmal überlebt. Im Weiteren erzählt der Film davon, ob er es weiterhin schaffen wird, ob er ein gutes Leben, Geld, Liebe und Anerkennung haben wird, und ob er, wie er es im Angesicht des Todes geschworen hatte, ein guter Mensch sein wird. Viel steht ihm in Weg, vor allem Reinhold, ein Drogendealer, der die Lage der illegalen Arbeiter ausnutzt und ihnen schnelles Geld verspricht. Reinhold sieht in Francis viel Potential, und Francis sieht in Reinholds Angebot eine Chance, etwas aus sich zu machen. Ein fataler Irrtum, denn ein eigenständiger Francis nutzt Reinholds nichts, und so ist ihm auch die Liebe zwischen Francis und dem Call-Girl Mieze ein Dorn im Auge...   

Burhan Qurbani ist nicht der erste, der Alfred Döblins modernem Klassiker von 1929 verfilmt hat Schon 1931 adaptierte Phil Jutzi den Berlin-Roman mit Heinrich George in der Hauptrolle. Bekannter doch ist die TV-Version in 14-Teilen von Rainer Werner Fassbinder, die 1980 im in West-Deutschland ausgestrahlt wurde. Damit hing die Latte hoch für Qurbani und seine Adaption, in der er die Geschichte in das heutige Berlin verlegt und Döblins Hauptfigur, den Berliner Arbeiter und Kleinkriminellen Franz Biberkopf, in einen illegalen afrikanischen Flüchtling namens Francis verwandelt. Das machte Qurbanis Film sofort zu einem Beitrag zur Migrationsdebatte, die seit 2015, dem Jahr der sogenannten „Flüchtlingskrise“, noch einmal an Intensität zugenommen hat. Doch sei es ihm nicht nur um eine Geschichte über Geflüchtete gegangen, so Qurbani, sondern auch darum, Rassismusstrukturen, ungleiche Machtverhältnisse und unterschwellige Unterdrückung aufzuzeigen. Indem er seinem schwarzen Protagonisten einen weißen Antagonisten entgegenstelle, würde seine Version von Berlin Alexanderplatz zur postkolonialen Allegorie.

Mit Berlin Alexanderplatz war Qurbani zum zweiten Mal im Wettbewerb der Berlinale vertreten. Berlin Alexanderplatz gewann vier deutsche Filmpreise, u.a. für die beste männliche Nebenrolle. Damit ging der Preis an den Darsteller des weißen Antagonisten, Albrecht Schuch. Welket Bungué wurde für seine Darstellung des Francis zwar nominiert, aber auch der Preis für die beste männliche Hauptrolle ging an Albrecht Schuch in Systemsprenger. Bungué, der wie seine Figur Francis ursprünglich aus Guinea-Bissau stammt, dann mit der Familie nach Portugal zog, dort seine Schauspielkariere begann, aber auch regelmäßig Zeit in Brasilien verbringt und in Berlin einen Wohnsitz hat, war eine Neuentdeckung für den deutschen Film. Neben dem Schauspielen bei Theater und Film, ist er auch Drehbuchautor, Regisseur und Filmproduzent und agiert eher international. Eine seiner letzten Rollen spielte er im nächsten Film von David Cronenberg, Crimes of the Future (in Postproduktion).

Deutschland 2020, Farbe, 183 Min. Mit englischen Untertiteln.
Regie: Burhan Qurbani. Mit Welket Bungué, Jella Haase, Albrecht Schuch, Joachim Krol, Annabelle Mandeng.



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Burhan Qurbani wurde 1980 in Erkelenz als Sohn afghanischer Emigranten geboren. Nach dem Abitur sammelte er erste Erfahrungen im Medienbereich und arbeitete als Redaktionsassistent bei der Frauenzeitschrift "Elle" in Stuttgart, als Regieassistent am Stuttgarter Staatstheater und als Kameraassistent bei der Stuttgarter Filmproduktionsfirma teamWerk. Ab 2002 studierte er Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein abendfüllender Abschlussfilm Shahada über drei junge Muslim*innen in Berlin feierte 2010 im Wettbewerb der Berlinale Premiere und erhielt mehrere Preise. Viel Beachtung und überaus positive Kritiken erhielt auch Burhan Qurbanis zweiter langer Spielfilm Wir sind jung. Wir sind stark (2014), eine Chronik der Brandanschläge auf ein Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992. Im Mai 2018 begann Qurbani mit den Dreharbeiten zu Berlin Alexanderplatz, der u.a. den deutschen Filmpreis in Silber in der Kategorie Bester Film erhielt. (basierend auf filmprotal.de)

Alfred Döblin (1878–1957) wurde im deutschen Stettin (heute die polnische Stadt Szczecin) als Sohn jüdischer Eltern geboren. Als er zehn Jahre alt war, brannte sein Vater mit einer Näherin durch und die Mutter zog mit dem Rest der Familie nach Berlin. Döblin studierte Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität mit den Schwerpunkten Neurologie und Psychiatrie. Während Döblin als Militärarzt diente, erschien 1915 sein Roman Die drei Sprünge des Wang-Lun. 1920 veröffentlichte er Wallenstein, einen während des Dreißigjährigen Krieges spielenden Roman, der den Ersten Weltkrieg indirekt kommentiert. Er wurde 1924 Präsident des Verbandes Deutscher Schriftsteller und veröffentlichte 1929 seinen bekanntesten Roman Berlin Alexanderplatz, der ihm bescheidenen Ruhm einbrachte. Gleichzeitig festigte seine Position im Zentrum einer intellektuellen Gruppe, zu der unter anderem Bertolt Brecht, Robert Musil und Joseph Roth gehörten. Kurz nach Hitlers Aufstieg floh er mit seiner Familie aus Deutschland, zog zuerst nach Zürich, dann nach Paris und nach dem Einmarsch der Nazis in Frankreich nach Los Angeles, wo er zum Katholizismus konvertierte und kurzzeitig als Drehbuchautor für Metro-Goldwyn-Mayer arbeitete . Nach dem Krieg kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete als Redakteur mit dem Ziel, die unter Hitler verbotene Literatur zu rehabilitieren, geriet jedoch in Konflikt mit konservativen kulturellen Strömungen der Nachkriegszeit. Er litt in späteren Jahren an der Parkinson-Krankheit und starb 1957 in Emmendingen. (basierend auf einer Kurzbiografie in New York Review of Books)

Am 5. und 6. Februar sendet die BBC4 ein auf dem Roman basierendes zweiteiliges Hörspiel. Nähere Informationen finden Sie unter den Links an der Seite. 

 

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