Peter Brötzmann auf dem Festival „Jazz im Herbst“
„Die Zeiten der Bigbands sind vorbei“

Brotzmann Edwards Noble 7
© Boris Ljulinsky

Im Rahmen des vom Goethe-Institut organisierten Festivals „Jazz im Herbst“ kommt am 25. November 2016 zum wiederholten Mal der Saxophonist Peter Brötzmann nach Moskau, der Titan der Improvisationsmusik und einer der Väter des europäischen Free Jazz.

Im Rahmen des vom Goethe-Institut organisierten Festivals „Jazz im Herbst“ kommt am 25. November zum wiederholten Mal der Saxophonist Peter Brötzmann, Titan der Improvisationsmusik und einer der Väter des europäischen Free Jazz, nach Moskau. Der Musiker hat schon etliche Projekte gestemmt – von dem legendär gewordenen Trio mit den Amerikanern William Parker (Kontrabassist) und Hamid Drake (Schlagzeuger) bis hin zu dem internationalen Orchester Chicago Tentetts. Dieses Mal reist Brötzmann, der vor einem halben Jahr 75 Jahre alt geworden ist, gleich mit zwei Programmen an. Im ersten Teil des Konzerts; das im Kulturzentrum DOM stattfindet, tritt er im Duo mit der amerikanischen Gitarristin Heather Leigh auf, die schon seit vielen Jahren in Schottland wohnt, im zweiten Teil mit einer britischen Rhythmusgruppe, dem Kontrabassisten John Edwards und dem Schlagzeuger Steve Noble. Heather Leigh ist eine einzigartige Musikerin, die in der Welt der spontanen Improvisation ein Instrument eingeführt hat, das vor allem in der Countrymusik, beim Blues und beim Bluesrock verwendet wird – die Pedal-Steel-Gitarre, bei der es sich um einen Gitarrenhals handelt, der horizontal vor dem Interpreten liegt. Brötzmann hat von der Arbeit mit Leigh und anderen Projekten erzählt und sich zur Situation in der zeitgenössischen Musik geäußert.
 
Können Sie ein paar Worte zu Heather Leigh sagen? Warum ist es wichtig für Sie, mit ihr zu spielen? Was ist das Besondere an Ihrem Duo?

Vor allem ist sie eine Frau. Und zweitens ist sie nur halb so alt wie ich. Drittens wusste ich nicht, was das für ein Instrument ist – eine Pedal-Steel-Gitarre. Und viertens wusste ich alles über das Spielen mit einem Bass und einem Schlagzeug, habe ich doch mein ganzes Leben lang mit Leuten gespielt, die die Besten auf diesen Instrumenten sind. Deshalb fand ich es sehr interessant, mit einem so seltsamen Instrument aufzutreten. Ich fühle mich dadurch inspiriert und kann mich mit Heathers Hilfe und durch Ihr Spiel in mir bislang unbekannten Räumen bewegen.
 
Spielen Sie jetzt oft im Duo? Wenn ja, wer sind dann Ihre Hauptpartner und was ist Ihnen im Zusammenspiel mit ihnen besonders wichtig?

Ja, ich liebe Duos. Und im Übrigen entscheide ich mich manchmal auch aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus für dieses Format. Die Lage in der Welt wird nicht besser, die Zeiten der Big Bands sind vorbei. Schauen Sie sich doch meine Diskographie an: die meisten meiner Partner sind Schlagzeuger.
 
Es gab auch jede Menge Trios mit Bass und Schlagzeug. Was ist das Spezifische an dem Trio mit John Edwards und Steve Noble?

Sie sind beide sehr erfahrene Musiker, körperlich kräftig und spielen in der Tradition der spektakulären britischen Schule. Außerdem reise ich gern mit ihnen.
 
Sie haben davon gesprochen, wie wichtig die Schlagzeuger für Sie sind. Was können Sie zu den Bassisten, Kontrabassisten sagen? Welche Rolle spielen sie für Sie?

In den 1960er Jahren waren es Musiker wie Scott La Faro oder Gary Peacock und viele andere, die dem Kontrabass zu seiner Emanzipation verholfen haben. Das war eine wichtige Etappe. Der Bass sorgt für das Fundament in der Gruppe (wie Bill Laswell in Last Exit), und das genau brauche ich als Traditionalist. Das heißt nicht, dass der Bass nicht alle Möglichkeiten und die Freiheit hat zu spielen, was er will. Aber die Hauptaufgabe besteht darin, die BASIS zu schaffen.
 
Das letzte Mal waren Sie im Jahr 2015 in Moskau. Welche Projekte waren seitdem die am interessantesten und eindrucksvollsten?

Alle. Aber die eindrucksvollsten sind immer wieder die, die noch vor einem liegen.
 
Was können Sie über ihre Erfahrungen sagen, die Sie als Gastmusiker in den Gruppen Defibrillator, Konstrukt, ICI Ensemble und Laboratorio Musicale Suono C sammeln konnten?

Man kann seine Erfahrung, seine Leidenschaft, sein Können und, wie ich hoffe, seine eigene Art zu spielen und das eigene Verständnis von Jazz-Musik in deren Musik einbringen.
 
Haben Sie in der letzten Zeit junge oder einfach für Sie neue Musiker entdeckt?

Ich bin froh, dass ich Heather gefunden habe, oder besser gesagt, dass sie mich gefunden hat. Aber gleichzeitig möchte ich doch wissen, wo sich die vielen jungen Leute verstecken, die jedes Semester die Musikhochschulen absolvieren.
 
An welchen interessanten Orten waren Sie in jüngster Zeit?

In Bogota, San Salvador, Hakodate.
 
Malen Sie in der letzten Zeit Bilder?

Leider hat das Jahr nicht 730 Tage. Das heißt, wenig, nicht genug.
 
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der freien Improvisationsmusik in Europa in den vergangenen Jahren?

In jüngerer Zeit gab es keinerlei Fortschritte.