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Öko-Initiativen
Russische Städte auf dem Weg zu Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit

Schiwopisnyj Brücke in Moskau
© Unsplash, CC0

Nachhaltige Städte – das ist eines der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung, die von den Vereinten Nationen ausgegeben wurden. Und dieses Ziel lässt sich mit den unterschiedlichsten Mitteln erreichen: vom Kompostieren bis hin zum Bau von Wohnvierteln, in denen keine Autos fahren dürfen. Wir haben die interessantesten Ansätze russischer Städte in diesem Artikel zusammengestellt.

Luft

Luft in russischen StädtenFoto (Detail): Nikita Silma © unsplash

Ein Schlüsselparameter für die Nachhaltigkeit von Städten ist die Luftqualität, denn diese schlägt sich unmittelbar auf die Gesundheit der Einwohner*innen nieder. Aktuell übersteigt in 143 Städten Russlands (Bevölkerung: 56 Millionen Menschen) die Luftverschmutzung als sicher geltende Grenzwerte um ein Vielfaches. Insgesamt sind von einer Überschreitung dieser Grenzwerte ganze 89% der russischen Städte betroffen.

Zur Überwachung der Luftqualität haben Einwohner*innen mancher Städte Kontrollstationen initiiert, die solche Übertretungen anzeigen. In Moskau gibt es ein öffentliches Monitoringsystem: Moscow.Breath mit 180 Standorten, an denen Luftproben entnommen werden. Am Projekt kann sich jede*r beteiligen – es muss lediglich ein Detektor aufgestellt werden. Diesen kann man selbständig nach Anleitung zusammenbauen; auch führen die Koordinator*innen des Projekts Workshops zur Montage der technischen Ausrüstung durch.

Tscheljabinsk und Krasnojarsk, die, was die Luftqualität anbelangt, zu den Städten Russlands mit den schlechtesten Messwerten gehören, verfügen ebenfalls über eigene öffentlich zugängliche Messprojekte: “Tscheljabinsk, Atme“ und „Krasnojarsk. Himmel“. Beide Städte haben immer wieder unter dem Phänomen des „Schwarzen Himmels“ zu leiden – ungünstigen Wetterbedingungen, durch die sich der Smog für lange Zeit über der Stadt hält.

Wasser

Jede Stadt hat Zugang zu Wasser, ob zu einem Fluss, einem See oder einem Meer. Eine nachhaltige Stadt ist daher unvorstellbar ohne die Einbeziehung gewässernaher Infrastruktur in die örtliche Planung.

„Waterfront“ oder „Wasserlinie“ ist ein internationales und interdisziplinäres Projekt zur Entwicklung gewässernaher Gebiete und öffentlicher Räume in Städten. In Russland wird es von einem Forschungsinstitut für Street Art und vom Dänischen Kulturinstitut in Sankt Petersburg umgesetzt. Insgesamt nehmen drei Städte am Projekt teil: Oslo, Stockholm und Sankt Petersburg.

Das Projekt besteht aus vier Forschungsgruppen, für jede von denen ein bestimmtes Gebiet für Experimente in Außenanlagen festgelegt wurde: der Hafen Galernaja Gawan auf der Wassiljewski-Insel, der Fluss Ochta, der Fluss Prjaschka und der Strand am südwestlichen Teil des finnischen Meerbusens. „Waterfront“ konzentriert sich auf die Erforschung dieser Territorien, die Erhebung der Bedürfnisse örtlicher Anwohner*innen und Vorschläge zur Neubewertung gewässernaher Gebiete.

Nähere Informationen zu den Projekten gibt es auf der Website.

Foodsharing

In Russland werden in der Kette Verkauf – Lagerung – Verbrauch jährlich 17 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle erzeugt.Wenn man zu dieser Zahl noch die Mengen an Mül hinzunimmt, die während der Erzeugung und des Transports des Essens anfallen, beläuft sich der Verlust auf 42 Millionen Tonnen im Jahr. Zumindest teilweise lösbar ist dieses Problem durch Foodsharing.

Foodsharing bezeichnet die kostenlose Abgabe oder der verbilligte Verkauf von Lebensmittelprodukten mit ablaufenden Haltbarkeitsdaten.

Die bekannteste und aktivste „Vkontakte“-Gruppe in diesem Bereich ist Foodsharing. Essen geschenkt (Sankt Petersburg und Moskau). Dort teilen Menschen und kleine Geschäfte kostenlos mit anderen Lebensmittel. Ähnliche Gruppen in sozialen Netzwerken kann man auch in anderen Städten finden.

Die Bank für Essen – „Lebensmittelstiftung Rus´“ – hilft ausschließlich geringverdienenden Familien und Rentner*innen. Wer Unterstützung bei der Lebensmittelversorgung benötigt, kann auf der Website der Stiftung einen Antrag stellen.

Auch gibt es reduziertes Essen aus dem Restaurant. Mehrere Apps helfen dabei, Cafés und Restaurants zu finden, die bereit sind, Essen mit ablaufendem Mindesthaltbarkeitsdatum oder anderen Verkaufseinschränkungen mit einem Rabatt von 50-80% abzugeben. Die beliebtesten in Moskau und Sankt Petersburg sind EatMe, LastBox und DoggyBag.

Fortbewegung mit dem Rad

Das Fahrrad ist eines der Symbole nachhaltiger Städte: es verursacht keinen CO2-Ausstoß, belegt nur ein Bruchteil des in der Stadt so wertvollen Raums und trägt außerdem zu einem gesunden Lebenswandel der Bürger*innen bei. Der Entwicklungsstand der Infrastruktur für Fahrräder (Radwege, Verleih und Abstellmöglichkeiten) unterscheidet sich in den russischen Städten stark, und Moskau steht hier beleibe nicht auf dem Siegertreppchen.

In unserer Auswahl finden sich Beispiele von Städten, die es vermocht haben, in Punkto Entwicklung der Fahrrad-Infrastruktur deutliche Ergebnisse zu erzielen. Auch werden Communities vorgestellt, deren hauptsächliches Ziel es ist, Aufmerksamkeit für das Problem der derzeit eingeschränkten Nutzbarkeit des Stadtraums für Radfahrer*innen zu generieren.

Almetjewsk

Diese Stadt in Tatarstan wird auch die „Fahrradhauptstadt Russlands“ genannt. In Almetjewsk kommen auf 150.000 Einwohner*innen mehr als 100 km Radwege, was im Verhältnis zur Bevölkerung mehr ist als in Moskau und Sankt Petersburg. Ebenso existiert in der Stadt ein eigener Fahrradverleih mit Hunderten von Stationen: GoBike. Mit Unterstützung des dänischen Büros „Copenhagenize“ wurde die Schaffung von Infrastruktur für Fahrräder in der Stadt auf komplexe Weise geplant, wodurch das Radwegenetz zu einem großen Ganzen zusammengefügt wurde und die Radwege selbst so entworfen sind, dass Fußgänger*innen und Autofahrer*innen nicht durch sie beeinträchtigt werden.

Krasnodar

Diese südliche Stadt ist ebenso in den Rang der russischen Hauptstädte aufgestiegen, was die Fahrrad-Infrastruktur angeht. Im Verhältnis der Einwohner*innenzahl zu Verleihstationen hat der private Fahrradverleih in Krasnodar den städtischen in Moskau bereits überrundet. Es gibt in der Stadt die App LuckyBike, die Informationen über Abstellplätze bereithält und mit der man Räder ausleihen kann. Die App funktioniert auch noch in neun weiteren russischen Städten: in Nischnij Nowgorod, Tjumen, Ekaterinburg, Ufa u.a. 

Außerdem gibt es in der Stadt eine große Community an Fahrradliebhaber*innen: „Velokrasnodar“. Deren Mitglieder organisieren Radtouren mit dem Ziel, auf das Problem der hierfür fehlenden Infrastruktur aufmerksam zu machen. Auch werden Geländetouren, Wettfahrten, Trainings und Exkursionen per Rad angeboten.

Moskau

In Moskau gibt es aktuell etwa 230 km Radwege und auch einen städtischen Fahrradverleih. Die Entwicklung der Fahrrad-Infrastruktur in der Hauptstadt hat 2014 begonnen, ist aber bis 2017 praktisch stagniert. Innerhalb von vier Jahren sind seitdem keine neuen Radwege in der Stadt entstanden, abgesehen von einigen Kilometern vorübergehender Radwege im Sommer 2020, zur Zeit der Corona-Pandemie.

In Moskau gibt es einige Fahrrad-Communities, von denen Let’s bike it die bekannteste ist. Sie unterstützt die Aktion „Zur Arbeit mit dem Rad“, organisiert Kongresse zum Thema sowie Fahrraddemonstrationen – auch im Winter und in der Nacht. Im Mai 2017 zog eine Moskauer Fahrraddemo mehr als 40.000 Menschen an.

Sankt Petersburg

Radfahren in St. PetersburgFoto (Detail): Viridi Green © unsplash

Aktuell gibt es in der Stadt insgesamt 126,5 km Radwegenetz. Sankt Petersburg hatte seinen eigenen öffentlichen Fahrradverleih, der allerdings 2020 aufgrund geringer Nachfrage eingestellt werden musste.

Die Petersburger Fahrrad-Community ist die aktivste Bewegung in der Stadt. Aktivist*innen bemühen sich um die Popularisierung von Fahrrädern in der Stadt, leiten Exkursionen auf dem Rad und überwachen den Zustand von Straßen und Außenanlagen. Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie unterbreitete die Community der Stadtverwaltung den Vorschlag, temporäre Fahrradwege einzurichten, damit Fahrgäste vom öffentlichen Nahverkehr auf das Rad umsteigen und gleichzeitig die Social Distancing-Regel einhalten können – doch es blieb bei der Idee.

Wolgograd

Diese Stadt hat sich während der Zeit der Isolation im Zuge der Corona-Pandemie im Vergleich zu anderen besonders hervorgetan. Fahrradaktivist*innen haben erreicht, dass die Straßenmarkierungen auf dem zentralen Platz der Stadt verändert wurden, wodurch auf dem Platz selbst und auf den zu ihm hinführenden Straßen Radfahrwege eingerichtet werden konnten.

Es gibt in der Stadt die Gruppe „Velovolgograd“, die die Fortbewerbung auf zwei Rädern aktiv bewirbt. Jeden Freitag organisiert sie Fahrradtouren und große Fahrraddemos, um auf infrastrukturelle Probleme aufmerksam zu machen.

Öko-Zentren

In Russland werden jedes Jahr etwa 60-70 Millionen Tonnen fester Haushaltsabfälle erzeugt, das sind etwa 400-450 kg pro Person. Die Rückführung und das Recycling von Abfällen gehört zum Schlüsselprinzip der Kreislaufwirtschaft und genauso auch zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Hierbei unterstützen Öko-Zentren, die in vielen Städten Russlands eröffnet wurden.

Ein Öko-Zentrum ist ein Ort für Wissensvermittlung in Umweltfragen, der zwei hauptsächliche Funktionen innehat: die Annahme von Sekundärrohstoffen und Aufklärung im Bereich Mülltrennung und des Umweltschutz.

In Russland gibt es fast zwei Dutzend solcher Zentren. In der nachfolgenden Auswahl werden Städte vorgestellt, in denen die Öko-Zentren nicht nur für die Annahme von Sekundärrohstoffen zuständig sind, sondern auch noch weitergehende Funktionen anbieten: etwa ein Recycling-Museum, Sharing-Bereiche, Second Hand-Läden, Geschäfte mit Öko-Produkten oder Vortragssäle.

Moskau

  1. Öko-Sborka“. Ein Zentrum für die Annahme von Sekundärrohstoffen von Glas bis hin zur Sichtverpackung von Tabletten. In der „Sborka“ gibt es auch einen Second Hand-Laden, ein Geschäft für Öko-Produkte sowie Räumlichkeiten für Veranstaltungen, und kürzlich wurde das Museum „Recycling und umweltschonender Lebensstil“ eröffnet. Die Ausstellung des Museums erzählt vom Müllproblem in Russland und in der Welt, davon, welche Alternativen für die einmalige Nutzung von Dingen es gibt und demonstriert alle Etappen des Recyclings von Sekundärrohstoffen.
  2. Sobirator“. Ein Zentrum, dass eine riesige Bandbreite an Sekundärrohstoffen annimmt – mehr als 100 unterschiedliche Sorten. Es gibt auf der Fläche einen Laden für Öko-Produkte und mehrmals im Monat finden Exkursionen statt, auf denen erläutert wird, wie Recycling funktioniert und wie man richtig Müll trennt.

Jekaterinburg

Keinmüllmuseum“ ist nicht nur ein Museum mit einer Ausstellung, die sich um das Müllproblem dreht, sondern genauso auch ein Ort für Veranstaltungen zu Umweltthemen: Vorträge, Swaps und Workshops. Ebenso gibt es im Zentrum einen Second-Hand-Laden und ein Geschäft für Öko-Produkte.

Saratow

Ökologisator“. Der hauptsächliche Fokus des Zentrums liegt auf der Annahme von Sekundärrohstoffen. Es gibt im Zentrum den Bereich „Ökodom“ („Öko-Haus“), wo Beispiele für umweltbewusstes Wohnen gesammelt werden: energiesparende Beleuchtung, Mülltrennung, Wurmkisten für den Kompost u.a. Ebenso ist das „Ökodom“ ein Ort für Vorträge und Treffen und es gibt ein Tauschregal.

Welikij Nowgorod

Ökoloft“. Ein Raum für Menschen, die ein umweltbewusstes Leben führen. Das Zentrum konzentriert sich insbesondere auf Craftsharing und einen Freemarket, das heißt, den Tausch nicht mehr benötigter Dinge für kreatives Arbeiten. Im „Ökoloft“ gibt es ein Geschäft mit Öko-Produkten, einen Vortragssaal, einen Co-Working-Space sowie Ateliers, in denen man alle möglichen Dinge reparieren kann.

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