Vorlesung Ein plombierter Wagen: Gebrauchswert des Schreibens über Kunst

Eva Scharrer © Christina Dimitriadis © Christina Dimitriadis

Mi, 16.10.2019

19:00 Uhr

Zentrum für zeitgenössische Kunst Winzawod Moskau

Drei Vorlesungen des Goethe-Instituts Moskau und des Labors für Kunstkritik am Zentrum für zeitgenössische Kunst Winzavod

Anmeldung Vortrag # 2: Eva Scharrer – Why I Didn't Become an Art Critic
 
Welche Bedeutung hat kritisches Schreiben für die Öffentlichkeit? Und welchen Beitrag leistet es für die Gesellschaft und den internationalen Kulturaustausch? Diese Fragen sind, unter Bezugnahme auf die historische „Reise“ der Kritischen Theorie von Deutschland nach Russland, Ausgangspunkt der vom Labor für Kunstkritik am Zentrum für zeitgenössische Kunst Winzavod gemeinsam mit dem Goethe-Institut organisierten Vortragsreihe im Herbst 2019.
 
„Ein plombierter Wagen“ bezeichnet den Einfluss von Ideen des Marxismus, der die Tradition der deutschen Philosophie  fortschreibt. Wladimir Lenin, der sich viele Jahre mit dem Studium des deutschen Denkens befasst hatte, kehrte in einem solchen, vermutlich für geheim erklären Wagen 1917 über Deutschland nach Russland zurück. Die deutsche Philosophie entwickelte ihre Wirkung in Russland zu einer Zeit aus, als die progressive öffentliche Wahrnehmung unter anderem auf dem Wunsch nach ästhetischer Klärung und Transformation beruhte.
 
Hieran knüpft sich die Frage nach dem Nutzen und der Funktion von Kunstkritik. In der abstrakten, gesellschaftlich notwendigen Arbeit, die die Kunstkritik leistet, liegt ein wichtiger Nutzen. Welches Bedürfnis bedient die Kritik dabei?
 
Die Vortragsreihe stellt aktuelle Ideen vor, die sich aus einem traditionellen Kontext und einer theoretischen Sprache herleiten. Es geht hierbei um den gesellschaftlichen Wert der Arbeit, um das Schicksal der Kunstkritik und das Wesen der Kunst im Kapitalismus.

Eva Scharrer
Why I Didn't Become an Art Critic

Die Krise der Kunstkritik ist fast ebenso oft heraufbeschworen worden wie der Tod der Malerei. Beide Disziplinen haben sich jedoch als untot erwiesen – oder scheinen im Gegenteil lebendiger als je zuvor. Jede/r im Kulturbereich Tätige scheint dazu berufen zu sein, über Kunst zu schreiben: Theoretiker*innen, Kurator*innen, Künstler*innen, Journalist*innen, Blogger*innen, Praktikant*innen, Galerie-Assistent*innen – und Kritiker*innen. Die Grenzen sind verschwommen, Copy-Paste und IAE haben das Schreiben über Kunst infiltriert. Die Krise der Kritik wird mit dem zunehmenden Einfluss eines immer mehr monopolisierten Kunstmarktes einerseits, und andererseits mit der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen, die im unterbezahlten unteren Spektrum der Kunstmaschinerie arbeiten, erklärt. In meinem Vortrag versuche ich, durch einige der aktuellen Theorien zum Thema zu navigieren und meine eigene Position als Kunstschreiberin zwischen den Disziplinen der Vermittlung, Förderung, des Kuratierens und der kritischen Bewertung von Kunst – und ihrer sozialen Relevanz – zu reflektieren.
 
Eva Scharrer ist  Kunsthistorikerin und freischaffende Kuratorin und Autorin. Zu den von ihr organisierten internationalen Ausstellungen zählen u.a. Random Walks, Kunsthal 44 Møen, Møn, Dänemark (2016), Unfolding Constellations, CoCA Toruń, Polen (2016), Gustav Metzger – Mass Media Yesterday and Today, Neuer Berliner Kunstverein (2015) und To Paint is to Love Again, Deutsche Bank KunstHalle, Berlin (2013). Von 2009 bis 2012 war sie als Agentin und Autorin im Team der documenta (13) tätig, und 2007 war sie Co-Kuratorin der 8. Sharjah Biennale Still Life. Art, Ecology and the Politics of Change. Sie war Jurorin und Nominatorin für internationale Jurys wie dem Young Artist of the Year Award, Ramallah (2018), Zurich Art Prize (2014), Future Generation Art Prize (2012), Documentary Film and Video Festival, Kassel (2009-2012), hat zahlreiche Katalogtexte über renommierte und aufstrebende Künstler/innen verfasst und schreibt regelmäßig für internationale Kunstmagazine wie Artforum International, Spike Art Quarterly, Frieze d/e, Modern Painters, Kunst-Bulletin, und Texte zur Kunst.

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