Das Goethe-Institut
In Gesellschaft
Kunst braucht Raum, Sicherheit, Freiheit und Förderung. Das Goethe-Institut setzt sich in über 150 Ländern dafür ein, dass die Kulturszene vor Ort möglichst ungehindert gedeihen kann. Es hilft dabei, nachhaltige Strukturen für eine Kunst- und Kreativwirtschaft aufzubauen, und bietet Kreativschaffenden geschützte Freiräume – auch dort, wo Kunst- und Meinungsfreiheit unter Druck geraten.
„Der Kultur- und Kreativsektor ist weltweit ein Motor für die Gestaltung des gesellschaftlichen Wandels“, erklärt Nico Degenkolb, Referent für Kunst- und Kreativwirtschaft in der Münchner Zentrale des Goethe-Instituts. „Wir sehen es als unsere Aufgabe, diesen Sektor in unterschiedlichen Ländern zu fördern – und zwar, das ist uns wichtig, angepasst an den jeweiligen lokalen Bedarf.“ Die Programme des Goethe-Instituts im Bereich Kunst- und Kreativwirtschaft erreichen Menschen in Ländern wie Jordanien und Kenia, Frankreich oder Südafrika.
Mit HUB@Goethe durchstarten
Ein Beispiel ist das Programm HUB@Goethe, über das Künstler*innen in Südafrika gefördert werden: „I am dynamic, and I am a dreamer“, sagt Sechaba Lengane über sich. Dynamisch und tatkräftig verfolgt der Südafrikaner auch seinen ganz eigenen Traum: Menschen zusammenzubringen. Sein Filmprojekt „The Coal“ umfasst zehn- bis fünfzehnminütige Videosequenzen, die zwei Personen unterschiedlicher Generationen zeigen, wie sie gemeinsam eine Mahlzeit einnehmen und sich dabei, angeleitet durch Fragekärtchen, unterhalten. Mütter und Töchter, Großeltern und Enkel, Väter und Söhne. Herausarbeiten wolle Lengane damit die Rolle von Mahlzeiten, die oft „heilenden Effekte“ von gemeinsam eingenommenem Essen – und sicher auch: von Gesprächen über Generationsgrenzen hinweg.Lengane ist einer von 13 Künstler*innen und Jungunternehmer*innen aus dem Großraum Johannesburg, die 2021 am Mentoring-Programm des Goethe-Instituts teilnehmen – so viele wie noch nie seit dem Start 2017. Über sieben Monate durchlaufen die „Hubbers“, wie sie intern auch genannt werden, mehrere Stationen, werden Schritt für Schritt durch die Weiterentwicklung ihres Unternehmens oder ihres Kunstprojekts geführt. Doch die Kreativen bekommen auch praktische Unterstützung: In der neu gestalteten Bibliothek in Johannesburg, dem „Library-Gamebox-Hub“, haben sie einen Ort, wo sie sich treffen, austauschen und daneben auch Internetverbindung und Drucker nutzen können.
Godisamang Khunou, Sechaba Lengane und Thami Mazibuko (v.l.n.r.) | Foto: Thabang Radebe
Leben will auch Thami Mazibuko in seine Community bringen: Das Soweto Book Café, das er im gleichnamigen Johannesburger Township betreibt, soll sich nach seiner Vision weiter zu einem kulturellen Treffpunkt entwickeln. Schon heute organisiert Mazibuko, der sich als Kunst- und Kulturaktivist beschreibt, immer wieder Literaturveranstaltungen und Schachabende in seinem Café. „Die Menschen sollen hier Informationen austauschen und Lifestyle-Trends aufschnappen können“, sagt er. Als „Goethe-Hubber“ will er sich unternehmerische Fähigkeiten aneignen, damit sein Geschäft wächst, profitabel wird und nachhaltig bestehen kann.
Für „The Coal“-Unternehmer Sechaba Lengane steht ein anderer Vorteil von HUB@Goethe im Zentrum: Ihm eröffne sich durch das Programm ein internationales Netzwerk, sagt er. „Ich war immer fasziniert vom Goethe-Institut als einer Einrichtung, die die Kunst- und Kreativwirtschaft unterstützt – auf unserem Kontinent, aber auch weltweit.“ Er will von anderen lernen, will wachsen. Damit seine Träume Wirklichkeit werden.
Im Sommer 2020 wurde auf seine Initiative hin – und der des Auswärtigen Amtes – der Internationale Hilfsfonds eingerichtet, über den ausländische Organisationen aus Kultur und Bildung Unterstützung für den Umgang mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie erhalten konnten.
Damit die Entwicklungen, die vor etwa zehn Jahren mit dem Arabischen Frühling angestoßen wurden, weitergehen, setzt das Goethe-Institut seit 2012 im Rahmen der Ta’ziz-Partnerschaft mehr als 150 Projekte mit mehr als 30.000 Teilnehmenden in der Region um. Zum Beispiel „Houmtek“, bei dem Nachbarschaftsinitiativen aus ganz Tunesien den öffentlichen Raum verschönern und aneignen. „Unser Projekt trägt zu verbesserten Lebensbedingungen der Bewohner in der Cité Erriadh bei, einem Arbeiterviertel in Beni Khiar mit 3000 Einwohner*innen“, freut sich Samira Ben Ammar, die illegale Mülldeponien unter Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen der lokalen Gemeinschaft in urbane Gärten transformiert.
Orte der Begegnung schaffen: Künstler*innen im sicheren Exil
Um den syrischen Künstler*innen auch im Exil einen Anlaufpunkt zu geben – aber auch, um ein wirkmächtiges Zeichen zu setzen –, schaffte das Goethe-Institut in Berlin einen neuen Ort der kulturellen Begegnung: das „Goethe-Institut Damaskus | Im Exil“, einen temporären Popup-Raum in einem leerstehenden Ladenlokal in Berlin-Mitte. Im Herbst 2016 fanden hier Diskussionen, Workshops, Filmreihen, Ausstellungen und Konzerte statt, bekamen syrische Künstler*innen und Autor*innen eine Bühne, um die Auswirkungen von Krieg und Vertreibung auf ihre Arbeit zu erörtern. Hier, geschützt und gehört, fanden sie vor Publikum Worte für zentrale ästhetische und ethische Fragen, etwa darüber, wie sich die syrische Revolution zeigen lässt, die geradezu entfesselte Gewalt, ohne zu reinem Schauspiel oder einer Projektionsfläche für Mitleid zu werden.
Unterstützung in und für die Kunst- und Kreativszene in Krisenländern wird es wohl auch weiterhin geben müssen: Im Sommer 2021 erhielt die Deutsche Botschaft in Minsk vom Belarussischen Außenministerium die Aufforderung, die Tätigkeit des Goethe-Instituts in seinem Land ab dem 30. Juli 2021 einzustellen. Eine solche Situation hat sich in der 70-jährigen Geschichte des Instituts so noch nie zugetragen. 27 Jahre lang war das Goethe-Institut in Minsk tätig gewesen, hat in dieser Zeit die kulturellen und gesellschaftlichen Beziehungen zwischen Belarus und Deutschland gestärkt. Nun ist es geschlossen. Auf unbestimmte Zeit – in der Hoffnung, dass es in Bälde doch seine Arbeit wieder aufnehmen kann.