Juli-August 2012:
Botschafter Goethe – Deutsche Kultur- und Spracharbeit im Ausland

Johannes Ebert im „Zeitgespräch“ der Zeitschrift „Politische Studien“ der Hanns Seidel Stiftung.

Johannes Ebert folgte am 1. März 2012 Hans-Georg Knopp auf den Posten des Generalsekretärs des Goethe-Instituts nach. Zuvor war der Islamwissenschaftler und Politologe als Leiter des Goethe-Instituts Moskau und Regionalleiter der Region Osteuropa / Zentralasien und davor von 2002–2007 als Leiter des Goethe-Instituts Kairo und der Region Nahost / Nordafrika für diese bedeutende Sprach- und Kultureinrichtung tätig. Somit kennt Johannes Ebert nach 20 Jahren mit den zwei zentralen Einsatzfeldern Osteuropa und Naher Osten die Praxis der Auswärtigen Kulturpolitik in allen Facetten. Seine Wahl signalisiert auch Kontinuität in der Arbeit.

Das Goethe-Institut arbeitet mit dem Auswärtigen Amt eng und loyal zusammen, wie es in dem betreffenden Rahmenvertrag von 1976 formuliert ist. Welche sind nun die Prinzipien der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland?

Die Grundsätze der aktuellen Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik haben ihren Anfang in den 70er-Jahren. Seither wurden sie den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen weltweit immer wieder angepasst. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik wird als wichtiger Bestandteil der Außenpolitik der Bundesrepublik verstanden und teilt deren Ziele: Friedenssicherung, Stärkung des europäischen Integrationsprozesses und Förderung internationaler Partnerschaften. Schon Willy Brandt sprach in den 60er-Jahren von der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik als „dritter Säule“ der Außenpolitik neben Diplomatie und Außenwirtschaftsförderung. Wenn ich meine persönlichen Erfahrungen betrachte, was die Arbeit unserer Institute beispielsweise in Osteuropa oder dem Nahen Osten in diesem Sinne zu leisten vermag, ist das ein sehr weitsichtiges Modell, das sich Tag für Tag neu bewährt. Neben der Vermittlung deutscher Kultur im Ausland setzt die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik auf den partnerschaftlichen Dialog und den Austausch zwischen Ländern und Menschen unterschiedlicher Kulturen. Deutsche Kultur wird in diesem Zusammenhang verstanden als Teil der europäischen Kultur, die in einen spezifischen Wertediskurs eingebunden ist, der auch in die Kulturarbeit im Ausland einfließt. Dem Ganzen liegt ein erweiterter Kulturbegriff zugrunde, der neben den eigentlichen Künsten auch das Nachdenken über gesellschaftliche Entwicklungen und Phänomene im weiteren Sinne einschließt. Von besonderer Bedeutung und ganz spezifisch für die Bundesrepublik ist, wie diese Prinzipien seit der Nachkriegszeit organisatorisch umgesetzt werden. Vor dem Hintergrund des Missbrauchs von Kultur und Bildung durch das Dritte Reich hielten es die der jungen deutschen Demokratie verpflichteten Politiker für grundlegend, Kultur und Bildung mit einer gewissen Staatsferne zu versehen: Sie vertrauten die operative Umsetzung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik den unabhängigen Mittlerorganisationen wie dem Goethe-Institut, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) oder dem Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) an. Eine sehr weise Entscheidung, die viel dazu beigetragen hat, das internationale Vertrauen in die Bundesrepublik zu stärken.

Haben diese Prinzipien in letzter Zeit eine größere Veränderung erfahren?

Seit der Nachkriegszeit gab es immer wieder Veränderungen, vor allem in der regionalen Schwerpunktsetzung der Auswärtigen Kulturpolitik. Wendepunkte waren zum Beispiel die Veränderungen in Osteuropa nach dem Fall der Berliner Mauer, die Intensivierung des Dialogs mit der islamischen Welt in der Folge des 11. Septembers. Im Moment sind natürlich die Transformationsprozesse in der arabischen Welt oder die Entwicklungen in der Europäischen Union wichtige Themen, die uns intensiv beschäftigen. Die jüngste inhaltliche Anpassung ist die Konzeption „Auswärtige Kulturund Bildungspolitik in Zeiten der Globalisierung. Partner gewinnen, Werte vermitteln, Interessen vertreten“, die das Auswärtige Amt im September 2011 vorgestellt hat.

Hört das Auswärtige Amt gerne auf die Anregungen, die das Goethe-Institut einbringt?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Erfahrung der Mittlerorganisationen auch in Zukunft von der Politik gefragt sein wird und das Auswärtige Amt den Rat und die Expertise des Goethe-Instituts schätzt. Unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind Profis für den internationalen Kultur- und Bildungsaustausch und stellen dies täglich neu unter Beweis. Das Goethe-Institut kennt die Mechanismen, kulturellen Szenen und Akteure vor Ort. Es ist hervorragend vernetzt. Diese Expertise bringen wir in die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt ein. Gerade wenn Gesellschaften hoch politisiert sind, wenn Regime in Frage stehen oder die Zivilgesellschaften hier und in den Gastländern eine immer wichtigere Rolle für die deutschen Außenbeziehungen spielen, sind der Erfahrungsschatz und die gewachsenen Partnerbeziehungen des Goethe-Instituts wichtig. Aber auch was Europa betrifft: Selbst wenn jetzt die Finanzen die Tagesnachrichten dominieren, so müssen wir doch sehr darauf achten, dass wir Europa als langfristiges kulturelles und gesellschaftliches Projekt gemeinsamer Werte verstehen, das von Enthusiasmus und Empathie erfüllt sein muss. Dieser gemeinsame Geist wird in der Finanzkrise doch sehr strapaziert und ich bin sicher, dass Organisationen, die unabhängig und mit einer gewissen Entfernung zur harten Tagespolitik handeln, sich gerade gegenüber jungen Zielgruppen leichter tun, um diese positive Emotionalität für Europa zu fördern. Nach dieser Vorbemerkung: Wir befinden uns in einer ständigen Diskussion mit dem Auswärtigen Amt und so wird – denke ich – ein sehr professioneller Abgleich zwischen den Erfordernissen eines langfristigen Kultur- und Bildungsaustausches und kurzfristigeren außenpolitischen Herausforderungen hergestellt. Leitmotiv der Zusammenarbeit zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut sind neben dem Rahmenvertrag die gemeinsam vereinbarten Zielkorridore, die jeweils für vier Jahre festgelegt werden. Im Rahmen der Verhandlungen hierzu werden die zentralen Herausforderungen angesprochen. Hier spielt die Stimme des Goethe-Instituts für das Auswärtige Amt mit Sicherheit eine wichtige Rolle.

Welche Schwerpunkte für die Arbeit des Goethe-Instituts möchten Sie persönlich als Generalsekretär setzen?

Die 100 ersten Tage meiner Amtszeit sind vorüber und ich habe natürlich Vorstellungen, in welchen Bereichen wir Akzente setzen. Das Kerngeschäft des Goethe-Instituts ruht auf drei Säulen: der deutschen Sprache, dem internationalen Kulturaustausch und der Information über Deutschland. Hier leistet das Goethe-Institut hervorragende Arbeit und natürlich gilt es zuerst, diese auf hohem Niveau fortzuführen. Das Goethe-Institut muss – und es hat dies immer getan – die Impulse und Herausforderungen, die sich aus der deutschen Gesellschaft und aus unserem internationalen Umfeld ergeben, aufnehmen und in seine Arbeit integrieren. Nur so entwickelt es seine Kernkompetenzen weiter und bleibt zukunftsfähig. Welche Schwerpunkte bestimmen vor diesem Hintergrund die nächsten Jahre? Wenn wir über die Zukunft von Gesellschaften diskutieren, fällt ziemlich schnell der Begriff „Bildung“. Es liegt auf der Hand, dass das Goethe-Institut im Bereich der deutschen Sprache eine Bildungsinstitution reinsten Wassers ist. Weniger bekannt ist jedoch, dass wir auch im Rahmen des kulturellen Austausches zahlreiche Bildungsinhalte anbieten: die Fort- und Weiterbildung von Theatermachern, Dokumentarfilmern etc., aber auch von Kulturmanagern, Verlegern und Informations-Spezialisten. Es geht mir jetzt darum, dass wir diese Bildungskompetenzen, die aus dem Kulturbereich kommen, bündeln und stärker ausbauen. Weitere wichtige Fragen, die sich in den nächsten Jahren stellen werden, sind Fragen von Demographie und Mobilität. Im Zusammenhang mit der Euro-Krise wurden Projekte begonnen, mit denen das Goethe-Institut mobile Menschen innerhalb Europas auf ihren Aufenthalt in Deutschland vorbereitet und die berufliche Qualifikation von Menschen aus dem Ausland mit Deutschkursen unterstützt. Solche Fragen werden immer wichtiger. Ein dritter Punkt ist die zunehmende Bedeutung des Internets für unsere Zielgruppen. Hier gilt es, bestehende Ansätze auszubauen und neue Formate zu entwickeln. Es gibt noch andere inhaltliche Schwerpunkte: Die Arbeit in den Transformationsländern des arabischen Raums gehört dazu. Die Frage, wie es uns gelingt, gerade in Schwierigkeiten ein positives Bewusstsein für Europa zu stärken. Von großer Bedeutung nach innen ist es, dass das Goethe-Institut eine lernende Institution ist, die sich weiterentwickelt und auf neue Herausforderungen jederzeit adäquat reagieren kann. Es gibt viele Aufgaben und ich freue mich darauf.

Frankreich treibt eine sehr ehrgeizige und konzentrierte, sozusagen „affirmative“ Auswärtige Kulturpolitik. Welche Unterschiede zum deutschen Konzept von Auswärtiger Kulturpolitiksehen Sie insgesamt?

In den Ländern, in denen ich für das Goethe-Institut tätig war – in der Ukraine, in Ägypten und in Russland –, haben wir oft sehr eng mit den französischen Kulturinstituten zusammengearbeitet und spannende Vorhaben verwirklicht. Die europäische Zusammenarbeit zu stärken und damit auch das Bewusstsein für die europäische Einheit zu stärken, ist heute eine wichtige Aufgabe für die nationalen Kulturinstitute. Von großer Bedeutung ist dabei das Netzwerk der europäischen Kulturinstitute EUNIC, in das sich sowohl das Goethe-Institut als Gründungsmitglied als auch das Institut Français aktiv einbringen. Natürlich setzt die französische nationale Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik noch etwas andere Akzente und befindet sich näher an den staatlichen Strukturen als die deutschen Mittlerorganisationen. Die Bundesrepublik Deutschland hat in ihrer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik den Weg gewählt, der am besten zu ihr passt und die eigenen historischen Erfahrungen widerspiegelt. Unsere Arbeit zielt auf Dialog, auf das Einbringen deutscher Positionen und Expertise in einen internationalen gesellschaftlichen Diskurs; sie setzt stärker auf die kulturelle Kooperation als auf staatliche Repräsentation. Vor dem Hintergrund einer globalisierten und multipolaren Welt ist dieser Ansatz der Offenheit für andere Kulturen und der Wille zum Dialog, in dem man jedoch immer auf der Basis europäischer Werte agiert, so zeitgemäß wie nie, um Partnerschaften für Deutschland zu schaffen.

Auf welche Weise begleitet das Goethe-Institut in seiner auswärtigen Kulturarbeit den gegenwärtigen Wandel in der arabischen Welt, die sogenannte „Arabellion“?

Mir gefällt der Begriff „Arabellion“ weniger als der hoffnungsvolle Begriff „arabischer Frühling“. Ich selbst habe mich in meinem Studium sehr intensiv mit der arabischen Welt beschäftigt und war von 2002 bis 2007 für das Goethe-Institut von Kairo aus für den arabischen Raum zuständig. Ich finde es sehr beeindruckend, dass die progressiven Kräfte in Ägypten und Tunesien ihre autoritären Regime gestürzt haben und dass vom Maghreb aus in der ganzen arabischen Welt der Ruf nach Freiheit lauter wurde. Allerdings besteht jetzt eine große Gefahr, dass Hoffnungen enttäuscht werden und dass durch die neue Demokratie Kräfte an die Macht kommen, die mit Demokratie wenig im Sinn haben. Umso wichtiger ist es, die innovativen Kräfte, die für eine freiheitliche gesellschaftliche Ordnung stehen, voranzubringen. Das Goethe-Institut arbeitet bereits seit vielen Jahren im arabischen Raum mit Vertretern der Zivilgesellschaft und den progressiven Kräften im Kultur- und Bildungsbetrieb zusammen. Deshalb haben wir die richtigen Partner und Netzwerke. Im Rahmen der Transformationspartnerschaft der Bundesregierung mit dem arabischen Raum stehen dem Goethe-Institut mehr als zwei Millionen Euro jährlich zusätzlich zur Verfügung. Mit diesen Mitteln legen wir Projekte auf, die in den Bereichen Kultur, Information, Medien, Bildung und Jugend die Zivilgesellschaft stärken. So beispielsweise die Tahrir-Lounge, ein Forum für junge innovative Ägypter mit Elementen der kulturellen und politischen Bildung. Weiterhin Qualifizierungsprogramme für Kulturmanager, Theaterfachleute und Lehrer, so dass deren Institutionen, die eine wichtige Rolle in der Bildung des Volkes spielen, professionell und effektiv arbeiten können oder auch das in diesem Jahr geplante „Jugendnetzwerk“ für junge, innovative Mitgestalter von gesellschaftlichen Prozessen in der arabischen Welt und Europa.

Im Münchener Presseclub fand am 13. Februar 2012 dieses Jahres eine Diskussion unter dem Titel „Schafft Deutschland seine Sprache ab?“ statt. Gemeint ist natürlich die Überflutung der deutschen Sprache mit Anglizismen. Nun gehört das Lehren der deutschen Sprache im Ausland zu den zentralen Aufgaben des Goethe-Instituts. Schadet die angesprochene Entwicklung der Erfüllung dieser Aufgabe? Neigen Sie eher zum Optimismus oder zum Pessimismus, was die Zukunft der deutschen Sprache anbelangt?

Sprachen sind nie monolithisch festgefügt, sondern sie sind lebendige Gebilde. Sie nehmen Einflüsse, denen ihre Sprecher ausgesetzt sind, automatisch auf. Das können wir über die Jahrhunderte hinweg auch an der deutschen Sprache sehen. Wir benutzen zahlreiche Begriffe aus dem Lateinischen oder Französischen und heute nimmt aus den bekannten Gründen der Anteil englischer Wörter zu. Vor diesem Hintergrund ist es ein normaler Prozess, dass englische Begriffe Bestandteil unserer Sprache werden. Aber wir sollten uns selbst überprüfen, in welchem Maße wir das zulassen wollen. Deutsch ist eine wunderbare Sprache, mit der wir verantwortungsvoll umgehen müssen. Manchmal ärgere ich mich, wenn ich im deutschen Fernsehen den vom Englischen „slow motion“ abgeleiteten Begriff „slomo“ höre, wenn unsere eigene Sprache doch so ein griffiges und gleichzeitig poetisches Wort wie „Zeitlupe“ anbietet. Es gibt viele weitere Beispiele für diese Tendenz und es liegt an uns, den Menschen, deren Muttersprache Deutsch ist, bewusst mit unserer Sprache umzugehen und nicht jeder Mode zu folgen. Wenn wir über Trends sprechen: Diskutiert wird beispielsweise die stetige Zunahme von englischsprachigen Studiengängen an deutschen Universitäten. Auch hier sind Augenmaß und Vorsicht geboten. Wir müssen Deutsch als Wissenschaftssprache und damit ein Deutsch, das es seinen Sprechern jederzeit ermöglicht, auch komplexe wissenschaftliche Sachverhalte darzustellen, fördern. Andernfalls würde unsere Sprache verarmen, die Sprache der Bildung würde sich von der Sprache der Bevölkerung abspalten. Wissenschaft muss mehrsprachig bleiben. Da ich ein optimistischer Mensch bin, neige ich, auch was die deutsche Sprache betrifft, zum Optimismus. Sie wird sich verändern, sie wird aber immer die deutsche Sprache bleiben.

Oft wird bemängelt, dass die deutsche Sprache in der EU eine zu geringe Rolle spielt, obwohl sie die am meisten verbreitete Sprache in der EU ist. Sehen Sie das auch so? Wenn ja, welche Maßnahmen zur Abhilfe würden Sie vorschlagen?

Ja, Deutsch ist in der Europäischen Union die am meisten verbreitete Muttersprache. Aber auch bei Nicht-Muttersprachlern erfreut sich die deutsche Sprache großer Nachfrage. Das konnten wir letztes Jahr beobachten. 2011 verzeichnete das Goethe-Institut Rekordzahlen bei seinen Sprachkursen und Prüfungen, das Interesse in Südwesteuropa war besonders groß. Rein formal ist die Stellung unserer Sprache im Kanon der Sprachen der Europäischen Union keine geringe. Sie ist eine von 23 gleichberechtigten Amts- und Arbeitssprachen. Darüber hinaus hat sie als eine der drei Verfahrenssprachen sowohl in der Europäischen Kommission als auch im Europäischen Rat eine Sonderstellung. So ist neben Englisch und Französisch Deutsch beispielsweise Sprache des Kollegiums der Kommission – des höchsten Entscheidungsgremiums. Aber natürlich kann es Unterschiede zwischen der formalen Stellung der deutschen Sprache und ihrem tatsächlichen Gebrauch geben. Vielleicht könnte man diesen auf zwei Ebenen stärken. Eine bessere Stellung von Deutsch in der Europäischen Union ist vor allem eine politische Frage. Das Lobbying der Abgeordneten ist wichtig. Die andere Seite ist die Sprachpraxis. Deutsche Beamte in der Europäischen Union sollten durchaus in der Kommunikation zunächst Deutsch benutzen. Wenn jemand das nicht versteht, kann man immer noch auf andere Sprachen umschalten. Insgesamt sehe ich die Mehrsprachigkeit als ein wichtiges Element der europäischen Integration. Das Goethe-Institut ist bereit – was die deutsche Sprache betrifft –, hier mit Angeboten zu unterstützen. Bereits heute bieten wir im Auftrag des Auswärtigen Amtes ein umfangreiches, themenorientiertes Sprachkursprogramm für Beamte der EU-Institutionen an. Mit dem Programm kamen seit 1994 mehr als 1800 Stipendiaten zu Sprachkursen nach Deutschland. Auch in vielen Ländern Europas werden vor Ort Sprachkurse für europäische Ministerialbeamte angeboten. Einer der bekanntesten Teilnehmer, der an einem Individualkurs des Goethe-Instituts für hohe Führungskräfte teilgenommen hat, war übrigens José Manuel Barroso.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhang war in den ehemals kommunistischen Ländern ein verstärktes Bedürfnis zu verzeichnen, die deutsche Sprache zu erlernen. Hält diese Bedürfnis immer noch an, oder beginnen unsere Nachbarn im Osten, das Englische dem Deutschen vorzuziehen?

Das ist nicht ganz korrekt. Die Grundlagen für die hohen Deutschlernerzahlen wurden insbesondere vor dem Fall der Berliner Mauer gelegt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die DDR mit zahlreichen Kontakten und Bündnissen in den Ostblock eingebunden war und dass so ein ganz konkretes Motiv bestand, Deutsch zu lernen. Nach 1989 hat dann auch hier Englisch als die Weltsprache schlechthin an Terrain gewonnen. Diese Entwicklung halte ich auch für nachvollziehbar, allerdings ist es wichtig, dass wir deutlich machen, wie wichtig Deutsch aus ganz unterschiedlichen Gründen für unsere östlichen Nachbarn ist. Neben der geographischen Nähe und den historischen Beziehungen sind die Motive heute auch sehr stark auf den Wirtschafts- und Hochschulstandort Deutschland bezogen. Junge Polen, Russen, Tschechen etc. sehen in Deutschland auch einen Ort, wo sie arbeiten oder studieren können. Diese ganz konkreten Gründe sind sicher verantwortlich dafür, dass in Osteuropa immer noch sehr viel Deutsch gelernt wird. Polen und Russland sind mit jeweils 2,3 Millionen die Länder mit den weltweit höchsten Deutschlerner-Zahlen. Aber wir müssen auch etwas dafür tun, für unsere Sprache werben und die Vorteile der Mehrsprachigkeit in einem vereinten Europa betonen.

Zwischen dem Freistaat Bayern und dem Goethe-Institut besteht seit Februar 2010 eine Kooperationsvereinbarung. Welche Erfahrungen hat das Goethe-Institut bei dieser Zusammenarbeit bis jetzt gemacht?

Die Zentrale des Goethe-Instituts liegt in München. Wir hoffen natürlich, dass sowohl die Stadt als auch die Landesregierung zu schätzen wissen, dass die Organisation, die das kulturelle Gesicht der Bundesrepublik im Ausland wesentlich mitgestaltet, in Bayern angesiedelt ist. Eine eigene Straßenbahnhaltestelle „Goethe-Institut“ haben wir vor einigen Jahren in München bereits erhalten. Im letzten Jahr ehrte Oberbürgermeister Christian Ude das Goethe-Institut anlässlich dessen 60. Geburtstages damit, dass er seinen Kulturempfang in unser Gebäude verlegte. Das empfand ich als eine schöne Geste. Neben Bayern haben wir auch mit einigen anderen Bundesländern Kooperationsvereinbarungen, beispielsweise mit Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen. Wir sehen hier gute Möglichkeiten, die Bundesländer bei der Pflege und dem Aufbau ihrer kulturellen Außenbeziehungen zu unterstützen – auch durch gemeinsame Projekte, die durch unsere Kooperationsvereinbarung begünstigt werden. In Bayern konnten zum Beispiel über den Austausch mit dem Bayerischen Kultusministerium Partnerschaften von Schulen der weltweiten Partnerschulinitiative mit Schulen in Bayern aufgebaut werden und Deutschlehrer aus dem Ausland hatten die Möglichkeit, an bayerischen Schulen zu hospitieren. Das Goethe-Institut ist außerdem sehr interessiert an einer Zusammenarbeit mit bayerischen Krankenhäusern im Kontext der sprachlichen Weiterbildung internationaler Ärzte und Pfleger. Besonders freuen wir uns, dass das Goethe-Institut in München so erfolgreich arbeitet: Rund 5000 Menschen aus 150 Ländern sind jährlich hier bei uns zu Gast.

Herr Generalsekretär, wir danken Ihnen für das Gespräch.