Juni 2012:
In guten wie in schlechten Zeiten

Das Goethe-Institut ist das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland und derzeit in 149 Instituten und 11 Verbindungsbüros in 93 Ländern aktiv. Es fördert die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland, pflegt die internationale kulturelle Zusammenarbeit und vermittelt ein umfassendes Deutschlandbild. Mit welchen konkreten Projekten und persönlichem Engagement er das erreichen möchte, schildert Johannes Ebert, der Generalsekretär des Goethe-Instituts, im Gespräch mit Dirk Besserer.

Herr Ebert, seit dem 1. März dieses Jahres sind Sie Generalsekretär des Goethe-Instituts. Vorher haben Sie fünf Jahre lang das Goethe-Institut Moskau und die Region Osteuropa/Zentralasien geleitet. Wie ordnen Sie die Bedeutung Moskaus im Kosmos des Goethe-Instituts ein?

Russland hatte und hat einen hohen Stellenwert für den Kulturaustausch. Das lässt sich auch an der Konzeption zur auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Amtes ablesen, die im letzten Herbst vorgestellt wurde. Dabei wird Osteuropa weiterhin einen Schwerpunkt der auswärtigen Kulturpolitik bilden. Allein aufgrund der historischen Bindung ist Russland sehr wichtig für Deutschland – und umgekehrt. Zentral für unsere Arbeit ist: In Russland gibt es 2,3 Millionen Deutschlernende.

Welche Erfahrungen bringen Sie aus Ihrer langjährigen Tätigkeit an den Goethe-Instituten im Ausland in Ihre Arbeit als Generalsekretär in der Zentrale ein?

Ich bin für das Goethe-Institut in Kiew, Kairo und Moskau gewesen und habe da natürlich vor dem jeweils kulturellen Hintergrund viele unterschiedliche Erfahrungen gesammelt, die ich mit einbringe. Mit 120 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist Moskau das weltweit größte Goethe-Institut. Persönlich habe ich dort in erster Linie gelernt, wie man eine große Organisation steuert und so Führungserfahrung gesammelt. Generell lässt sich natürlich sagen, dass ich aufgrund der Kenntnis und Zusammenarbeit mit vielen Sprachlernzentren, Partnerschaften und unterschiedlichen Netzwerken genau dieses mit einbringen kann: Netzwerke und Kommunikationserfahrung sind hier die Stichworte.

Ist das Erlernen der deutschen Sprache ein Anachronismus für Russen? Wo steht Deutsch im Kontext zur englischen Sprache?

Sowohl aus persönlicher Sicht als auch Kraft meines Amtes kann ich sagen: Nein, Deutsch zu lernen ist kein Anachronismus.
Ich bin überzeugt, dass es zur Bildung eines Menschen dazugehört, mehrere Fremdsprachen zu sprechen. So erziehe ich auch meine eigenen Kinder. Fremdsprachen tragen dazu bei, dass man die eigene Persönlichkeit öffnet und dass man einen Zugang zu anderen Kulturen bekommt..
Als Generalsekretär des Goethe-Instituts kann ich dazu sagen, dass es aufgrund der Verbreitung der deutschen Sprache in der Welt handfeste Gründe gibt, neben Englisch auch Deutsch zu lernen: Mehr als 6.000 deutsche Unternehmen haben ihren Sitz in Russland. Mehr als 14.000 Russen studieren in Deutschland. Deutschland ist attraktiv als Wirtschafts-, Wissenschafts- und Bildungsstandort. Die deutsche Sprache spielt eine tragende Rolle als Qualifikation im persönlichen Bildungsprofil..
Es wäre vermessen zu bezweifeln, dass Englisch die Sprache Nummer 1 weltweit ist: Englisch ist ein Muss – Deutsch ist ein Plus. Die interne Sprache beispielsweise der DAX-Unternehmen ist Englisch; aber bereits in großen deutschen mittelständischen Firmen, nicht selten Weltmarktführer für ihre Produkte, ist Deutsch die Unternehmenssprache. Deutsch ist ein Muss, wenn man es ernst meint, die russisch-deutschen Wirtschafts-, Bildungs- und Wissenschaftsbeziehungen weiterführen zu wollen.

Sind Sie aus Sicht des Goethe-Instituts zufrieden mit der derzeitigen auswärtigen Kulturpolitik der BRD?

Seit der Nachkriegszeit wird die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland von unabhängigen, so genannten Mittlerorganisationen durchgeführt. Die größte von ihnen ist das Goethe-Institut. Die Basis für die Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt bilden ein Rahmenvertrags und gemeinsam vereinbarte Zielkorridore. Diese Arbeitsteilung zwischen der Diplomatie und den Kulturmittlern hat sich hervorragend bewährt. Deutschland hat sich aufgrund seiner historischen Erfahrungen für dieses Prinzip entschieden und dadurch weltweit Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewonnen.

Das Deutschlandjahr in Russland 2012/2013 wird gemeinsam vom Goethe-Institut, dem Auswärtigen Amt und dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft organisiert. Was ist der konkrete Beitrag Ihres Instituts zu diesem Projekt?

Einerseits obliegt dem Goethe-Institut die Leitung des Gesamtprojekts und es hat somit strak koordinierende Funktion. Andererseits haben wir auch unsere eigenen Kulturmittler-Projekte..
Das Goethe-Institut ist für die Haupt- und Kulturprojekte zuständig. Da sind durchaus gesellschaftskritische und politische aktuelle Projekte dabei, die beide Länder stark beschäftigen. Hier lautet die Frage: „Welche Entscheidungen müssen wir heute treffen, um die gesellschaftliche Zukunft richtig zu gestalten?“.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche Projekte, die bisherige langjährige erfolgreiche Kooperationen fortsetzen, Netzwerke, die auf langjähriger vertrauensvoller Zusammenarbeit basieren und hier betont werden. Denn darum geht es ja auch in so einem Deutschlandjahr: Nicht nur neue Projekte aus der Taufe zu heben, sondern auch bestehende feste Beziehungen weiter zu intensivieren. Für den konkreten Fall sind das etwa das Festival für neues europäisches Theater „NET“, das Tanzfestival „TSEKH“ sowie die Kooperationen mit dem Zentrum für Zeitgenössische Kunst oder mit dem Museum für Moderne Kunst, in dem wir eine große Werkschau von Joseph Beuys zeigen.

Welche Erklärung haben Sie dafür, dass deutschen Unternehmen das Projekt nicht mehr als 1,5 Mio. Euro an Sponsoring wert ist? Verglichen mit dem, was die deutsche Wirtschaft bei den Deutschlandjahren in China und in Indien aufgebracht hat, ist das ein wirklich kleiner Betrag, den letztendlich nur fünf Unternehmen gestiftet haben – bei mehr als 6.000 in Russland tätigen Unternehmen …

Einerseits sind die Projekte in Indien und China nicht unbedingt vergleichbar, da sie einen anderen zeitlichen und organisatorischen Rahmen hatten. Darüber hinaus glaube ich, dass es auch in Russland mehr Sponsoren gegeben hätte, hätte dieses Projekt noch in den 90er Jahren stattgefunden. Aber nun, da die deutsche Wirtschaft nicht nur in Moskau, sondern auch in den russischen Regionen fest etabliert ist, fließen sozusagen standardmäßig Gelder und das Geschäft bedarf nicht unbedingt mehr einer finanziellen Förderung durch solche Zusatzprojekte. Zwar wurde die kritische Masse für einen gemeinsamen Großauftritt nicht erreicht, das Interesse einiger Konzerne am Deutschlandjahr und den Projekten des Goethe-Instituts ist aber bemerkenswert.

In seinem SPIEGEL-Beitrag hat Matthias Schepp kürzlich das Bild einer „Neuen Eiszeit“ in den deutsch-russischen diplomatischen Beziehungen skizziert: Brauchen wir wirklich ein Deutschlandjahr, wenn sich die poltische Elite beider Länder in diesem Jahr offensiv zurückhält?

Politisch kann ich das nicht bewerten. Wenn es aber so ist, wie Herr Schepp es heraufbeschwört und die politischen Beziehungen sich abkühlen, dann ist ein Deutschlandjahr doch umso wichtiger! Unser Ansinnen ist es doch, junge Menschen und die Zivilgesellschaften, die also, die über die gemeinsame Zukunft bestimmen, zusammenzubringen – in guten wie in schlechten Zeiten.