3. Juli 2012:
Rede von Johannes Ebert anlässlich 50 Jahre Goethe-Institut Paris

In seiner Rede zum Festakt des 50jährigen Jubiläums des Goethe-Instituts in Paris, der in Anwesenheit des Bundesministers Guido Westerwelle begangen wurde, sprach der Generalsekretär über die Bedeutung der Institution für die deutsch-französische Partnerschaft und zukünftige Aufgaben, besonders im Hinblick auf Europa.

Sehr geehrter Herr Dr. Westerwelle,
sehr geehrter Herr Lang,
liebe Frau Krüger-Leißner,
sehr geehrter Herr Botschafter Schäfers,
lieber Herr Franke
lieber Herr Umlauf
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Freunde,

„Histoires Croisées“ – so ist der Titel eines Projekts, das die Goethe-Institute in Frankreich und das Institut Français in Vorbereitung des 50jährigen Jubiläums der Elysée-Verträge in diesem Jahr beginnen. „Histoires Croisées“ stellt 50 deutsch-französische Paare vor, wie sie sich kennengelernt haben, wie ihre persönliche Geschichte verläuft, warum sie sich mögen.

Mein französischer Freund heißt Michel und lebt in Nizza. Wir haben uns vor 36 Jahren als 13jährige beim Schüleraustausch kennengelernt. Wir haben gemeinsam unsere Pubertät durchlebt, reisten gemeinsam durch Europa und hatten zur gleichen Zeit lange Haare, die wir dann irgendwann zur gleichen Zeit wieder abgeschnitten haben. Ich war sein Trauzeuge, er hat uns vor zwei Jahren das letzte Mal in Deutschland besucht. Irgendwann, als er noch lebte, sagte mein Großvater, der 1905 geboren ist, zu mir: „Wir sind erzogen worden in dem Glauben, dass die Franzosen unsere „Erbfeinde“ seien. Heute bin ich so glücklich über eure Freundschaft.“

Diese kleine Geschichte macht deutlich, warum es für mich heute von überaus großer, auch persönlicher Bedeutung und Freude ist, hier anlässlich des 50jährigen Jubiläums einer anderen großartigen „histoire croisée“ zu Ihnen zu sprechen, zum 50jährigen Jubiläum des Goethe-Instituts Paris. Das Goethe-Institut Paris ist eine Institution, die Partnerschaften und Freundschaften zwischen Frankreich und Deutschland stiftet. Ein halbes Jahrhundert lang regte das Goethe-Institut Begegnungen an zwischen Kulturinstitutionen, zwischen Intellektuellen, Künstlern, Schriftstellern, Musikern, Film- und Theaterregisseuren, aber nicht zu vergessen auch zwischen Lehrern und vor allem Schülern unserer beider Länder. Gerade sie werden unsere deutsch-französische, unsere europäische Zukunft gestalten.

Bei zwei großen europäischen Kulturnationen wie der französischen und der deutschen spielen der kulturelle Austausch und der intellektuelle Diskurs eine herausragende Rolle. Dort finden wir die Freiräume für eine echte und nachhaltige Verständigung. Über Debatten, Diskussionen und auch das Lernen der jeweils anderen Sprache stiften wir das Interesse füreinander und mit Musik, bildender Kunst oder zeitgenössischem Tanz wecken wir die Begeisterung und die Emotion gerade auch junger Menschen für die deutsch-französische Partnerschaft. In diesem Sinne war das Goethe-Institut in Paris von Anfang an ein Mittelpunkt des deutsch-französischen intellektuellen und künstlerischen Austausches. Die großen Gestalten der Versöhnung wie Joseph Rovan oder Alfred Grosser gingen und gehen hier ein und aus.

Zahlreiche Kontakte zwischen herausragenden Kulturvertretern neuerer jüngerer Generationen wurden über die 50 Jahre vom Goethe-Institut geknüpft. Im Film bestand großes gegenseitiges Interesse: für die Nouvelle Vague auf der einen, für den deutschen Autorenfilm mit Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und natürlich Wim Wenders auf der anderen Seite. Hier arbeitet das Goethe-Institut seit langem mit den großen französischen Institutionen wie der Cinémathèque und dem Centre Pompidou zusammen.

Das Interesse an deutschem Tanz und Theater in Frankreich ist überwältigend. Pina Bausch ist in Paris berühmt geworden. Frank Castorf, René Pollesch oder Thomas Ostermeier gastieren und produzieren mit den Theatern – überall ist das Goethe-Institut willkommener Partner. Wie übrigens auch bei den großen jüdischen Institutionen wie dem Mémorial de la Shoah – hier hat sich das Goethe-Institut immer sehr stark engagiert.

Über eine Million junge Französinnen und Franzosen lernen die deutsche Sprache und wir möchten den zuständigen Ministerien, mit denen wir Seminare und Fortbildungen organisieren, dafür danken. Für eine gesunde und erfolgreiche Nachbarschaft sind gerade gegenseitige Sprachkenntnisse von besonderer Bedeutung.

Es gibt noch viele Beispiele, wie das Goethe-Institut Paris in den letzten 50 Jahren dazu beigetragen hat, dass zwischen Frankreich und Deutschland echte Partnerschaft und Freundschaft entstehen – eine tragfähige und tiefe Beziehung, die in unseren gemeinsamen Werten begründet liegt und die deshalb auch kaum zu erschüttern ist.

Wenn wir in die Zukunft schauen, so wird die Aufgabe des Goethe-Instituts, aber auch aller anderen nationalen Kulturinstitute noch wichtiger werden. Und diese Aufgabe heißt auch Europa. Gerade in den letzten beiden Tagen beim Treffen des Netzwerks der nationalen europäischen Kulturinstitute EUNIC, das in Paris stattgefunden hat, haben wir intensiv über die Herausforderung, die Europa uns stellt, diskutiert. Denn in Europa geht es – auch wenn in diesen Tagen naturgemäß von wenig anderem die Rede ist - nicht nur um die Wirtschaft. Europa ist ein kulturelles Projekt gemeinsamer Werte, ein langfristiges Projekt, in dem wir Vertrauen schaffen müssen und Begeisterung. Denn ohne diese emotionale und kulturelle Grundlage ist das gemeinsame Europa gefährdet.

Gerade die deutsch-französischen Beziehungen zeigen, dass es möglich ist, dieses Vertrauen zu schaffen, aus „Erbfeinden“, wie es mein Großvater genannt hat, Partner und Freunde zu machen. Das Goethe-Institut Paris ist ein wichtiger und erfolgreicher Leuchtturm in diesem historischen Prozess. Dass unsere Arbeit hier in den letzten 50 Jahren so erfolgreich war, ist das große Verdienst vieler Menschen. Und so danke ich allen unseren französischen und deutschen Partnern aus Kultur, Bildung, Politik und Wissenschaft. Der Erfolg des Goethe-Instituts gründet auf Ihrem Vertrauen, Ihren Ideen und Ihrer Unterstützung. Herzlichen Dank dafür. Stellvertretend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der letzten 50 Jahre danke ich Herrn Umlauf und seinem Pariser Team ganz herzlich für ihr Engagement und ihren Einsatz für das Goethe-Institut Paris und die deutsch-französischen Kulturbeziehungen.

Nach den vergangenen 50 Jahren erfolgreichen Kulturaustausches zwischen Deutschland und Frankreich müssen wir jetzt unsere ganze Kraft dafür aufwenden, unsere gemeinsamen histoires croisées fortzuschreiben und gemeinsam Lösungen für Europa zu finden. Denn wir brauchen viele europäische Geschichten wie die histoire croisée zwischen mir und meinem Freund Michel: Ihn werde ich im Sommer mit meiner Frau und meinen drei Kindern in Südfrankreich besuchen.

Vielen Dank.