24. April 2018
AKBP – die dritte Säule

Begrüßung durch den Präsidenten des Goethe-Instituts Prof. Dr. h.c. Klaus-Dieter Lehmann

Anrede,

Johann Wolfgang von Goethe hat immer wieder in seinen Schriften über das Eigene und das Fremde reflektiert. Zwei Aussagen dazu:

„Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen; wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren, wie es mit ihnen steht."

Oder:

„Die Existenz fremder Menschen sind die besten Spiegel, worin wir die unsrige erkennen können."

Die Zitate sprechen von der Erfahrung mit der Fremdheit und vom Nutzen der Wechselwirkung.

Was hat das mit unserem Thema der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu tun? Unser menschliches Zusammenleben ist letztlich eine kulturelle Leistung. Kultur ist ein essentieller Bestandteil einer jeden Gesellschaft. Lange Zeit galt die Auffassung: „nice to have", Spielwiese für Künstler und Intellektuelle, vielleicht noch Grundstoff für kommerzielle Produkte. Wenn man sich mit den Beiträgen der heute vorgestellten Publikation beschäftigt, erkennt man sehr schnell die Bedeutung von Kultur als gesellschaftliche Substanz.

Diese Auffassung Goethes ist für unsere Zeit keine Selbstverständlichkeit, aber eine umso dringendere Notwendigkeit. Kriege und Krisen, Flucht und Vertreibung, Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit, Propaganda, erschwerter Bildungszugang, Behinderung zivilgesellschaftlicher Prozesse, nationalistische Entwicklungen, Korruption und Machtmissbrauch bestimmen in vielen Teilen der Welt das Bild.

In einer solchen Gemengelage muss Deutschland eigene Interessen vertreten und ein erkennbares Profil vermitteln. Es ist das offensiv vertretene Interesse an einer offenen, freiheitlichen, diskursfähigen Gesellschaft, die sich auf Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und demokratische Verfassung gründet und deren Verwirklichung sich nicht auf sicherheitspolitische Aspekte verengt oder nur die Angelegenheit einiger weniger Experten ist.

Es braucht Menschen, die sich dem Dialog aussetzen, mit der Fähigkeit des Umgangs mit kulturellen Unterschieden, mit der Kenntnis anderer Modelle des Zusammenlebens, mit Mehrsprachigkeit und Empathie. Weltformeln bieten keine Lösung, eher die persönlichen Begegnungen und Erfahrungen. Es muss ein Dialog sein, der Verantwortung eingeht und Antworten gibt.

Kultur im internationalen Kontext hat eine zentrale Bedeutung, weil sie die Identität der jeweiligen Gesellschaften ausmacht. Das macht sie aber nicht zum Allheilmittel. Kultur ist nicht per se friedensstiftend. Wir alle kennen die Bilder des Krieges oder des Terrors, die den gegenwärtigen Vandalismus der bewussten kulturellen Zerstörung zeigen, in Palmyra, in Ninive oder die schockierenden Bilder der Zerstörung im Balkankrieg. Kultur kann politisch instrumentalisiert werden und zu Propagandazwecken missbraucht werden. Kultur kann sich abschotten und trennen. Kultur kann als dekoratives Element der Wirtschaftsförderung eingesetzt werden.

Kultur ist dann wirkungsvoll, wenn sie sich öffnet, sich mitteilt, gegenseitige Kenntnis fördert, eine Wertschätzung von Vielfalt und die Gleichwertigkeit der Anderen zugrunde legt und den genannten rechtlichen Bedingungen von Freiheit von Kunst und Wissenschaft entspricht. Dann kann sie Alternativen entwickeln statt sich auf Konflikte fixieren, Prozesse ermöglichen und ausreichend selbstkritisch durch die Kenntnis des Anderen sein.

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik beginnt für mich bereits in Deutschland, denn innen und außen sind keine getrennten Welten mehr. Wenn man über das Zusammenleben in Deutschland spricht, muss man auch über den gesellschaftlichen Wandel sprechen. Mehr als 20 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln leben hier. Dieser Wandel ist positiv zu gestalten, wenn die eigene Kultur erkannt, gewollt und weiter entwickelt wird Dazu gehört aber auch eine Teilhabe für die Migranten, die sich zu Deutschland bekennen und unsere Grundwerte leben.

Parallelgesellschaften sind Gift für das Zusammenleben, wechselseitige Prozesse sind gefragt. Der Multikulturalismus, der alle Haltungen, auch die intoleranten, als gleichwertig ansieht kann nicht die Leitlinie sein. Der demokratische Pluralismus, der für eine freiheitliche Gesellschaft steht und sich auf das Grundgesetz beruft, ist zu stärken und zu verteidigen. Wichtig ist auch die stärkere Einbeziehung von Diskursen im Ausland durch Fokussierung im Inland.

Eine ganz besondere Verantwortung für Deutschland als Mittelland mit neun Nachbarn sehe ich in der gemeinsamen Verantwortung für einen europäischen Kulturraum. Die weitgehend ökonomische Ausrichtung der EU reicht offensichtlich nicht aus für ein solidarisches Europa. Wir erleben derzeit das Gegenteil von Respekt, Anerkennung und Solidarität, Mittelosteuropa und Westeuropa driften auseinander. Der französische Staatspräsident Macron hat für ein zukunftsfähiges Europa, das seine Werte ernst nimmt, eine prägende Formel gefunden: es muss darum gehen die Autorität der Demokratie zu stärken und nicht die autoritäre Demokratie zum gesellschaftlichen Maßstab zu machen.

Das europäische Selbstverständnis beruht auf seinem vielfältigen kulturellen Reichtum und auf einem gemeinsamen Kulturerbe. Einerseits ist eine Rückbesinnung auf das, was uns zusammenhält, wichtig, andrerseits müssen neue Impulse für den gesellschaftlichen Wandel die Maßstäbe für die Zukunft setzen. Kein Europäer soll sich in einem europäischen Land als Fremder fühlen. Europa ist keine unverbindliche „Salatschüssel", es ist auch kein „homogenisierter Schmelztiegel" sondern eher ein „Mosaik", gefasst von einem Rahmen aus gemeinsamer Verantwortung und Rechtsstaatlichkeit.

Mit einer solchen europäischen Erfahrung lässt sich die nötige Fernkompetenz für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik weltweit gewinnen.

Deutschland wiederum hat aus seiner Geschichte gelernt, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik weitgehend unabhängig über Kulturmittler zu organisieren, in einem generellen Einverständnis mit der Regierung. Diese Unabhängigkeit hat in der Welt zu einer hohen Glaubwürdigkeit geführt. Dazu kommt, dass wir nicht als Missionare unterwegs sind sondern als Partner. Partizipatorisch werden gemeinsame Projekte definiert, die durch ihre Nachhaltigkeit eine dauerhafte Bindung schaffen. Nicht Repräsentation sondern Koproduktion und Dialog als Grundprinzip der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik sind angesagt. Zivilgesellschaftliche Aspekte, ein verbesserter Zugang zu Wissen und Bildung, digitale Plattformen mit großer Reichweite ermöglichen nicht nur Talentförderung sondern auch eine ökonomische Zukunft. So haben die Kulturmittler in den letzten Jahren beeindruckende Zuwachszahlen erreicht, ob bei der Bedeutung der deutschen Sprache weltweit, bei der digitalen Vernetzung und beim kulturellen Austausch, mit Residenzprogrammen oder globalen Dialogen.

Diese Außenpolitik der Zivilgesellschaften im Sinn eines Regelwerks für einen verantwortungsbewussten Dialog ist durch die Förderung eines demokratischen Bewusstseins in unserem Interesse! Die Kulturarbeit, wie wir sie verstehen, hat für die Lesbarkeit der Welt eine grundlegende Bedeutung und hat sich durch die Ergebnisse legitimiert. Jetzt gilt es das Erreichte zu stabilisieren, neue Impulse zu setzen und die Chancen des Koalitionsvertrages zu nutzen, der bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik mit einem überzeugenden Pragmatismus auf die in Unordnung geratene Welt reagiert.

Es gilt das gesprochene Wort!