Rede von Klaus-Dieter Lehmann zur Eröffnung der Ausstellung „Die Tropen. Ansichten von der Mitte der Weltkugel“

Prof. Dr. h. c. Klaus-Dieter Lehmann
11. September 2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir eröffnen heute die Ausstellung „Die Tropen – Ansichten von der Mitte der Weltkugel“ als Fokus einer umfassenden Präsentation von Kunst, Literatur, Musik, Theater, Film und wissenschaftlichen Podien. Berlin wird zur tropischen Metropole, wenn schon nicht klimatisch, dann von den Programm und Themen, von den Farben und Formen, von den Fakten und Emotionen.

Im Mittelpunkt steht die Kunstausstellung hier im Martin-Gropius-Bau. Sie spannt einen zeitlichen Bogen von der vormodernen, vorkolonialen Zeit bis zur zeitgenössischen Kunst. Dabei nimmt sie den gesamten Tropengürtel zwischen dem Wendekreis des Steinbocks und des Krebses in den Blick. Mit den Paradoxen umzugehen ist Konzept und Inhalt der Ausstellung. Es ist ein kritischer Diskurs über die Tropen mit den Mitteln der Kunst. Natur, Lebensformen und Kultur werden in ihren Differenzen und Ähnlichkeiten in einer vielfältigen Formen- und Farbensprache vermittelt Geht man durch die Ausstellung, gewinnt man den Eindruck, dass die Ausstellungsmacher der Kunst nicht nur zutrauen, Botschaften zu formulieren, sondern Wirksamkeit zu erzielen. Die Kunst ist sicher nicht der Wettermacher, aber vielleicht ist sie im Besitz des Barometers.

Es ist ein Glücksfall, wer sich hier als Partner zusammengefunden hat. Das Goethe-Institut mit seinem weltumspannenden Netz und seiner interkulturellen Kompetenz , das Ethnologische Museum aus dem funkelnden Kranz der Staatlichen Museen zu Berlin mit den reichhaltigsten außereuropäischen Sammlungen und dem hohen Forschungspotential und die Kulturstiftung des Bundes mit ihrem zu Recht hohen Anspruch an Förderung und Unterstützung. Ein solches Großprojekt konnte nur aus dieser gemeinsamen Verantwortung entstehen.

Mein Dank gilt deshalb zunächst den Personen, die mit ihrer ganz speziellen Expertise das Potential ihrer Institutionen erschlossen und eingebracht haben.
Da ist zunächst Alfons Hug, der als Leiter des Goethe-Instituts in Rio de Janeiro Ideengeber, Kurator und Motor war, die verkörperten Tropen. Da sind Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums und Peter Junge, Kurator, die starken und leidenschaftlichen Museumspartner und da ist Hortensia Völckers und Alexander Farenholtz als Vorstand der Kulturstiftung des Bundes, die sich auf das Wagnis mit persönlichem Engagement eingelassen haben.
Und nicht zuletzt Bruno Fischli, der nicht nur seitens des Goethe-Instituts die Gesamtplanung verantwortete, einschließlich aller Begleitveranstaltungen, sondern auch selbst ein großer Kenner der Tropen ist.
Ihnen allen sei herzlich gedankt!

Berlin ist kein willkürlicher Ort für eine solche Ausstellung. Man kann fast sagen, es ist der Ort. Nirgendwo wurde die außereuropäische Kunst – und hier wiederum die Kunst der Tropen – so umfassend gesammelt wie in Berlin. Nirgendwo beschäftigen sich wissenschaftliche Regionalinstitute intensiver mit den Tropen, nirgendwo vermitteln Häuser wie das Haus der Kulturen der Welt so viel Kulturereignissse aus dem Tropengürtel, wo inzwischen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung lebt, nirgendwo kennt man Spezialinstitute wie das Iberoamerikanische Institut, das sich mit den lateinamerikanischen Tropen in all seinen Aspekten beschäftigt.

Aber von überragender Bedeutung ist noch immer – und vielleicht stärker denn je – Alexander von Humboldt. Er hat uns die fernen Kulturen nahe gebracht und die Gleichwertigkeit der Kulturen belegt. Sein Name hat in den tropischen Ländern einen hohen Stellenwert. Seine Vermessung der Welt ist die Grundlage für das Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz. Was im 19. Jahrhundert eine visionäre Idee war, kann heute von uns im 21. Jahrhundert realisiert werden. So wie die Museumsinsel als humanistische Bildungslandschaft eine Ideengeschichte Europas darstellt, so wird gegenüber auf dem Schlossplatz der Ort der außereuropäischen Kulturen sein – die Welt wird so zum Teilhaber der Mitte Berlins. Das Humboldt-Forum ist kulturpolitisch höchst aktuell. Wenn im November die Entscheidung des Architektenwettbewerbs vorliegt, wird auch die programmatische Struktur eines erlebnisfreudigen und wissensbasierten Konzeptes die Zukunft des Schlossplatzes bestimmen. So wird die Ausstellung zu einer Wegmarke auf dem Weg zum Humboldt-Forum, einer gedanklichen Einheit von Kulturerbe, Kulturwissen, Kulturbegegnung, Kulturerlebnis. Lassen Sie sich ein auf die Projektionen europäischer Utopien und Träume, erkennen Sie die Realitäten globaler Phänomene wie Umweltzerstörung und wuchernde Megastädte. Die Tropen sind Paradies und Hölle gleichermaßen.

Ich wünsche Ihnen eine aufregende und anregende Ausstellung. Ich wünsche Ihnen aber auch viele Begegnungen in und mit unserem Begleitprogramm. Es wird intensive Tage und lange Nächte der Tropen geben mit Film, Theater und Peformances, mit Diskussionen und Lesungen, mit Konzerten und Vortragsreihen.

Erleben Sie mit uns Berlin als Metropole der Tropen.