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Resiliente Demokratie: Schutzprogramme und Exilnetzwerke in Deutschland

Once We Were Trees, Now We Are Birds
Foto: © Victoria Tomaschko

Deutschland ist im 21. Jahrhundert zu einem Land des Exils geworden. Schutzprogramme wie die Martin Roth-Initiative und Plattformen wie das Goethe-Institut im Exil leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Dabei geht es auch um die Resilienz der Demokratie.
 
Von Per Brandt

Während des Dritten Reichs wurden hunderttausende Deutsche ins Exil getrieben – unter ihnen Persönlichkeiten wie Bertolt Brecht, Hannah Arendt und Thomas Mann, die bis heute die deutsche Kulturgeschichte prägen. Ohne die Erfahrung des Exils – nicht zuletzt in den Vereinigten Staaten von Amerika – wäre das Fortbestehen dieses „anderen Deutschlands“ und der Wiederaufbau der Demokratie nach 1945 kaum vorstellbar. Orte wie das Thomas Mann House in Los Angeles zeugen noch heute davon.

Inzwischen ist Berlin selbst zu einer der Hauptstädte des Exils geworden. Wo sonst trifft man auf so viele kritische Journalist*innen aus der Türkei, engagierte Künstler*innen aus Syrien oder mutige Oppositionelle aus Russland? Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die ehemalige Hauptstadt des Dritten Reichs heute zu einem der wichtigsten Knotenpunkte freiheitlicher Kräfte aus aller Welt geworden ist. Auch in Zeiten restriktiver werdender Migrationspolitik bleibt Deutschland ein wichtiges Exilland für pro-demokratische „Agents of Change“.

Die Schutzprogramme der Bundesrepublik

Im Laufe der letzten zehn Jahre sind mit Unterstützung des Auswärtigen Amts eine Reihe von Schutzprogrammen für gefährdete Personen entstanden, insbesondere die Philipp-Schwartz-Initiative für Wissenschaftler*innen, das Hilde Domin-Programm für Studierende, die Elisabeth-Selbert-Initiative für Menschenrechtsverteidiger*innen, die Hannah-Arendt-Initiative für Medienschaffende und die Martin Roth-Initiative für Künstler*innen und Kulturtätige. Ein so weitgefächertes Engagement ist weltweit einmalig.

Allein die Martin Roth-Initiative hat bisher über 600 Personen aus über 40 Ländern mit über 100 Gastorganisationen gefördert. Sie ist ein gemeinsames Programm des ifa – Institut für Auslandsbeziehungen und des Goethe-Instituts, das 2018 als Reaktion auf den globalen Rückgang vorpolitischer Freiräume gegründet wurde. Die Initiative zielt darauf ab, Künstler*innen und Kulturtätigen, deren Arbeit durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure eingeschränkt wird, Schutz zu bieten und ihre Weiterarbeit zu ermöglichen. Hierzu zählen leider auch viele Partner*innen der Goethe-Institute im Ausland.

Das Goethe-Institut im Exil

Ein verwandtes Projekt ist das Goethe-Institut im Exil in Berlin: Hier finden geflüchtete, exilierte und migrierte Künstler*innen einen Ort der Ankunft und der Fortführung ihrer Arbeit. Es ist Begegnungsort, Diskursraum und Bühne für gefährdete Kulturtätige aus Ländern, in denen das Goethe-Institut seine Standorte aufgrund von Krieg und Zensur schließen musste. Das Programm erlaubt Einblicke in Fluchtgeschichten und Grenzerfahrungen ebenso wie Neuanfänge und künstlerische Vielfalt. Es lädt dazu ein, die lebendige Kulturszene in der Diaspora zu fördern und zu vernetzen.

Das Goethe-Institut im Exil orientiert sich an Länderschwerpunkten; so standen in der Vergangenheit etwa die Ukraine, Belarus oder Afghanistan im Fokus des Programms. Darüber hinaus finden darüber aber auch Veranstaltungen oder auf aktuelle Situationen bezogene Aktivitäten rund um das Thema Kunst und Kultur im Exil statt. 

Wichtiger denn je: Demokratie verteidigen

Viele der Kulturschaffenden, die mit Hilfe der Martin Roth-Initiative nach Deutschland gekommen sind oder zum Umfeld des Goethe-Instituts im Exil zählen, haben aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen aus autoritären Gesellschaften einen besonders klaren Blick für illiberale Tendenzen, die es auch in Demokratien wie Deutschland gibt. Sie bereichern gesellschaftliche Debatten über brisante aktuelle Themen wie Nationalismus, Populismus, Heimat, Migration sowie die Grenzen von Kunst- und Meinungsfreiheit. Exil-Communities stärken ihre Gastländer, indem sie als Frühwarnsysteme agieren und internationalen Erfahrungsaustausch ermöglichen.

Die sogenannte freie Welt ist prekärer geworden; bei der Sicherung regelbasierter Ordnung und demokratischer Grundwerte kommt es zunehmend auf die Europäische Union und damit auch auf Deutschland an. Es ist an uns, Errungenschaften zu verteidigen und Allianzen zu pflegen. Dazu gehören gute Beziehungen zu anderen Demokratien, aber auch der Schutz demokratischer Akteure aus illiberalen Kontexten. Daher sind Programme wie die Martin Roth-Initiative und das Goethe-Institut im Exil heute vielleicht wichtiger als je zuvor.

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