„1968 und die Neuen Rechten. Europäische Perspektiven“
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Grußwort von Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, auf der internationalen Tagung „1968 und die Neuen Rechten“
Grußwort von Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts, auf der internationalen Tagung „1968 und die Neuen Rechten“ | Foto: Bernhard Ludewig

Auf der Tagung „1968 und die Neuen Rechten. Europäische Perspektiven“, organisiert vom Goethe-Institut und der Kursbuch Kulturstiftung, diskutierten internationale Expertinnen und Experten, welche Auswirkungen die Ereignisse des Jahres 1968 auf unsere europäische Gegenwart haben.

1968 steht für ein neues Lebensgefühl: Aufbruch, Rebellion, Zerstörung autoritärer Strukturen. Mit ihrem Marsch durch die Institutionen setzten die 68er vor einem halben Jahrhundert einen weitreichenden Wertewandel in Gang. Was ist davon geblieben? Wie weit trägt die Unterscheidung von linker und rechter Gesinnung noch? Warum kann sich heute ein rechter Populismus stärker artikulieren als ein Populismus von links? Diesen Fragen gingen die Referentinnen und Referenten der Tagung „1968 und die Neuen Rechten. Europäische Perspektiven“ in Hamburg nach. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Goethe-Institut und der Kursbuch Kulturstiftung, Gastgeber war das Museum für Kunst und Gewerbe, wo gerade die Ausstellung „68. Pop und Protest“ läuft.

Schutz von liberalen Wertvorstellungen

Zwei Diskussionsrunden und ein Rundgang durch die Ausstellung – das war der Rahmen der Veranstaltung. Dabei fiel der Blick immer wieder auf die aktuelle politische Lage in Europa und weltweit, wo Populismus, rechte Parteien und Gesinnungen immer mehr Terrain erobern. In seinem Grußwort kommentierte Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts: „Nicht nur 1968 war ein europäisches und weltweites Phänomen. Die Neue Rechte hat sich heute ebenfalls auf weltweiter Ebene organisiert und arbeitet europäisch und global vernetzt. Es ist unsere Aufgabe, mit diesen neuen politischen Herausforderungen umzugehen und unsere liberalen Wertvorstellungen zu schützen.“

Ausstellung „68. Pop und Protest“ im Museum für Kunst und Gewerbe Ausstellung „68. Pop und Protest“ im Museum für Kunst und Gewerbe | Foto: Bernhard Ludewig

Von links nach rechts?

 Thomas Wagner, Kultursoziologe und Autor des Buches „Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten“, analysierte Perspektiven und Strategien der AfD: „Die AfD könnte dauerhaft eine stabile Volkspartei rechts von der Union werden, wenn sie das Thema der sozialen Frage noch stärker besetzt und zunehmend eine soziale Ausrichtung bekommt.“ Zusammen mit der polnischen Historikerin Joanna Wawrzyniak und dem russischen Politikwissenschaftler Greg Yudin diskutierte Wagner über die Frage: „Von links nach rechts?“ Wawrzyniak referierte über Populismus und intellektuelle Polarisierungen in Polen von 1968 bis heute und wies auf das in ihrem Land derzeit stark verbreitete antisemitische Klima hin. Auch Yudin griff die Gefahren des Populismus auf, merkte allerdings an, dass das gegenwärtige politische Regime in Russland in folgender Hinsicht nicht populistisch sei: Die Führungsfiguren seien nicht volksnah, suchten nicht das Gespräch mit der Bevölkerung.

Das erste Panel setzt sich mit linkem und rechtem Populismus auseinander. V.l.n.r.: Thomas Wagner, Vladimir Balzer, Joanna Wawrzyniak und Greg Yudin Das erste Panel setzt sich mit linkem und rechtem Populismus auseinander. V.l.n.r.: Thomas Wagner, Vladimir Balzer, Joanna Wawrzyniak und Greg Yudin | Foto: Bernhard Ludewig

1968. Was bleibt?

Auch die zweite Gesprächsrunde „1968. Was bleibt?“ bot viele Schlaglichter und Gedankenflüge. Der Münchner Soziologe und „Kursbuch“-Herausgeber Armin Nassehi erläuterte die „implizit linke“ Wirkung von 1968 auf die Gesellschaft, nämlich dass Bildung auch für Kinder aus bildungsfernen Schichten zugänglich wurde und damit eine „Inklusionsdynamik“ in Gang kam. Der Historiker Emile Chabal skizzierte die Entwicklung der französischen Rechten nach 1968, während die Filmemacherin Christina von Braun darlegte, inwieweit 1968 die Geschlechterverhältnisse verändert hat. Auch das Publikum beteiligte sich mit Fragen, zum Teil sehr emotional. Manche der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten 1968 als junge Erwachsene erlebt.

Im zweiten Panel gilt es, den Spuren von 1968 auf den Grund zu gehen. V.l.n.r.: Armin Nassehi, Christina von Braun, Émile Chabal und Katja Freistein Im zweiten Panel gilt es, den Spuren von 1968 auf den Grund zu gehen. V.l.n.r.: Armin Nassehi, Christina von Braun, Émile Chabal und Katja Freistein | Foto: Bernhard Ludewig

Zwischen Pop und Protest

Ein Rundgang durch die Ausstellung rundete das Programm ab. Die mit vielen Multi-Media-Effekten ausgestattete Schau spiegelt nicht nur die politischen Ereignisse von 1968, sondern illustriert plastisch auch Lebensbereiche wie Wohnen, Design und Mode. In einem großen Raum findet sich die legendäre Kantine des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ wieder, die der Verlag dem Museum nach seinem Umzug in die Hafencity geschenkt hatte. Eine Flut von Orange- und Brauntönen, gestaltet von dem dänischen Designer Verner Panton, bietet einen nostalgischen Blick zurück – ein Lifestyle-Meilenstein,  zwischen Pop und Protest.

Orangefarbene Spiegel-Kantine als Geschenk an das Museum Orangefarbene Spiegel-Kantine als Geschenk an das Museum | Foto: Bernhard Ludewig